Grese, Irma
Irma Grese ( 7. Oktober 1923 in Wrechen, Mecklenburg; 13. Dezember 1945 in Hameln) war eine deutsche Aufseherin im SS-Gefolge in den Konzentrationslagern Ravensbrück, Auschwitz-Birkenau sowie Bergen-Belsen.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Irma Grese wurde am 7. Oktober 1923 in Wrechen, einer 175-Seelen-Gemeinde im südöstlichen Mecklenburg, unweit Pasewalks geboren. Die Gegend war ländlich strukturiert. Sie lebte mit ihrem Vater Alfred, einem Melker (seit 1937 Mitglied der NSDAP), ihrer Mutter und ihren vier Geschwistern auf einem Gutshof. 1936 beging ihre Mutter Berta Grese angeblich aufgrund ehelicher Probleme Suizid.
1938, im Alter von 14 Jahren, verließ sie die Volksschule. Anschließend absolvierte sie ein „Landjahr“ im Reichsarbeitsdienst (RAD).
Hilfsschwester
Mit 15 Jahren begann sie für zwei Jahre als Hilfsschwester im SS-Sanatorium Hohenlychen zu arbeiten. Sie bemühte sich um eine Ausbildung als Krankenschwester, fand aber keine Lehrstelle.
1942, nachdem sie erneut einen Antrag zur Krankenschwesternausbildung gestellt hatte, wurde Irma Grese in einen Molkereibetrieb nach Fürstenberg – in unmittelbarer Nachbarschaft des KL Ravensbrück – versetzt. Im Juli 1942 stellte sie mit Unterstützung einer Krankenschwester aus Hohenlychen weitere Anträge für einen Ausbildungsplatz, erneut erfolglos. Daraufhin meldete sie sich zur SS und wurde im KL Ravensbrück zur Aufseherin ausgebildet. Weil sie erst 18 Jahre alt war, erhielt sie lediglich einen Monatslohn von 54,− RM. Das war sehr viel weniger, als die übrigen Wachleute erhielten. In Ravensbrück hatte Grese bereits kleinere Arbeitskommandos zu beaufsichtigen. Während dieser Zeit besuchte sie mehrfach ihre Familie in Wrechen. Nach einem Streit mit ihrem Vater, der angeblich mit ihrer Tätigkeit als KL-Aufseherin nicht einverstanden war, verbot er ihr das Haus.
KL Auschwitz
Im März 1943 wurde Grese nach Auschwitz-Birkenau versetzt. Dort wechselte sie öfter zwischen „Camp A“ und „Camp B“. Anfangs war sie als Telefonistin im Zimmer eines Blockführers beschäftigt. Im Laufe des Jahres beaufsichtigte sie ein Straßenbaukommando und ein Gartenkommando. Im Mai 1944 wurde sie ins „Camp C“, ein Frauenlager in Auschwitz-Birkenau, und Ende 1944 für zwei Wochen ins Hauptlager „Auschwitz I“ versetzt, wo sie zwei Blöcke im Männerlager beaufsichtigte.
KL Ravensbrück
Am 18. Januar 1945, als das Lager Auschwitz wegen der herannahenden Front evakuiert wurde, begleitete sie einen Häftlingstransport ins KL Ravensbrück, wo sie ihren Dienst fortsetzte. Anfang März 1945, als auch das KL Ravensbrück evakuiert wurde, begleitete sie einen Frauenhäftlingstransport nach Bergen-Belsen. Ihr Rang in Bergen-Belsen war „Kommandoführerin“. Praktisch hatte sie auch hier die Aufgaben einer Aufseherin.
Verhaftung
Nachdem das Lager Bergen-Belsen aufgrund der unhaltbaren Zustände zur neutralen Zone erklärt und am 15. März 1945 an die Briten übergeben worden war,[1] wurde Irma Grese am 17. April zusammen mit den anderen nicht desertierten SS-Angehörigen auf dem Lagergelände verhaftet und mußte in den darauffolgenden Tagen helfen, die unbestatteten Toten zu begraben.
Am 17. Mai wurde Grese in das Celler Gefängnis überstellt, wo sie bis zur Urteilsverkündung am 17. November 1945 blieb. In seiner Eröffnungsrede zum ersten Bergen-Belsen-Prozeß am 17. September 1945 erwähnte der Anklagevertreter Colonel Backhouse Irma Grese folgendermaßen:[2]
- „Nr. 9, Grese, war Aufseherin verschiedener Arbeitskommandos und zeitweilig Aufseherin des Frauenstraflagers in Auschwitz. Sie wurde als die schlimmste Frau des ganzen Lagers beschrieben. Es gab keine Grausamkeit im ganzen Lager, mit der sie nicht in Verbindung gebracht wurde. Sie hat regelmäßig an Selektionen für die Gaskammer teilgenommen, folterte nach eigenem Belieben und Ermessen. In Belsen setzte sie dieses grausame Verhalten genauso fort. Ihre Spezialität war es, abgerichtete Hunde auf wehrlose Menschen zu hetzen.“
Die Anklage gegen Irma Grese beruhte auf den Aussagen der Jüdinnen Gertrude Diament, Klara Lobowitz, Katherine Neiger, Edith Trieger, Luba Triszinska und Dora Szafran. Der Verteidiger Greses, Major Cranfield, sagte in seinem Schlußwort am 8. November 1945 in Bezug auf die Vorwürfe:[3]
- „Die Zeugenaussage Diaments gegen Grese bezüglich deren Verantwortung für die Auswahl der Opfer für die Gaskammer war vage. In Bezug auf die Anschuldigungen Lobowitz' gegen Grese fragte der Anwalt, ob, wie gewissenhaft die Angeklagte auch gewesen sein mag, es nicht absoluter Unsinn sei, zu behaupten, daß Appelle sechs bis acht Stunden pro Tag dauerten? Er warf auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Neigers Worten auf.
- Abgesehen von der Frage des Wahrheitsgehalts von Triegers Bekundungen, wies der Anwalt darauf hin, daß das Opfer der angeblichen Erschießung durch Grese ein ungarischer und nicht ein alliierter Staatsangehöriger war.
- Was Triszinskas Behauptungen über Greses Hund angehen, so hat der Gerichtshof gehört, daß die Angeklagte bestritt, je einen Hund besessen zu haben, und das wurde von anderen Angeklagten sowie von Zeugen aus Auschwitz bestätigt.
- Bezüglich Koppers Geschichte über das Strafkommando, wies der Anwalt auf Greses Bekundungen hin, sie sei nur für zwei Tage für das Strafkommando und für zwei Wochen für das Strassenbaukommando, das eine Art Strafkommando war, verantwortlich gewesen. Die Anschuldigung, die Kopper in ihrer eidesstattlichen Erklärung hervorbrachte, war, daß Grese von 1942 bis 1944 verantwortlich für das Strafkommando in Auschwitz war. Aber im Zeugenstand sagte sie, daß die Angeklagte sieben Monate für die außerhalb des Lagers arbeitende Strafkompanie zuständig war. Sie schaffte es nicht, diese beiden Aussagen im Zeugenstand miteinander in Einklang zu bringen. War es wahrscheinlich, daß Grese als einzige Aufseherin für ein 800 Mann starkes Kommando zuständig war, mit einem SS-Mann, Herschel, um ihr zu helfen? Wenn 30 Gefangenen jeden Tag getötet wurden, sollte es für diese Geschichte nicht einige bestätigende Zeugenaussagen geben?
- Der Anwalt beantragte mit Hinblick auf Hößlers Aussage, daß die Fenster des fraglichen Blocks festverschlossen waren, der Geschichte Szafrans über die Erschießung der beiden Mädchen keinen Glauben zu schenken. Die Geschichte wurde weder in Szafrans eidesstattlicher Erklärung noch während ihrer Befragung erzählt; sie brachte sie erst bei erneuter Vernehmung.
- Den Vorwurf der Ilona Stein kommentierend fragte der Anwalt, ob das Gericht in Anbetracht der Beweise glaube, eine Aufseherin habe die Macht, einem SS-Wachmann Befehle zu geben? Er wies darauf hin, daß die Zeugin in ihrer eidesstattlichen Versicherung sagte: ‚Ich habe den Befehl nicht gehört‘. Er bezweifelte auch, daß Grese jemand hätte schlagen können mit einem so leichten Gürtel, wie er von den Aufseherinnen in Auschwitz getragen wurde und von dem einer als Beweisstück dargeboten wurde.
- Elf Zeugen haben Grese vor Gericht erkannt. Von diesen 11 brachten fünf keinerlei Anschuldigungen gegen sie hervor. Diese Tatsache warf Zweifel auf an den Aussagen der Zeugen, die sagten, Grese war berüchtigt, eine grausame Barbarin und die schlimmste SS-Frau.“
Was geschah tatsächlich?
Irma Grese bestritt, daß sie einen Hund besaß, und der Richter hielt es nicht für notwendig, solche Punkte zu klären (z. B. andere Wächter darüber zu befragen). Gaskammern zur Menschenvernichtung gab es nicht. Grese berichtete, daß sie während ihrer gesamten Dienstzeit keine solche Kammer gesehen und lediglich von den Häftlingen über angebliche Gaskammern gehört hatte. Die Existenz von Gaskammern wurde weder im Belsen-Prozeß noch in sonst einem Prozeß bewiesen und wurde als selbstverständlich vorausgesetzt. Grese mag schuldig gewesen sein, weil sie gelegentlich Häftlinge geschlagen hat, diesen Bestrafungen waren allerdings entweder ein Angriff seitens des Häftlings oder aber grobe Pflichtverletzungen vorangegangen und stellten für sie unter den härter werdenden Umständen die einzige Möglichkeit dar, Ordnung zu wahren. Die Zeugenaussagen waren nicht eindeutig und die schriftlichen Aussagen wichen häufig erheblich von der mündlichen Aussage ab.
Todesurteil
Am 17. November 1945, genau zwei Monate nach Beginn des Belsen-Prozesses, wurden die Urteile, die das Militärgericht gefällt hatte, verkündet. Der Präsident benannte die Anklage wegen Verbrechen im Konzentrationslager Bergen-Belsen als „first charge“ und die Anklage wegen Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz als „second charge“. Die Angeklagten mußten in Gruppen zu zweit oder zu dritt an die Anklagebank treten. Irma Grese wurde gemeinsam mit den Angeklagten Elisabeth Volkenrath und Johanna Bormann hereingeführt. Alle drei wurden zum Tod durch den Strang verurteilt:
- „Elisabeth Volkenrath riß die Augen weit auf und atmete schwer, Johanna Bormann sank in sich zusammen, aber Irma Grese verzog nicht einmal das Gesicht und begann fortzugehen. Militärpolizistinnen führten die drei Frauen hinaus.“
Hinrichtung
Grese wurde im Anschluß an die Urteilsverkündung in die Vollzugsanstalt Hameln verlegt, wo sie am Morgen des 13. Dezembers 1945 von dem britischen Henker Albert Pierrepoint hingerichtet wurde.
- „13. Dezember 1945: Der englische Brigadier Paton-Walsh hielt seine Armbanduhr in der Hand. Kurz vor 9 Uhr gab er Pierrepoint ein Zeichen und dieser rief Irma Grese auf. Die deutschen Wärter schlossen die Schieber an den Türen und öffneten die erste Tür. Die 22jährige Irma Grese kam aus ihrer Zelle und auf dem Flur wurden ihr vom Henker die Hände auf den Rücken gefesselt. ‚Follow me!‘ kommandierte Pierrepoint und sein Gehilfe O’Neil übersetzte ‚Folgen Sie mir!‘ Zwei deutsche Wärter folgten der Gruppe zum Galgen. Irma Grese ging aufrecht, sie besah sich für einen Augenblick die Gesichter der herumstehenden Zeugen und ihr Blick blieb auf den Gesichtern ihrer Landsleute haften. Dann stellte sie sich auf die Mitte der Falltür, die Pierrepoint durch ein Kreidezeichen markiert hatte. Die Haltegriffe der Wärter lehnte sie ab. Der Henker stülpte eine weiße Haube über ihren Kopf und legte ihr die Schlinge um. Ihr letztes Wort war ‚schnell‘ als Pierrepoint zurücksprang und den Auslösehebel betätigte. Der Körper fiel in das Erdgeschoß, wo der englische Militärarzt nach 20 Minuten den Tod feststellte. Der leblose Körper wurde aus der Schlinge genommen, seiner Kleider beraubt und in einen bereitstehenden Sarg gelegt. Nur die vorschriftsmäßig zu tragende Gummihose ließ man unberührt und diese, wie bei allen anderen hingerichteten Frauen, erleichterte den deutschen Behörden die Identifizierung der Leichen, als diese bei der Übernahme des Zuchthauses diesen grausigen Fund machten. Innerhalb von 10 Minuten hatte der Henker den Strick für Elisabeth Volkenrath fertig und nach einer halben Stunde folgte ihr Johanna Bormann. Festgestellte Todeszeiten: 9.34 Uhr – Irma Grese, 10.03 Uhr – Elisabeth Volkenrath, 10.38 Uhr – Johanna Bormann.“[4]
Zusammenfassung
Das Todesurteil war ein klares Lynchurteil, verkleidet als rechtmäßiges Urteil. Die Hinterlassenschaft ging an ihre Familie: Geld (RM 439.65), Sparbuch über RM 4.391.57, sechs Ringe aus gelbem Metall, ein Hüfthalter mit Lederstrapsen, ein Regenmantel, ein Staubumhang, drei Hemden, zwei Schlafanzüge, eine Schürze, drei Paar Strümpfe, ein paar blaue Schuhe, ein Paar hohe Stiefel, ein Kleid, zwei Paar Socken, ein Rock, zwei Blusen, ein blauer Pullover, ein Tuch, zwei Schlüpfer, ein Büstenhalter, ein Rucksack, eine Brieftasche, eine Geburtsurkunde, zwei Kämme und eine Reithose.
Verweise
- Irma Greses Aussage beim Belsen-Prozeß in: War Crimes Trials – Vol. II The Belsen Trial. „The Trial of Josef Kramer and Forty Four Others“