Staatsleistungen

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Unter Staatsleistungen versteht man im deutschen sogenannten Staatskirchenrecht alle finanziellen Zuwendungen der Bundesländer an die traditionellen Kirchen, die nach alten Übereinkünften (Gesetz, Vertrag oder eingeräumte Rechtstitel) erbracht werden. Die Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden in Artikel 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) erwähnt, der gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes fortgilt. Seit 1919 ist der Staat verfassungsmäßig aufgerufen, sie zu beenden.[1]

In einem weiteren, nichttechnischen Sinne versteht man unter Staatsleistungen alle finanziellen Zuwendungen des Staates an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften unabhängig von Anlaß und Zeit der Entstehung.

Einteilung

Die Staatsleistungen im technischen, engeren Sinne und diejenigen im weiteren Sinne kann man einteilen in positive und negative Staatsleistungen. Positive Staatsleistungen mehren das Vermögen aktiv. Dagegen verzichten negative Staatsleistungen lediglich darauf, das Vermögen zu mindern, wie es bei Steuer- und Gebührenbefreiungen der Fall sein kann.

Zu den positiven Staatsleistungen gehören vor allem die Dotationen, also zweckgebundene Zuwendungen zur Finanzierung kirchlicher Behörden und Amtsträger. Im katholischen Bereich spricht man im ersten Fall von Bistumsdotationen, im evangelischen von Dotationen für das Kirchenregiment. Unter die Dotation von Amtsträgern fallen vor allem Zuschüsse zur Besoldung der Pfarrer. Neben den Dotationen gibt es aber auch eine Vielzahl von regional unterschiedlichen Formen der positiven Staatsleistungen, die sowohl in Geld- als auch in Sachzuwendungen, in Nutzungs-, Bau- und Unterhaltungszuwendungen bestehen können. Sie können dem Betrag nach festgelegt sein oder bedarfsabhängig.

Staatsleistungen beruhten teilweise auf alten Titeln und waren dann auch häufig ungeschrieben oder wurden gewohnheitsmäßig ohne Rechtsgrund erbracht. In den letzten Jahren wurden sie zur Begünstigung und juristischen Absicherung der Empfänger zunehmend in Staatskirchenverträgen formell neu begründet. Dabei wurde zumeist festgeschrieben, daß der Staat nicht freiwillige Subventionen leistet, sondern daß die Kirchen den Staat aus eingegangenen Verpflichtungen in Anspruch nehmen können.

Entstehung der Staatsleistungen in Deutschland

Die neueren Staatsleistungen im weiteren Sinne erhalten neben der römisch-katholischen Kirche und den Evangelischen Landeskirchen unter anderem die Altkatholische und Altlutherische Kirche, die Israelitische Synagogengemeinde, Freireligiöse Landesgemeinden und Freigemeinden, teilweise auch die Methodisten[2] sowie – in den Zahlungen stark ansteigend – der Zentralrat der Juden in Deutschland[3].

Angezweifelt werden in der Öffentlichkeit vereinzelt nur die traditionellen sogenannten Staatsleistungen im engeren Sinne. Sie werden auf tatsächliche oder angebliche Enteignungen der Kirchen vor hunderten von Jahren gestützt. Im einzelnen werden Enteignungen von Evangelischen Landeskirchen vor allem während der Reformationszeit, nach dem Westfälischen Frieden 1648 und zum Ende des 18. Jahrhunderts ins Feld geführt. Die katholische Kirche sei für linksrheinische, von Frankreich annektierte Gebiete und infolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 zu entschädigen.

Damals waren geistliche Reichsstände (vor allem die geistlichen Kurfürstentümer, aber auch Klöster und Stifte) aufgelöst worden. Dieses sogenannte Herrschaftsgut wurde einem neuen Herrscher unterstellt. Einzig den vormaligen geistlichen Landesherrn wurde eine ihrer Stellung als Landesherr angemessene Pension gewährt. Diese Zahlungen endeten jedoch mit dem Ende der Amtszeit. Aus der Übertragung des Herrschaftsguts entstanden also keine heute noch zu zahlenden Staatsleistungen.

Von diesem Herrschaftsgut unterscheiden Kirchenjuristen das sogenannte Dispositionsgut, bei dem die Kirchen nicht ihre staatliche Herrschaftsgewalt, sondern ihre (behauptete) zivilrechtliche Eigentümerstellung verloren. Vorrangig aus diesem Dispositionsgut werden die heute noch geleisteten Staatsleistungen im engeren Sinne abgeleitet.

Insgesamt ist festzustellen, daß die Kirchen weder den Umfang noch die Rechtsgültigkeit ihres Erwerbs von Herrschafts- und Dispositionsgut, dessen Enteignung sie zu jahrhundertelangen Entschädigungen berechtigen soll, jemals nachgewiesen haben. Nach Einschätzung kritischer Sachkenner beruhen die gewohnten Staatsleistungen zu großen Teilen auf Fiktionen, die Politiker und Kirchenfunktionäre, Staats- und Kirchenjuristen teilen, sowie auf deren stillschweigendem Einvernehmen zu Lasten des zahlenden Dritten, des Steuerzahlers.[4]

Regelung der Staatsleistungen im engeren Sinne im Grundgesetz

Verfassungstext

Das Grundgesetz bestimmt in Art. 140 in Verbindung mit Art. 138 Weimarer Reichsverfassung:

(1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.
(2) Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecken bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet.

Entstehungsgeschichte

Der Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates nahm bei den Beratungen zur Verabschiedung eines Grundgesetzes für die BRD die heutige Fassung des Art. 140 GG an und ließ so die Regelungen der Weimarer Reichsverfassung über die Ablösung der Staatsleistungen als Verfassungsrecht fortgelten.

Höhe der Staatsleistungen

Bis heute zahlen die Bundesländer (Ausnahme: die Bundesländer Bremen und Hamburg) den Kirchen Dotationen, jährlich in Höhe von Hunderten Millionen Euro (481 Millionen Euro im Jahr 2013). Seit Gründung der BRD bis einschließlich 2013 wurden den Kirchen rund 15,32 Milliarden Euro überwiesen.[5] Im Jahr 2018 betrugen die Staatsleistungen 538 Millionen Euro, Tendenz steigend.[6]

Inhalt

Die Staatsleistungen im engeren Sinne sollen, um die Rechtsverhältnisse von Staat und Kirchen zu entflechten, abgelöst werden.

Hierzu sollte das Reich, als Körperschaft selbst nicht von Zahlungsverpflichtungen betroffen, Grundsätze für die Ablösung (Beendigung) aufstellen. Dazu ist es aufgrund des Wirkens von Interessenvertretern der Kirchen und konfessionell orientierten Politikern bis heute nicht gekommen, so daß es auch keine Landesgesetzgebung gibt. Den einzigen konkreten Versuch zur Ablösung seit Bestehen der BRD unternahm die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke. Sie legte 2012 einen Entwurf eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften vor. Die Debatte zur ersten Lesung im Februar 2013 zeigte jedoch, daß die anderen Fraktionen die Staatsleistungen lieber ungeschmälert und unbefristet aufrechterhalten wollten.[7]

Rechtspolitische Diskussion

Insbesondere die älteren Staatsleistungen werden gelegentlich von säkularer Seite als der Trennung von Staat und Kirche widersprechend kritisiert. Bemerkt und thematisiert wird, daß die beiden Großkirchen trotz hoher Einnahmen an Kirchensteuern die Einkommen, Gehälter und Pensionen ihrer Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Weihbischöfe und Domvikare in Höhe von 442 Millionen Euro jährlich durch staatliche Apanagen finanziert bekommen.[8]

Eine Tatsache verschweigen die Verteidiger und die Kritiker der älteren Staatsleistungen, nämlich daß die staatlichen Zuwendungen an die katholische Kirche bereits im Kaiserreich abgeschafft waren.[9] Sie wurden über die Jahrzehnte durch das bis heute andauernde Zusammenwirken von Politik und Religionsgesellschaften neu begründet und stark ausgeweitet, um sie unter stetem Vorschützen einer angeblich komplizierten Rechtslage offenkundig für alle Zeiten aufrechtzuerhalten.

Gescheiterter Reformversuch 2020

Mit Stand 2020 beliefen sich die Staatsleistungen aller Bundesländer an die Kirchen nach offiziellen Angaben auf jährlich etwa 548 Millionen Euro. Die Bundestagsfraktionen von FDP, Die Grünen und Die Linke brachten 2020 den Entwurf eines Gesetzes ein,[10] welches für die Bundesländer die Voraussetzungen schaffen sollte, unter garantierter Bedienung der Kirchen mit Staatsleistungen für bis zu 20 weitere Jahre, die Staatsleistungen schließlich abzuschaffen. Das Gesetz kam nicht zustande.

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Lothar Merten: Scheinheilig – Das Billionen-Vermögen der katholischen Kirche, FinanzbuchVerlag, 2018, ISBN 978-3959720892
  • Carsten Frerk:
    • Kirchenrepublik Deutschland – Christlicher Lobbyismus. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2015, ISBN 978-3865691903
    • Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert. Alibri Verlag, Aschaffenburg 2010, ISBN 978-3-86569-039-5
  • Johann-Albrecht Haupt: Die Privilegien der Kirchen, 2010 (PDF-Datei)
  • Horst Herrmann: Die Kirche und unser Geld. Daten — Tatsachen — Hintergründe. Rasch und Röhring, Hamburg 1990, ISBN 3-89136-301-X

Verweise

Fußnoten

  1. Artikel 138 Abs. Satz 1 Weimarer Reichsverfassung, siehe Abschnitt „Regelung der Staatsleistungen im engeren Sinne im Grundgesetz“ weiter unten
  2. vgl. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., München 1996, S. 326 u. 330 Fn. 21.
  3. Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland
  4. Eingehend dargelegt von Carsten Frerk: Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert. Alibri Verlag, 2010
  5. Informationsportal Staatsleistungen
  6. Berechnung von Johann-Albrecht Haupt (Humanistischer Verband), siehe Daniela Wakonigg: Bund der Steuerzahler mehrheitlich für Ablösung der Staatsleistungen an Kirchen, hpd.de, 13. August 2018
  7. Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 17/225 (PDF; 2892 kB): Stenografischer Bericht, 225. Sitzung, S. 28005 ff. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz -- StAblG), 28. Februar 2013
  8. „Spardebatte: Staat zahlt 442 Millionen Euro für Kirchengehälter“, Der Spiegel (spiegel.de), 8. Juni 2010
  9. Gesetz, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bisthümer und Geistlichen. Vom 22. April 1875.
  10. Bundestags-Drucksache 19/19273