Demjanjuk, John
John Demjanjuk, eigentlich Iwan Nikolajewitsch Demjanjuk (russisch: Иван Николаевич Демьянюк; 3. April 1920 in Dubowi Macharinzi Ukraine; 17. März 2012 in Bad Feilnbach), soll 1940 in der sowjetischen Armee gegen das Deutsche Reich gekämpft haben, bis er im Mai 1942 auf der Krim-Halbinsel gefangengenommen und nach eigenen Angaben in ein deutsches Konzentrationslager gebracht wurde.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenarbeit
Demjanjuk wurde vorgeworfen, sich freiwillig für die Zusammenarbeit mit den Deutschen gemeldet zu haben. Daraufhin soll der Ukrainer zum Wachmann ausgebildet und in verschiedenen Konzentrationslagern in Polen (Trawniki, Treblinka, Sobibór, Majdanek) und in Deutschland (Flossenbürg) gearbeitet haben. Als Mitglied der SS soll er zudem an der Lagerkonzentration von angeblich über zwei Millionen Juden im besetzten Polen teilgenommen haben.
Auswanderung
1952 wanderte Demjanjuk zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter in die USA aus. Am 14. November 1958 wurde er eingebürgert. Er lebte in Indiana und später in Seven Hills (Cleveland, Ohio), wo er als Mechaniker bei Ford arbeitete und zwei weitere Kinder bekam.
Erster Prozeß in Israel
1977 glaubten einige Lagerinsassen von Treblinka, in ihm einen besonders brutalen Wächter wiederzuerkennen. Ende der 1970er Jahre wurde ein Verfahren gegen Demjanjuk eröffnet, da Überlebende der Konzentrationslager angaben, ihn als „Ivan den Schrecklichen“ und den „Superteufel von Treblinka“ identifiziert zu haben. „Ivan der Schreckliche“ (Ivan Grozny) war ein Wachmann im sogenannten Konzentrationslager Treblinka gewesen, welcher die Gefangenen jenes Lagers gefoltert haben soll und als Gasmeister die dortige „Vergasungsanlage" bedient habe.
Demjanjuk wurde nach Israel ausgeliefert und dort zum Tode verurteilt. 1993 aber wurde das Urteil „nach sechs Jahren in der Todeszelle"[1] annulliert, auch da neu aufgetauchte KGB-Dokumente Zweifel säten, daß Demjanjuk wirklich dieser „Ivan der Schreckliche“ gewesen sein soll.
Auch dank Demjanjuks israelischen Anwalts Yoram Scheftel wurde das Verfahren gegen ihn freilich insofern zum Fehlschlag, als der Angeklagte schließlich freigesprochen werden mußte – natürlich ohne daß dies dem offiziellen Bild vom „Vernichtungslager Treblinka" Abbruch tat.
Demjanjuk kehrte in die USA zurück. Dort stellte ein Richter fest, daß er in Sobibor Wärter gewesen war. Das bestritt Demjanjuk nicht, sagte aber, er sei als Gefangener dazu gezwungen worden. Ab 2005 lieferte er sich mit der US-Justiz einen Streit um seine Auslieferung an die BRD.
BRD-Auslieferungsantrag
Am 11. Dezember 2008 beantragte ein BRD-Gericht seine Auslieferung, (er war damals 88 Jahre alt), mit der Begründung, daß er 1951 mehrere Monate lang in Feldafing war. Der Prozeß gegen ihn sollte den „Holocaust” ein weiteres Mal ins Rampenlicht rücken. Am 12. Mai 2009 wurde er trotz seines desolaten Gesundheitszustandes an die BRD ausgeliefert. Demjanjuks Anwalt sah die Dinge allerdings anders: „Deutschland habe in dem Fall keine Rechtsbefugnis, sagt er, wenn überhaupt ein Land einen Prozeß führen könne, dann sei das Polen".[2]
Der Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums begrüßte die Entscheidung. Demjanjuk war vermutlich einer der letzten Nichtverurteilten, der noch lebte, die „Nazijäger" hofften lediglich, noch einen oder zwei Täter zu finden. Kritiker sahen diesen neueren Prozeß gegen Demjanjuk als Verschwendung von Steuergeldern an.
Die Frage, warum Demjanjuk eigentlich als Ukrainer, der für mögliche Taten auf polnischem Territorium belangt werden sollte, in die BRD ausgeliefert wurde, beantwortete sich offenbar mit seiner Reichsbürgerschaft. Kurioserweise gehört aber eben genau dieses Gesetz zu jenen Nürnberger Gesetzen, die angeblich durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 durch die alliierten Siegermächte wieder aufgehoben worden sein sollen.[3]
Zweiter Schauprozeß in der BRD
Ende November 2009 wurde ein groß inszeniertes Medienspektakel um den Demjanjuk-Prozeß veranstaltet. Die 68 Sitzplätze waren für Journalisten in dem gewählten Saal „viel zu wenige". Über 200 Akkreditierungen (Kläger, Anwälte) nahmen an dem Prozeß teil.[4][5] Demjanjuks Anwälte lehnten das Gericht wegen Befangenheit ab. Deutsche SS-Männer seien in früheren Verfahren freigesprochen worden; wenn aber Vorgesetzte und Befehlshaber unschuldig seien, könne man Untergebene nicht für schuldig befinden. Das Gericht lege doppelte Maßstäbe an. Hauptbeweismittel war ein SS-Dienstausweis. „Abkommandiert am 27.3.43 Sobibor“ ist handschriftlich darauf vermerkt. Die Verteidigung von Demjanjuk bezweifelte die Echtheit des Dokuments. In Sobibor soll Demjanjuk als Wachmann geholfen haben, Juden in die Gaskammern zu treiben. Keiner der Zeugen kann sich konkret an Handlungen Demjanjuks erinnern.[6]
Wegen Demjanjuks Erkrankung konnte dieser einigen Verhandlungstagen nicht persönlich beiwohnen. Nach drei Wochen Unterbrechung kann ein Prozeß platzen. Trotz Krankheit wurde Demjanjuk am 22. Juli 2010 zwangsvorgeführt. Er wurde „unter Protest“ zum Münchner Landgericht gebracht, wie Gerichtssprecherin Margarete Nötzel sagte. Der Umstand, daß er protestierte, zeige aber, daß der Angeklagte verhandlungs- und transportfähig sei.[7]
Kritik am Schauprozeß
- Gilad Atzmon (Jude) kritisierte:
- „Eindeutig ist der greise Demanjuk keine Gefahr für die Gesellschaft. [...] Wenn diese Gerichtsverhandlung dazu dienen soll, die Botschaft des Holocaust zu perpetuieren, dann wird sie in Wirklichkeit nur eines bewirken: die gegenteilige Botschaft verbreiten. Sie wird einmal mehr beweisen, daß die Holocaust-Ideologie rachsüchtig und gnadenlos ist. [...] Statt den alten Demjanjuk im Rollstuhl in den Gerichtssaal zu schieben, sollte der deutsche Justizminister lieber Tony Blair, George Bush, Ehud Barak, Ehud Olmert, Tzipi Livni und Shimon Peres verfolgen. Sie sind alle frei und gesund genug, um vor Gericht zu stehen. Sie sind alle im Unterschied zum angeblichen Beihelfer Demjanjuk Täter von ungeheuren Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ [8]
Literatur
- Dieter Lehner: Du sollst nicht falsch Zeugnis geben: Anatomie eines Beweismittels. Feststellungen über einen Dienstausweis
- Hans Peter Rullmann: Der Fall Demjanjuk. Zur Beweislage und zu den politischen Hintergründen des Prozesses in Jerusalem