Atzmon, Gilad
Gilad Atzmon ( 9. Juni 1963 in Israel) ist ein jüdischer Jazz-Saxophonist und Schriftsteller mit britischer Staatsangehörigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Nach dem Abschluß seines Wehrdienstes bei den israelischen Streitkräften während des Libanon-Krieges 1982 und einer musikalischen Ausbildung in Komposition und Jazz an der Rubin Academy of Music in Jerusalem arbeitete Atzmon als Produzent und Arrangeur in Rock, Jazz und Ethnomusik, beispielsweise mit Ofra Haza, Jack DeJohnette oder Michel Petrucciani. Seit 1993 lebt Atzmon in London, wo er Philosophie studierte und eine Dissertation über deutsche Denker einreichte, jedoch nicht promoviert wurde.
Atzmon spielt Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxophon, als Nebeninstrumente verwendet er darüber hinaus Klarinette, Sol, Zurna und Flöte. Er war Mitglied der Blockheads und arbeitete als Studiomusiker für Kollegen wie Ian Dury, Paul McCartney, Sinéad O’Connor und Robbie Williams. Seine erste CD legte er 1994 vor (Spiel). Er gründete dann das Orient House Ensemble, das nach dem früheren PLO-Hauptquartier in Ostjerusalem benannt ist und mit dem er von 2000 bis 2004 vier CDs beim Münchener Jazzlabel enja veröffentlichte.
Als Verfasser von Judaika trat Atzmon mit dem Debütroman „Anleitung für Zweifelnde“ an. Die Handlung spielt im Jahr 2052 und geht satirisch der Frage nach, warum das untergegangene Israel seinen nahenden Zusammenbruch nicht gesehen hat.
Es gab in hebräischen Schriften bereits vor Atzmon ein Judaikum mit dem Titel „More Nevuchim“. Diesen Titel trägt nämlich auch die hebräische Übersetzung des Hauptwerkes Maimonides', eines Thora-Kundigen aus dem 12. Jahrhundert. Allerdings fällt die Gleichheit der beiden Titel nicht direkt auf, da die deutsche Übersetzung des von Maimonides ursprünglich in arabischer Sprache verfaßten „More nevuchim“ „Führer der Unschlüssigen“ lautet (und nicht „Anleitung für Zweifelnde“).
In seinem im April 2005 erschienenen Buch „My One And Only Love“ macht Atzmon sich über zionistische Helden lustig und stellt den israelischen Geheimdienst als Verbrecherbande dar. Atzmons Romandebüt verschwand in Israel nach kurzer Zeit aus den Buchläden, sein zweites Buch ist erst gar nicht auf Hebräisch erschienen.
Politische Aktivitäten
Atzmon ist ein politischer Musiker, der mit seinen Büchern und Veröffentlichungen im Weltnetz gegen Israel in einer Art und Weise Stellung nimmt, die von vielen Kritikern als antisemitisch ausgelegt wird. Auf einer musikalischen Veranstaltung in Bochum äußerte sich Atzmon in einer Weise, die Günter Deckert am 10. Dezember 2005 zu einer Anzeige „wegen des Verdachts der Volksverhetzung“ veranlaßte.
Atzmon forderte in der Vergangenheit die Auflösung Israels und setzte sich für einen gesamtpalästinensischen Staat ein.
Im November 2011 wies Gilad Atzmon die Anschuldigungen der projüdischen Gruppe „A:ka“ zurück, er sei ein Antisemit und „Holocaust-Leugner“. Die Zitate, die ihm in einem Boykottaufruf der Gruppe zugeschrieben würden, gäben weder seine Positionen noch die Inhalte seiner Bücher wieder.[1] Er habe nie die Juden als ethnische Gruppe oder deren Religion kritisiert.[2][3]
Positionen
Kritik am Demjanjuk-Schauprozeß
- „Eindeutig ist der greise Demanjuk keine Gefahr für die Gesellschaft. [...] Wenn diese Gerichtsverhandlung dazu dienen soll, die Botschaft des Holocaust zu perpetuieren, dann wird sie in Wirklichkeit nur eines bewirken: die gegenteilige Botschaft verbreiten. Sie wird einmal mehr beweisen, daß die Holocaust-Ideologie rachsüchtig und gnadenlos ist. [...] Statt den alten Demjanjuk im Rollstuhl in den Gerichtssaal zu schieben, sollte der deutsche Justizminister lieber Tony Blair, George Bush, Ehud Barak, Ehud Olmert, Tzipi Livni und Shimon Peres verfolgen. Sie sind alle frei und gesund genug, um vor Gericht zu stehen. Sie sind alle im Unterschied zum angeblichen Beihelfer Demjanjuk Täter von ungeheuren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“[4]
Filmbeitrag
Ausschnitt – ZDF-Aspekte: Gilad Atzmon – „Anleitung für Zweifelnde“
Sein subversives Werk „Anleitung für Zweifelnde“ ist eine beißende und zugleich sehr witzige Satire auf das moderne Israel. Gnadenlos rechnet er darin mit dem Zionismus ab, schlachtet jede erdenklich heilige jüdische Kuh. Eine große israelische Tageszeitung schrieb über das Buch: „Konservative werden es hassen, Politiker werden es verbrennen wollen, und für zornige junge Männer wird es zum Manifest werden.“
Werke
Tonträger (Auswahl)
- Gilad Atzmon & The Orient House Ensemble, CD, enja, 2000
- Nostalgico, CD, enja, 2001
- Exile, CD, enja, 2003
- musiK, CD, enja, 2004
Bücher
- Anleitung für Zweifelnde, Roman, dtv, 2003
- My one and only love, Roman, Edition Nautilus, 2005
- Der wandernde – Wer? Eine Studie jüdischer Identitätspolitik, Zambon Verlag, 2012
Sekundärliteratur
- Gilad Atzmon im Gespräch mit Manuel Talens: Schönheit als politische Waffe, in Die Aktion (Nautilus), Nr. 213, 04/2008, Seite 149–174
Verweise
- Weltnetzseite von Gilad Atzmon
- Gilad Atzmon has found his Rabbi Netztagebuch Maurice Pinay, 2. April 2015
- Klaus Miehling: Was Sie über Jazz wissen sollten, Mai 2007, aktualisiert Januar 2012
- Leserbrief zur Kritik des Konzertes von Gilad Atzmon "Abend voller Dissonanzen" von Thorsten Hoops am 29. November
- Buchrezensionen bei Perlentaucher