Gruppe 47

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Die Gruppe 47 war eine literarische Vereinigung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Literarhistoriker bezeichnen sie als „lockere Schriftstellervereinigung“[1] und als „losen Zusammenschluß von Schriftstellern“.[2] Künstler trafen sich mit Künstlern, um in einer bedrückenden Situation – unter dem Besatzungsstatut und in der harten persönlichen Isolation, in der die künstlerische Arbeit zumeist geschah – unbefangen und nach festen Regeln über Dichtung zu sprechen und einen Preis der Gruppe 47 zuzusprechen. Allerdings waren als Gäste – als Zuhörer und Diskutanten zu den Tagungen an wechselnden Orten – auch Verleger, Theaterkritiker und Feuilleton-Redakteure eingeladen, nicht jedoch Fotografen. (Toni Richter, die Frau von Hans Werner Richter und später noch zusätzlich Renate von Mangoldt, die Frau von Walter Höllerer, besaßen gleichsam ein Fotografier-Monopol.)

Geschichte

Die Gründung der Gruppe 47 wird in abweichenden Versionen erzählt. Folgt man der Darstellung der „Propyläen Geschichte der Literatur“, dann gab das Verbot der gerade erst gegründeten Zeitschrift „Der Ruf“ 1947 in München den Anlaß für eine erste private Lesung. Weil auch eine neu zu gründende Zeitschrift keine Lizenz erhielt, lud Hans Werner Richter im April 1947 die vorgesehenen Mitarbeiter zu einer Tagung an den Bannwaldsee bei Füssen ein. Wenn wir nicht drucken dürfen, dann dürfen wir doch jedenfalls uns einander vorlesen, was wir wollen, war die Überlegung dabei. Das erklärte Ziel der Mitarbeiter war es durchaus, die Vorgaben der westalliierten („Erziehung zur Demokratie“) zu erfüllen und die Umerziehung (die sogenannte „re-education“) zu fördern. Man kann Reeducation allerdings auch als Neubildung und als Bildung verstehen. Daß es bei der „Umerziehung“ tatsächlich aber um eine Umvolkung und um die systematische Zerstörung eines deutschen Volksbewußtseins gehe, hätte damals keiner der Beteiligten so beschrieben. Am wenigsten der als patriotisch und autoritär bekannte Hans Werner Richter. Ein besonderer Schwerpunkt der politischen Arbeit – um die es unzweifelhaft auch ging – war nämlich eine schroffe Zurückweisung der alliierten Kollektivschuldthese. Hans Werner Richter wird überdies der Ausdruck „Emigrantendeutsch“ zugeschrieben (in dem Sinne von: So etwas wollen wir hier nicht hören).[3]

Im September 1947 trafen sich ehemalige Autoren von „Der Ruf“, um eine neue Zeitschrift mit dem Namen „Der Skorpion“ zu gründen. Dies scheiterte an Geldmangel, und so gründete man am 10. September die Gruppe Junge Literatur und benannte diese später um – inspiriert von der spanischen Gruppe 98 – in Gruppe 47.

Zuerst war ein erklärtes Ziel der Gruppe 47 die Förderung von Autoren der noch jungen deutschen Nachkriegsliteratur. Verbal übte man Kritik an einer auf Idealisierung, auf Zeitferne und poetische Verklärung ausgerichteten Dichtung, die eigenen Werke erwiesen sich jedoch kaum einmal als Experimentalliteratur, sondern waren (und sollten vor allem sein): Lesestoff.

Die Gruppe 47 wurde schnell, wohl auch dank ihrer prominenten Mitglieder, fester Bestandteil des bundesdeutschen Literaturbetriebes. Ein stets fragwürdiger Ausdruck, da Autoren (sogar mehr noch als andere Künstler) erfahrungsgemäß den Lärm scheuen, Marktplätze eher meiden und unbestreitbar eine Betriebsnudel noch keinen Künstler ausmacht. Zum Zerfall kam es dann allerdings kurz vor der Studentenrevolte 1968, als politische Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe spürbar wurden. Außerdem richtete sich eine linksgewirkte Zeitstimmung ab Mitte der sechziger Jahre zunehmend pauschal gegen alles Ästhetische. Nach dem Oktober 1967 fanden keine öffentlichen Tagungen mehr statt, die Gruppe 47 wurde schließlich endgültig aufgelöst.

Mitglieder (Auswahl)

Zur Frage der Mitgliedschaft ist folgende Erinnerung von Marcel Reich-Ranicki vielleicht mitteilenswert. In einem Spiegel-Interview sagte Reich-Ranicki 1997:

„Es gab nie eine Mitgliederliste. Richter sagte gern: ‚Wer Mitglied ist, weiß nur ich, aber ich sage es niemandem.‘ Er entschied über die Zugehörigkeit. Und er spürte genau, daß man die Gruppe niemals auf ein Programm, auf eine Satzung festlegen durfte. Auf keinen Fall wollte er eine politische Organisation. So kam es beispielsweise zum Zerwürfnis mit Martin Walser, der aus der Gruppe Anfang der sechziger Jahre einen sozialdemokratischen Stoßtrupp machen wollte [...]. Übrigens wollte Richter, wie gar mancher Herrscher auf dieser Erde, keinen zweiten Führer neben sich dulden.“[4]

Gäste wie Joachim Kaiser und Walter Jens erscheinen in der folgenden Liste umstandslos als „Mitglieder“ allein wegen ihres Stimmrechts bei den Abstimmungen für den Preis der Gruppe 47. Tatsächlich waren sie jedoch Mitdiskutanten, da sie selber keine künstlerischen Werke bei Treffen dieser Schriftstellervereinigung zum Vortrag brachten.

Literatur

  • Almanach der Gruppe 47 1947–1962, hrg. von Hans Werner Richter in Zusammenarbeit mit Walter Mannzen, Rowohlt Verlag, Reinbek 1962
  • Die Gruppe 47 – Bericht Kritik Polemik, Ein Handbuch hrg. von Reinhard Lettau, Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied und Berlin 1967
  • Der Ruf – Unabhängige Blätter für die junge Generation, Eine Auswahl, Vorwort von Hans Werner Richter, hrg. und mit einer Einleitung von Hans A. Neunzig, Nymphenburger Verlagshandlung, München 1976

Fußnoten

  1. Propyläen Geschichte der Literatur, herausgegeben von Erika Wischer. Ullstein Verlag, Berlin 1988; ISBN 3-549-05711-3 (für das Gesamtwerk), Bd. 6 Die moderne Welt, S. 299
  2. Friedrich G. Hoffmann / Herbert Rösch: Grundlagen, Stile, Gestalten der deutschen Literatur. Eine geschichtliche Darstellung. Hirschgraben Verlag, Frankfurt am Main, 12. Auflage 1980; ISBN 3-454-33700-3, S. 359
  3. Reinhard Mohr schreibt in einem Spiegel-Artikel: „Es ging durchaus hart zur Sache. Hans Werner Richter, der väterliche Zuchtmeister der bunten Truppe, Ex-Kommunist und Soldat der Wehrmacht wie nicht wenige andere, nannte Walser einmal den ‚Narren‘ vom Bodensee. Den Text eines eingeladenen Autors qualifizierte er als ‚Emigrantendeutsch‘, das man ‚hier nicht gebrauchen könne‘. Ein rüdes Wort, das zu bestätigen schien, dass Emigranten aus Nazideutschland in diesem Kreise nicht unbedingt erwünscht waren. Bis heute kommen immer wieder vage Antisemitismus-Vorwürfe gegen die ‚Gruppe 47‘ auf“ – vgl. Reinhard Mohr: Grass, Walser, Kaiser. Wie Fünfzehnjährige beim Kirschenklauen, Spiegel online, 16. Juni 2007
  4. Volker Hage: Mancher Dichter fand es grausam. Interview mit Marcel Reich-Ranicki über die „Gruppe 47“, ihre Autoren und ihren Gründer; in: Der Spiegel, 36/1997 (online: 1. September 1997)