Lieberman, Avigdor
Avigdor Lieberman, auch Liberman (geb. 5. Juni 1958 in Chişinău, Moldawien, UdSSR) ist ein israelischer Politiker, Vorsitzender der Partei Jisra'el Beitenu und seit Mai 2016 Verteidigungsminister des Landes. Vom 30. Oktober 2006 bis zum 18. Januar 2008 war er Minister für strategische Angelegenheiten und zeitweise Vize-Regierungschef.[1] Vom April 2009 bis 14. Dezember 2012 war Lieberman Israels Außenminister. Wegen der Ankündigung einer Anklage trat er zurück, woraufhin Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zeitweilig das Ressort übernahm. Nach strafgerichtlichem Freispruch war er vom 11. November 2013 bis Mai 2016 erneut Außenminister gewesen.
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Werdegang
Avigdor Lieberman (Liberman) wurde am 5. Juni 1958 in Chişinău in der damaligen Sowjetrepublik Moldau (Moldawien) geboren. 1978 erfolgte mit 20 Jahren die Einwanderung in den jüdischen Staat. Seinen ursprünglichen Vornamen Yvet legte er mit der Auswanderung nach Israel 1978 ab. Er studierte an der Hebräischen Universität in Jerusalem Politikwissenschaften (B.A.-Abschluß). Schon als Student begann Lieberman sich in der rechten Politikszene zu betätigen. Er unterstützte vorübergehend die radikale Kach-Partei (1994 verboten), schloß sich dann aber dem Likud an.[2] Er war als Türsteher in einem Nachtclub in Jerusalem tätig, war Gepäckarbeiter bei der Fluggesellschaft El Al und arbeitete zeitweise beim Radio in Baku.
Wirken
In Israel leistete Avigdor Lieberman seinen Wehrdienst ab. Von 1983 bis 1988 war er Mitglied im Direktorium der „Economic Corporation of Jerusalem“. Ab 1993 war er Sekretär in der Likud-Bewegung und wurde Vertrauter und „rechte Hand“ des damals neuen Parteichefes Benjamin Netanjahu. Dieser führte den Likud nach der Wahlniederlage 1992 wieder zum Erfolg und gewann die Knesset- und Premierwahlen im Mai 1996. Netanjahu berief Lieberman nach seinem Wahlsieg zu seinem Kabinetts- und Bürochef.[3] Bereits im November 1997 wurde er allerdings unter Vorwürfen der Korruption und des Machtmißbrauchs aus dem Amt gedrängt.
Danach machte er sich als Geschäftsmann selbständig und wurde dank seiner engen Kontakte zur neuen russischen Machtelite schnell wohlhabend. Im Herbst 1998 während der Rubel-Krise setzte die Bank Austria und deren Chef Gerhard Randa' Lieberman als Lobbyist in Moskau ein, um Verluste von mehreren Mrd. öS aus Devisenspekulationen abzuwenden.[4] 1999 ermittelte die Polizei gegen Lieberman in einem Parteifinanzierungsskandal und wegen undurchsichtiger Verbindungen zur (jüdischen) Mafia in Rußland. Weitere strafrechtliche Ermittlungen wegen Beleidigung und Gewaltandrohung blieben ebenfalls ohne Folgen für Lieberman.
Im Januar 1999 erklärte Lieberman seinen Austritt aus dem Likud[5] und gründete seine eigene Rechtspartei Israel Beitenu (Unser Haus Israel). Mit dieser sprach Lieberman — in Konkurrenz zu Natan Sharanskys Einwandererpartei Israel B'Aliya — v. a. die rund eine Mio. ostjüdische Immigranten aus der früheren Sowjetunion an.[6] Bei den Parlamentswahlen im Mai 1999 schloß sich Liebermans Partei dem rechtsgerichteten Bündnis Nationale Union an. Lieberman errang dabei ein Knesset-Mandat.
Als Minister für Nationale Infrastruktur war Lieberman danach zwischen März 2001 und März 2002 auch Mitglied der Koalitionsregierung von Ministerpräsident Ariel Sharon (Likud) und Außenminister Shimon Peres von der Arbeitspartei. Sein Abgeordnetenmandat gab er im März 2003 auf, um in der neuen Regierung von Premier Sharon bis Juni 2004 das Amt des Transportministers zu übernehmen. Dann trat er aus Protest gegen den von Sharon initiierten israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen von seinem Posten zurück.
Verhältnis zu den Palästinensern und Arabern
Lieberman macht keinen Hehl daraus, was er von Arabern hält.[7] 2006 forderte er die Hinrichtung arabisch-stämmiger Parlamentskollegen, die Kontakte zu Hamas oder Hisbollah haben – und verglich sie mit „Nazi-Kollaborateuren“, die in dem Nürnberger Tribunal verurteilt wurden. Im Gazakrieg 2009 regte Lieberman an, die Hamas zu bekämpfen, wie die VSA im Zweiten Weltkrieg Japan bekämpften, denn dann sei eine Besatzung unnötig. Diese Bemerkung wurde als Anspielung auf den Abwurf von zwei amerikanischen Atombomben auf Japan verstanden.[8]
Die Israelis palästinensischer Herkunft, die etwa ein Fünftel der Bevölkerung Israels ausmachen, fürchtet Lieberman als „fünfte Kolonne“. In den Wahlkampf zog er mit dem Wahlspruch, „Ohne Loyalität kein Wahlrecht“. Die christlichen und moslemischen Israelis sollen gezwungen werden, schriftlich ihre Loyalität zum „jüdischen Staat“ zu bekennen. Ansonsten würden sie ihr Wahlrecht verlieren.
Eine Rückgabe der 1967 von Israel eroberten Gebiete an die Palästinenser lehnte Lieberman stets ab – er will lieber seine eigenen Grenzen ziehen. Lieberman schlägt vor, alle jüdischen Siedlungen im Westjordanland zu annektieren und dafür von arabischen Israelis bewohnte Regionen abzugeben. Auch weitere Siedlungen sollen seiner Meinung nach gebaut werden.
Vorwürfe der Korruption, Geldwäsche und Behinderung der Justiz
2001 wurde Lieberman schuldig gesprochen, einen 12jährigen Jungen verprügelt zu haben. Er hatte die Tat gestanden. Es kam zu einem Vergleich. Er mußte u.a. eine Geldstrafe von 17500 Schekel zahlen und eine Erklärung abgeben, daß er nie wieder ein so kleines Kind schlagen werde.
2004 eröffnete Liebermans 21jährige Tochter Michal eine Beraterfirma, die 11 Millionen Schekel aus anonymen ausländischen Quellen bezog. Avigdor Lieberman war Angestellter dieser Firma und erhielt für einen Zeitraum von zwei Jahren ein Gehalt von mehr als 2,1 Millionen Schekel, so die Polizei. Zusätzlich erhielt er – so eine Recherche der Haaretz – für 2006 und 2007 angeblich noch mehrere hunderttausend Schekel aus der Firma. In diesen beiden Jahren war er bereits Minister für Strategische Angelegenheiten und stellvertretender Premierminister. Gemäß israelischem Gesetz wäre dies daher illegal.[9][10]
Gegen Lieberman wurde im August 2009 wegen Korruption, Geldwäsche und Behinderung der Justiz ermittelt. Er soll als Abgeordneter mehrere hunderttausend US-Dollar von ausländischen Geschäftsleuten erhalten haben, möglicherweise Bestechungsgelder. Nach israelischem Recht dürfen Parlamentarier neben ihrem Gehalt keine weiteren Einkünfte haben.[11][12]
Lieberman sollte 2011 wegen Untreue, schweren Betrugs, Geldwäsche und Schikanierung eines Zeugen angeklagt werden. Die Vorwürfe bezogen sich auf die „Kontrolle von Unternehmen, wo Geldsummen in Höhe von Millionen Dollar transferiert“ worden seien. Lieberman wurde verdächtigt, illegal Geld erhalten und das Geld mit Hilfe von Strohmannfirmen gewaschen zu haben.[13][14][15]
Anklage, Rücktritt 2012, Freispruch 2013
Nach Ankündigung von Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein vom 13. Dezember 2012, Lieberman wegen Betrugs und Vertrauensbruchs anzuklagen, gab dieser am Tag darauf seinen Rücktritt bekannt.[16][17] Am 6. November 2013 wurde er in dem Strafverfahren freigesprochen und übernahm am 11. Oktober 2013 wieder das Außenministerium, das seit Dezember 2012 Ministerpräsident Netanjahu mitverwaltet hatte.[18] Im Mai 2016 stieg er zum Verteidigungsminister Israels auf.
Kritik
- Der Politikwissenschaftler Zeev Sternhall von der Hebräischen Universität Jerusalem nannte Lieberman den „gefährlichsten Politiker in der Geschichte Israels“.
Familie
Lieberman ist verheiratet und hat drei Kinder.