Gau
Die Bezeichnung Gau (ahd. Gouwe, Gouwi, mhd. gou, göu „Land[schaft]“ „Gegend“)[1] war die Bezeichnung für einen stammesmäßig und landschaftlich geschlossenen Siedlungsraum der Germanen und Wenden.
Gau entspricht heute dem englischen Begriff shire, der heute noch für die angelsächsischen Grafschaften in England gebräuchlich ist. Der Gaugraf „shire-gerefa“ wurde dort mit der Zeit zum „Sheriff“.
Inhaltsverzeichnis
Der Gau im Mittelalter
Nach der Niederwerfung der Bevölkerung durch Karl den Großen wurde dieses Gauprinzip abgelöst von dem Grafschaftsprinzip. Der neue Zentralherrscher setzte Grafen als seine Stellvertreter vor Ort ein. Zur Abstützung seiner Herrschaft führte er das Römische Recht ein, das zentrale Macht und zentrale Gerichtsbarkeit legitimierte. Im Fränkischen Reich bezeichnete der Gau im wesentlichen den Amtsbezirk eines Grafen (grafio), des sogenannten Gaugrafen.
Dieser war gleichzeitig oberster Richter und Führer eines Heerbanns. Dem Gau zugeordnet waren Zentmarken oder Hundertschaften, die oft durch Zentgrafen verwaltet wurden. Im Zentgrafengericht fungierten diese als Schöffen.
Wiederbelebung des Begriffs
Während das Wort Gau im ausgehenden 18. Jahrhundert als veraltet galt und kaum noch genutzt wurde, kam es im ausgehenden 19. Jahrhundert bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts wieder vermehrt in Mode. Vereine und Parteien benutzten den Begriff Gau für ihre regionalen Gliederungen. Bekannte Beispiele sind der 1903 gegründet ADAC und die NSDAP, die sich ab 1926 in Gaue gliederte.[2]
Der Gau zu Zeiten des Nationalsozialismus
Die NSDAP teilte das Deutsche Reich (zu jener Zeit in den Grenzen der Weimarer Republik) in zunächst 33 Bezirke und griff dafür den Begriff „Gau“ wieder auf. Jene Bezirke bzw. Gaue entsprachen den damaligen Reichstagswahlkreisen, waren zugleich die Parteigaue der NSDAP und standen als deren regionale Organisationseinheiten unterhalb der Reichs- und oberhalb der Kreisebene.
Einem jeden Gau stand ein Gauleiter vor. Er war in der Organisationsstruktur der NSDAP der regionale Verantwortliche der Partei und trug damit die politische Verantwortung für seinen jeweiligen Hoheitsbereich. Er erhielt die vollständige Disziplinargewalt und das Aufsichtsrecht über alle parteieigenen Organisationen und Verbände in seinem Gebietsbereich.
Der Verschwörerkreis um Stauffenberg sah in seinen heimlich erarbeiteten Reichsreformplänen den Beibehalt der Reichsgaue vor, jedoch wollte man diese gemäß geschichtlicher Tradition und wirtschaftlicher Leistung neu gliedern, wobei es zu einigen Änderungen gekommen wäre.
Der Gau im 21. Jahrhundert
In der öffentlichen Verwaltung deutscher Länder wird die Bezeichnung derzeit nicht benutzt, was auch politische Gründe hat, sie findet sich wohl aber in vielen anderen Bereichen, so z. B. in Landschaftsnamen wie dem Allgäu oder dem Nibelungengau. Besonders im Süden Deutschlands ist die Bezeichnung nach wie vor oft anzutreffen, so wird das Bundesland Salzburg traditionell in fünf Gaue eingeteilt: Flachgau, Tennengau, Pongau, Pinzgau und Lungau. Das Elsaß wird entlang der Gemeinde Ensisheim in einen Sundgau und einen Nordgau eingeteilt. Auch die Schweizer Kantone Aargau und Thurgau und der Tiroler Vinschgau erinnern an die altdeutsche Verwaltungsbezeichnung.
In vielen Vereinen bedient man sich ebenfalls der Einteilung in Gaue: So teilt der Österreichische Turnerbund, entlang der Grenzen der heutigen Bundesländer Deutschösterreichs, seine Gebiete in Turngaue ein.
Der Gau außerhalb Deutschlands
Mitunter werden fremdländische Verwaltungseinheiten im Deutschen als Gaue wiedergegeben.
Im Alten Ägypten
Die altägyptische Bezeichnung sepat (wissenschaftl. „sp3.t“) wird in der deutschen Ägyptologie als Gau bezeichnet.
Entstanden sind die Gaue aus lokalen Fürstentümern der Jungsteinzeit. Diese befanden sich entlang des fruchtbaren Ackerstreifens rechts und links des Nils. Die Zahl der Gaue schwankte naturgemäß im Laufe der Jahrtausende, allerdings nicht so stark wie es in unserer heutigen schnellebigen Zeit anzunehmen wäre. Im Alten Reich gab es 38 Gaue, die später um vier weitere ergänzt wurden. Im Verlaufe der langen Geschichte Ägyptens waren die Gaue und ihre Vorsteher (Gaufürsten) mehr oder weniger unabhängig von der Zentralmacht des Königs (Pharao). Viele der Gaue hatten eigene Bräuche, was sich unter anderem dadurch äußerte, daß in manchen Gauen ein bestimmter Gott mehr verehrt wurde als dies in einem anderen Gau der Fall war.
Trivia
Der ADAC kündigte 2014 an, auf den Begriff Gau als Bezeichnung von regionalen Vereinseinheiten zu verzichten und statt dessen den Begriff Regionalclub zu benutzten. Als Grund wurde die vermeintliche Diskreditierung des Begriffs durch die Nationalsozialisten genannt.[2]