Platzschutzstaffel „Pitomnik“

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Flugplatz Pitomnik, damals und heute (2018); Die Jagdflieger der Platzschutzstaffel meldeten sich ursprünglich für stets eine Woche, aber die versprochene Ablösung kam kriegsbedingt nie, sodaß die ursprünglichen Bf-109-Besatzungen fielen oder bis zum Schluß blieben, wie Hans Grünberg in der Nachkriegszeit schilderte.

Die Platzschutzstaffel „Pitomnik“ war eine militärische Einheit der deutschen Luftwaffe während des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 1942 und 1943. Sie bestand aus Freiwilligen des Jagdgeschwaders 3, die während der Schlacht von Stalingrad auf dem Flugplatz in Pitomnik zurückblieben, um die letzten Versorgungslufttransporte zu beschützen, wohlwissend, daß es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den sicheren Tod handeln würde. Staffelkapitän war Hauptmann Rudolf Germeroth. Der Flugplatz Pitomnik wurde am 17. Januar 1943 von den Russen überrannt und eingenommen. Danach war ein Ausfliegen aus dem Kessel von Stalingrad nur noch über den Behelfsflugplatz Gumrak möglich.

Erläuterung

Der Flugplatz Pitomnik im Zentrum des Kessels von Stalingrad
Flieger-As Leutnant (Kr.O.) Georg Schentke mit seiner Bf 109 G auf dem Flugplatz Pitomnik; Täglich griff die Rote Luftwaffe an und gefährdete deutsche Bodentruppen sowie wichtige Versorgungsflüge der eigenen Luftwaffe.

Die I. Gruppe/JG 3 war schon seit dem 24. September 1942 (die III. Gruppe/JG 3 schon seit dem 10. September, der Geschwaderstab seit dem 23. September), nachdem sie in Nowotscherkassk mit Messerschmitt Bf 109 G-2 neu ausgerüstet wurde, in Pitomnik, rund 20 km westlich der Stadt Stalingrad. Nach Beginn der russischen Winteroffensive am 19. November 1942, die zur Einkesselung der 6. Armee in Stalingrad führte, wurden die I. und III. Gruppen am 28. November nach Morosowskaja-West außerhalb des Kessels von Stalingrad verlegt.[1] Nur die Männer der Platzschutzstaffel, die sich freiwillig gemeldete hatten, blieben zurück.

Pitomnik war einer der drei Flugplätze im Kessel. Er diente nach der Einkesselung der 6. Armee durch die Rote Armee neben dem Flugplatz Basargino und dem Behelfsflugplatz Gumrak zu Versorgungsflügen durch die Luftwaffe. Von ihnen waren die Leben Hunderttausender deutscher Soldaten abhängig, auch Tausende Verwundete konnten dank der schützenden Jagdflieger noch in den letzten Wochen der Schlacht ausgeflogen werden. Die Platzschutzstaffel für den Flugplatz Pitomnik im Kessel von Stalingrad hatte den Auftrag, den Luftraum über dem Platz freizukämpfen und so das Landen der deutschen Transportverbände zu ermöglichen. Das Bodenpersonal kam hauptsächlich von der I. und II. Gruppe des Geschwaders, die Flugzeugführer vorwiegend von der I. Gruppe. Die schlechten technischen Voraussetzungen, Ersatzteilmangel sowie russische Luftangriffe sorgten jedoch dafür, daß meist nur eine Hand voll Flugzeuge eingesetzt werden konnte, zuletzt waren nur zwei bis drei Maschinen gleichzeitig einsatzbereit.

Kampfgeschwader 27

Die 5. Staffel des Kampfgeschwaders 27 stand unter dem Befehl von Hans-Henning Freiherr von Beust. Bis 28. November 1942 waren drei bis vier Feindflüge für die gesamte 5. Staffel (darunter mit Ludwig Havighorst) der II. Gruppe an der Tagesordnung. Am 28. November 1942 wurden alle verfügbare Maschinen in den Kessel geschickt, um die 6. Armee zu versorgen, nur 12 Maschinen schafften es, die anderen vereisten und mußten umkehren. Am 30. November 1942 versuchten sie es erneut, nun trafen alle Maschinen auf dem Flugplatz Pitomnik ein. Diese wichtige Lieferung war dem Jagdschutz, aber vor allem der Platzschutzstaffel zu verdanken, die alle Angriffe der Russen erfolgreich abwehrten.

Helden am Himmel

Die Platzschutzstaffel „Pitomnik“ hatte Heldenhaftes, Übermenschliches geleistet: Kaum Maschinen, wenig Treibstoff und Munition, aber vor allem selten Schlaf und keine ausreichende Nahrung, dennoch gaben sie nicht auf, sie flogen und fielen gemeinsam. Aber auch Kälte (morgens 25° bis 30° Celsius), Erschöpfung und der nagende Hunger rafften viele dahin.

Die Flugzeugführer erhielten genauso wenig Proviant wie die anderen, täglich nur ein Laib Brot für sieben Mann und eine Dose Ölsardinen für je drei bis vier Mann. Dazu erhielt jeder eineinhalb Liter Tee, eine Zigarette und etwas Traubenzucker. Beim Luftkampf fehlten die Kalorien, scharfe Kurven lösten Schwindel und Bewußtlosigkeit aus. Schlafen war in den verrauchten und eisigkalten Erdbunkern kaum möglich. Immer wieder mußten die Flugzeugführer miterleben, wie Ju 52, Ju 88 und He 111 am Himmel mit verwundeten an Bord abgeschossen wurden, weil nicht selten nur noch eine oder zwei Bf 109 zum Schutz Einsatz beriet waren. Sie litten psychisch sehr, wie Hans Grünberg in der Nachkriegszeit berichtete.

Der Untergang

Kurt Ebener – As der Asse der Platzschutzstaffel

Am 17. Januar 1943 hatten die Russen den Flugplatz erreicht und die wenigen Posten am Rande überrannt. Nur Werner Lucas befand sich in der Luft, die zweite Bf 109 von Feldwebel Grünberg sollte folgen, aber war noch nicht warm gelaufen. Nur die letzten Ju 87 konnten abheben, drehten und warfen ihre Bomben 300 m entfernt am südlichen Rand des Flugplatzes auf den Feind, erst jetzt war allen klar, wie nahe die Russen in ihren weißen Tarnanzügen waren. Grünberg saß schon in der Führerkanzel, als sein Mechaniker von einer Kugel in die Hand getroffen wurde. Dieser schrie Grünberg zu, auszusteigen, was er dann auch tat. Grausame Szenen spielten sich ab, deutsche Fahrzeuge und Panzer überfuhren im Chaos eigene Verwundete. Ausgemergelte Infanteristen versuchten zu entkommen, nach wenigen Metern fielen sie um und starben an Erschöpfung im Schnee.[2] Elf Flugzeuge mußten gesprengt zurückgelassen werden, die verbleibenden flugfähigen Messerschmitt Bf 109 wichen auf den Flugplatz Gumrak, den man in den letzten Tagen eingeebnet hat, aus und kehrten am Folgetag nach Schachty, rund 400 km westlich von Stalingrad, zum Jagdgeschwader 3 zurück. Hier wurden die Flugzeugführer, manche hatten das Glück, noch einen Platz in der letzten Transportmaschine zu bekommen, und die Flugzeuge auf ihre ursprünglichen Gruppen verteilt, die I. Gruppe mußte jedoch später völlig neu aufgestellt werden.

Viele machten sich zu Fuß nach Gumrak, darunter Feldwebel Grünberg mit seinen Kameraden. Erst am 18. Januar 1943 kurz vor dem frühen Dunkelwerden hatten sie den 25-km-Gewaltmarsch geschafft, immer wieder hatten russische Schlachtflieger angegriffen, ihre Verwundeten trugen sie mit sich, die Toten unterwegs haben sie notdürftig mit Schnee und Stahlhelm bedeckt. Im Kessel blieben jedoch 60 bis 100 Mann des Stabes und des Bodenpersonals zurück,[3] die als vermißt gemeldet wurden. Da auch nach dem Krieg nie wieder von ihnen etwas in Erfahrung zu bringen war, sie wurden auch nicht als Kriegsgefangene geführt, ist davon auszugehen, daß sie von den Russen an Ort und Stelle ermordet wurden.

In der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 1943 landeten noch deutsche Versorgungsflugzeuge in Pitomnik. Die Russen schossen nicht, ließen die Ahnungslosen landen, freuten sich über den Proviant und die Beutemaschinen. Erst am Morgen des 19. Januar 1943 wurde die Flüge eingestellt, die Transportflugzeuge erhielten Befehl, nach Gumrak zu fliegen. Um die äußerst schwierigen, gefahrenvollen Landungen zu umgehen, werfen zahlreichen Maschinen Versorgungsbehälter ab. Die weißen Fallschirme jedoch, die sich nach dem Abwurf über die Behälter (Versorgungsbomben) legten, erschwerten die Suche in der schneebedeckten Steppe, oft war es auch den Männern, die so abgekämpft sind, kaum noch möglich, die schweren Versorgungsbomben zu bergen. Am 22. Januar 1943 fiel auch das schneeverwehte und mit Bombenkratern übersäte Flugfeld Gumrak in russische Hände.

Flugzeugführer der Platzschutzstaffel (Auswahl)

  • Heinrich Blaut, Unteroffizier 3./JG 3; 30. November 1942 abgeschossen und in Gefangenschaft geraten
  • Kurt Brändle ( 3. November 1943); 180 Luftsiege, DKiG und RKdEK mit Eichenlaub
  • Franz Daspelgruber ( 16. Juli 1943), Leutnant 3./JG 3, später Oberleutnant und Staffelkapitän of 10./JG 3; 46 Luftsiege, DKiG
  • Gustav Dilling ( 14. Juni 1944), Feldwebel 5./JG 3; 51 Luftsiege, DKiG
  • Kurt Ebener (1920–1975), Feldwebel 4./JG 3; 57 Luftsiege, DKiG und RKdEK
    • Ebener war das As der Asse der Platzschutzstaffel, da er zwischen dem 3. Dezember 1942 und dem 15. Januar 1943 35 Abschüsse errang.
  • Richard Eisele ( 14. Januar 1943), Unteroffizier 3./JG 3
    • er fiel als letzter der Platzschutzstaffel im Luftkampf direkt über dem Flugplatz in seiner Bf 109 G-2 „Schwarze 12“
  • Hans Frese, Feldwebel 4./JG 3, später Leutnant und Staffelkapitän 1./JG 3; 44 Luftsiege, DKiG
  • Gustav Frielinghaus (1912–1963), Leutnant/Oberleutnant und Staffelkapitän 6./JG 3; 74 Luftsiege, DKiG und RKdEK
  • Rudolf Germeroth (Lebensrune.png 16. Januar 1913; 14. Oktober 1943), Hauptmann und Staffelkapitän 3./JG 3, Chef der Platzschutzstaffel „Pitomnik“; 8 Luftsiege
    • am 1. Februar 1944 posthum zum Oberstleutnant befördert
  • Hans Grünberg (1917–1998), Feldwebel 5/JG 3; 82 Luftsiege, DKiG und RKdEK
  • Kurt Hofrath ( 3. Januar 1943), Unteroffizier 2./JG 3; 21 Luftsiege
  • Theodor Kaiser (Lebensrune.png 15. Juni 1918), Unteroffizier 1./JG 3, später Leutnant und Staffelkapitän 3./JG 3; 22 Luftsiege, DKiG
  • Karl-Heinz Langer (1914–1955)
  • Adolf Leib ( 22. Februar 1944), Leutnant 2./JG 3; 4 Luftsiege
  • Werner Lucas ( 24. Oktober 1943), Oberleutnant und Staffelkapitän 4./JG 3; 106 Luftsiege, DKiG und RKdEK
  • Leopold Münster ( 8. Mai 1944), Feldwebel 4/JG 3; 95 Luftsiege, DKiG und RKdEK mit Eichenlaub
  • Heinz Obst ( 3. Januar 1943), Unteroffizier 3./JG 3; 5 Luftsiege
  • Georg Pissarski ( 10. Juni 1943), Unteroffizier 4./JG 3; 9 Luftsiege
  • Georg Schentke ( 25. Dezember 1942), Leutnant (Kr.O.) 2./JG 3; 90 Luftsiege, DKiG und RKdEK
  • Rudolf Traphan ( 11. April 1944), Feldwebel 5./JG 3; 13 Luftsiege
  • Otto Wirth ( 8. Oktober 1943), Unteroffizier 3./JG 3; 12 Luftsiege

Bildergalerie

Fußnoten

  1. Von hier aus flog die Jagdgeschwadergruppe freie Jagd sowie Begleitschutzeinsätze für die nach Stalingrad fliegenden Transportverbände. Aufgrund des russischen Vormarsches mußte dieser Platz am 23. Dezember 1942 geräumt werden und die Gruppe verlegte nach Morosowskaja-Süd.
  2. Patrick G. Eriksson: Alarmstart East – The German Fighter Pilot's Experience on the Eastern Front 1941-1945, Amberley Publishing Limited, 2018
  3. John Weal: Aces of Jagdgeschwader 3 'Udet', Bloomsbury Publishing, 2013, S. 47