Böhmisch-Rudoletz
Staat: | Deutsches Reich |
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Gau: | Niederdonau |
Landkreis: | Neubistritz |
Einwohner (1930): | 506 |
Höhe: | 510 m ü. NN |
Koordinaten: | 49° 3′ 56″ N, 15° 19′ 12″ O |
Böhmisch-Rudoletz befindet sich seit 1945 unter Fremdherrschaft. Das Gebiet ist von der Tschechei vorübergehend besetzt, die einheimische Bevölkerung wurde vertrieben oder ermordet und deren Eigentum gestohlen.
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Böhmisch-Rudoletz ist ein deutscher Ort in Südmähren, Sudetenland. Das Dorf liegt 8,5 Kilometer nordnordwestlich von Zlabings in einem von Wald umgebenen Talkessel.
Zur Gemeinde Böhmisch-Rudoletz gehören außerdem heute die Ortsteile Ober Radisch, Lipnitz, Markwarding, Modes, Neudorf, Neuwelt, Unter Radisch, Rosenau, Stoitzen und Pönigenhof.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Mittelalter
Nach archäologischen Funden dürfte der Ort bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts angelegt worden sein und wurde nach einem Rudolf benannt. Die älteste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1343. 1353 sind eine Burg und die Pfarre belegt. Bis 1406 war Rudoletz im Besitz der Markgrafen von Mähren und gehörte zur gleichnamigen Herrschaft.
Neuzeit
Ab 1567 wurden evangelische Pfarrer genannt. Während des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert wurde Rudoletz mehrmals verwüstet und geplündert. Erst allmählich wurde der Ort wieder besiedelt.
1673 erwarb Margarethe Gräfin von Trautensohn-Falkenstein die Herrschaft über den Ort. Unter ihr wurde das Schloß ausgebaut. 1721 erfolgte der Namenszusatz „Böhmisch“. Unter Maria Theresia von Trautensohn-Falkenstein erlebte Böhmisch Rudoletz bis 1741 eine Blütezeit in der die Schloßmühle, Brauerei und das Sägewerk entstanden. 1775 kam es zu einem Aufstand der Bauern wegen des Frondienstes. Da die Bewohner aber bald um Verzeihung baten, mußten sie nur eine Einquartierung von Soldaten als Bestrafung über sich ergehen lassen. Ende des 18. Jahrhundert wurde am „Silberberg“ nach Silber gegraben.
Unter den seit 1810 im Besitz der Herrschaft befindlichen Grafen Rasumowski wurde ein Eisenhüttenwerk errichtet. Unter Lew Rasumowski erhielt das Schloß einen Uhrturm. 1856 wurden die Ritter von Picchioni Besitzer des Schlosses.
Nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg stand der deutsche Ort unter der Verwaltung des von den Siegermächten erschaffenen Kunsstates Tschechoslowakei. Viele Deutsche sahen sich aufgrund der folgenden politischen Repression genötigt, zu emigrieren. Gleichzeitig entstanden in den 1920er Jahren tschechische Schulen (Volks- und Bürgerschule) im Ort, die zu einem Großteil von den Kindern des Personals der Forstdirektion besucht wurden.
Politisch gehörte Böhmisch Rudoletz vom 19. Jahrhundert bis 1938 zum Bezirk Datschitz. Zuständiger Gerichtsbezirk war Zlabings. Nach dem Anschluß an das Deutsche Reich war es von 1938 bis 1945 Bestandteil des Kreises Waidhofen an der Thaya.
Vertreibung der deutschen Einwohner 1945/46
Alle deutschen Bewohner wurden zwischen dem 28. und dem 30. August 1945 von ortsfremden tschechischen „Revolutionsgardisten“ und durch den „Tschechoslowakischen Nationalausschuß“ über Zlabings nach Österreich vertrieben. Drei deutsche Bewohner wurden verhaftet und in das Gefängnis des Bezirksgerichtes Datschitz verbracht. Einer von ihnen wurde drei Jahre lang in Iglau inhaftiert. Einer Frau, die ein Jahr lang in Iglau festgehalten worden war, mußte ein russischer Offizier zu Hilfe kommen, als sie von Halbwüchsigen mißhandelt wurde. Ein junger Mann wurde erhängt. Eine Frau starb an den Folgen von Mißhandlungen. Einige Familien mußten als Zwangsarbeiter im Ort zurückbleiben und wurden ein Jahr später ausgewiesen. Von den Vertrieben konnten 31 Familien in Österreich bleiben, während 40 Familien 1946 in andere Teile Deutschlands (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen) abgeschoben wurden.
Wirtschaft und Infrastruktur (vor der Vertreibung)
Landwirtschaft: Ackerbau und Viehzucht sowie Teichwirtschaft (Karpfenzucht).
Gewerbe: zwei Sägewerke, Mühle, drei Gutshöfe (Rudoletz, Neudorf, Pönigen), Handwerk und Kleingewerbe.
Schulen: deutsche Volksschule (1788 gegründet, Neubau 1878, zweiklassig), einklassige tschechische Volksschule (1920), vierklassige tschechische Bürgerschule (1922).
Einrichtungen: Gemeindearmenhaus, Schüttkasten, Postamt (1860), Gendarmerieposten (1882), Freiw. Feuerwehr (1895), Raiffeisenkasse (1910).
Kulturerbe
- Pfarrkirche St. Johannes d. Täufers: Pfarre 1343 urkundlich genannt, zweischiffige kreuzrippengewölbte Hallenkirche. Sternrippengewölbter Chor mit 5/8-Schluß aus dem 15. Jahrhundert; Westturm mit Zwiebelhelm 17. Jahrhundert; Tor, Sessionsnische und Westempore gotisch 15. Jahrhundert; Neugotischer Hochaltar mit barockem Dreikönigsbild 18. Jahrhundert.; Rokokokanzel; Renaissancegrabstein mit Reliefs der Stifterfamilie, Christus und Engeln 1583; Wappengrabsteine 17. Jahrhundert; Gruft 1599. Altarbilder Johann von Nepomuk und hl. Karl Borromäus von Kaspar Franz Sambach. Altäre mit Holzschnitzwerken aus Gröden und Paris; steinernes Taufbecken aus 1484.
- Schloß: Ein schon im 14. Jahrhundert erwähntes und später ausgebautes eingeschossiges Wasserschloß wurde 1856 durch Feuer zerstört. In diesem Jahr kaufte Michael Angelo Ritter von Picchioni Schloß und Gut Böhmisch-Rudoletz und ließ anstelle des alten Wasserschlosses ein neues Schloß mit einem viergeschossigen Vierflügelbau im Tudor-Stil mit einem 28 m hohen Turm erbauen. Es ähnelte dem Schloß Frauenberg in Böhmen und erhielt daher den Namen „Klein Frauenberg“ oder „Mährisches Frauenberg“. Es wurde allerdings nach 1945, nachdem der letzte Besitzer Ernst Ritter von Picchioni von den Tschechen enteignet worden war, dem Verfall preisgegeben. Erst in den letzten Jahren erfolgten an der Schloßruine Konservierungs- und Renovierungsarbeiten.
- Friedhofskapelle Hl. Kreuz aus dem Jahr 1761.
Interessant in der Umgebung von Böhmisch-Rudoletz ist der Teufelsstein, ein bekanntes Ausflugsziel. Der Sage nach hätte der Teufel dem 1,60 m hohen Stein die Form eines Riesenkopfes gegeben.
Bevölkerungsentwicklung
Volkszählung | Einwohner gesamt | Volkszugehörigkeit der Einwohner | ||
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Jahr | Deutsche | Tschechen | Andere | |
1880 | 580 | 538 | 39 | 3 |
1890 | 587 | 521 | 66 | 0 |
1900 | 519 | 476 | 42 | 1 |
1910 | 524 | 504 | 10 | 10 |
1921 | 488 | 301 | 149 | 38 |
1930 | 506 | 288 | 196 | 22 |
2013 | 937 |
Literatur
- Johann Zabel: Kirchlicher Handweiser für Südmähren, 1941, Generalvikariat Nikolsburg, Böhmisch Rudoletz S. 66
- Johannes Jungmann: Erinnerung an Rudoletz. 1947