Sinn, Hans-Werner
Hans-Werner Sinn ( 7. März 1948 in Brake, Westfalen) ist ein deutscher Ökonom. Er war Teilnehmer der Bilderbergerkonferenz 2016.[1]
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Hans-Werner Sinn wurde am 7. März 1948 in Brake/Westfalen geboren. Er besuchte das Helmholtz-Gymnasium in Bielefeld. Nach dem Abitur absolvierte er bis 1972 ein Volkswirtschaftsstudium in Münster, das er mit dem Diplom abschloß. Nach einer zweijährigen Assistenzzeit in Münster wechselte er dann 1974 an die Universität Mannheim, wo er 1978 zum Dr. rer. pol. promovierte. Daran schloß sich ein Jahr als Junior-Professor an der University of Western Ontario an. Zurück in der BRD habilitierte sich Sinn 1983 in Mannheim.
Wirken
1984 wurde Hans-Werner Sinn auf das Ordinariat für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Versicherungswissenschaft, an die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) berufen, 1994 wechselte er auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Von 1991 bis 1993 war er Dekan der Volkswirtschaftlichen Fakultät. Seit 1989 ist Sinn zudem Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. Er stand an der Spitze einer Expertenkommission für Wohnungspolitik der Bundesregierung (1992-1994), ist seit 1991 Vorstand des von ihm aufgebauten Center for Economic Studies (CES).
Außerdem wirkte er für längere Zeit als Gastforscher an der London School of Economics sowie an den Universitäten Bergen, Stanford, Princeton und Jerusalem. Seit 1988 ist Sinn Honorarprofessor an der Universität Wien, wo er seitdem viele Gastvorlesungen gehalten hat. Seit dem 1. Februar 1999 ist er Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Seit 2006 ist er zugleich Präsident des Weltverbandes der Finanzwissenschaftler, also jener Ökonomen, die sich mit der Rolle des Staates in der Marktwirtschaft beschäftigen. Von 1997 bis 2000 war Sinn Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik und zwischen 2006 und 2009 Präsident des International Institute of Public Finance, des Weltverbandes der Finanzwissenschaftler. Sinn ist Fellow des National Bureau of Economic Research in Cambridge (VSA) und für den Freistaat Bayern Mitglied im Aufsichtsrat der HypoVereinsbank.
Seit Februar 1999 ist Sinn Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Unter seiner Leitung wurde das ifo Institut zum Januar 2010 von einer Serviceeinrichtung (Einrichtung, die überwiegend wissenschaftliche Infrastrukturaufgaben wahrnimmt) rückumgewandelt zur Forschungseinrichtung (überwiegend forschende Einrichtung). Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) folgte mit der Entscheidung zur Rückumwandlung des Instituts einer Empfehlung des Senats der Leibniz-Gemeinschaft, der dem ifo Institut hervorragende Arbeit in der Forschung und Politikberatung bescheinigt hatte. Beobachter sehen in der Einstufung des ifo Instituts als Forschungseinrichtung einen Verdienst Sinns.
Im Oktober 2011 forderte er den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone.[2] Hans-Werner Sinn sah im Juni 2012 bei der „Euro-Rettung“ die Finanzstabilität der BRD gefährdet: „Um an unser Geld zu kommen, hat man Deutschland imperiale Gelüste vorgeworfen und uns den Hass der Völker prophezeit“. [3] Im März 2013 warnte er: „Die Katastrophe ist schon längst eingetreten, aber die Öffentlichkeit verschließt die Augen davor“.[4]
Kritik
Kritik an Sinns Positionen üben u. a. Vertreter des Keynesianismus wie z. B. Peter Bofinger, einer der Wirtschaftsweisen[5] oder Albrecht Müller. Makroökonomische Effekte, die Sinn als Folge einer Arbeitszeitverlängerung erwartet, werden von Bofinger zurückgewiesen.[6]
Am 26. Oktober 2008 verteidigte Sinn im Zuge der öffentlichen Diskussion über die Bankenkrise deutsche Manager und verglich die Kritik an ihnen mit der Judenfeindlichkeit in der Weltwirtschaftskrise 1929. Sein Vergleich löste Empörung beim Zentralrat der Juden in Deutschland aus.[7] Anfang Juni 2012 protestierten 160 BRD-Ökonomen, darunter Sinn, gegen die aus ihrer Sicht verheerende Finanzpolitik von BRD-Kanzlerin Angela Merkel[8] (→ ESM).
Sinns Äußerungen sind nicht frei von Opportunität und Eigeninteresse. Noch 2005, direkt nach der ersten Regierungserklärung der BRD-Kanzlerin Merkel, hatte Sinn geschwärmt: „Frau Merkel kann sich ihren Platz in den Geschichtsbüchern erobern. Das Zeug dazu hat sie.“[9] Das von ihm geleitete Institut lebt zu annähernd 100 Prozent von öffentlichen Fördergeldern.[10]
Filmbeiträge
Mitgliedschaften
- Präsident des Weltverbandes der Finanzwissenschaftler 2006–2009 (International Institute of Public Finance)
- European Economic Advisory Group at CESifo (seit 2001)
- Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften (seit 2001)
- Bayerische Akademie der Wissenschaften, Historisch-Philosophische Klasse (seit 1996)
- National Bureau of Economic Research (NBER), Cambridge, Mass., Research Associate (seit 1989)
- Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium (seit 1989)
Ehrungen
- Gustav-Stolper-Preis (2008)
- Europapreis der Universität Maastricht (2008)
- Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2008)
- The World Economy Annual Lecture, University of Nottingham (2005)
- Bundesverdienstkreuz (I. Klasse) (2005)
- Internationaler Buchpreis CORINE (2004)
- Tinbergen Lecture, Royal Netherlands Economic Association (2004)
- Wirtschaftsbuchpreis von Financial Times Deutschland und getAbstract AG (2003)
- Ehrenpreis des Wirtschaftsbeirates der Union e.V. (2003)
- Stevenson Lectures on Citizenship, Universität Glasgow (2000)
- Distinguished Scholar, Atlantic Economic Society (2000)
- Bundesverdienstkreuz (am Bande) (1999)
- Yrjö Jahnsson Lectures, Universität Helsinki (1999)
- Ehrendoktorwürde (Dr. rer. pol. h. c.), Universität Magdeburg (1999)
- Sonderpreis der Herbert-Quandt-Stiftung (1997)
- Honorarprofessor der Universität Wien (1988)
- Erster Preis der Universität Mannheim für Habilitationsschrift (1984, Schitag-Stiftung)
- Erster Preis der Universität Mannheim für Dissertation (1979, Stiftung Rheinische Hypothekenbank)
Werke
- Ökonomische Entscheidungen bei Ungewißheit. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck): Tübingen 1980.
- A Rehabilitation of the Principle of Insufficient Reason, Quarterly Journal of Economics 95, 1980, S. 493-506.
- Stock-dependent Extraction Costs and the Technological Efficiency of Resource Depletion, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 101, 1981, S. 507-517.
- Economic Decisions under Uncertainty. North Holland: Amsterdam, New York und Oxford 1983, (Überarbeitete Übersetzung von Ökonomische Entscheidungen bei Ungewißheit; zweite englische Auflage, Physica: Heidelberg 1989.
- Common Property Resources, Storage Facilities and Ownership Structures: A Cournot Model of the Oil Market, Economica 51, 1984, S. 235-252.
- Kapitaleinkommensbesteuerung. Eine Analyse der intertemporalen, internationalen und intersektoralen Allokationswirkungen. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck): Tübingen 1985.
- Capital Income Taxation and Resource Allocation. North Holland: Amsterdam, New York, Oxford und Tokio 1987, (grundlegend überarbeitete englische Fassung von Kapitaleinkommensbesteuerung)
- Gradual Reforms of Capital Income Taxation. (zusammen mit P. Howitt), American Economic Review 79, 1989, S. 106-124.
- Kaltstart – Volkswirtschaftliche Aspekte der deutschen Vereinigung. Beck/dtv, München, 3. Auflage 1993
- A Theory of the Welfare State. Scandinavian Journal of Economics 97, 1995, S. 495-526.
- The Selection Principle and Market Failure in Systems Competition. Journal of Public Economics 66, 1997, S. 247-274.
- The New Systems Competition. Yrjö Jahnsson Lectures, Basil Blackwell: Oxford 2003
- Ist Deutschland noch zu retten?. 8. aktualisierte Aufl. Berlin 2004.
- The Pay-as-you-go Pension System as a Fertility Insurance and Enforcement Device. Journal of Public Economics 88, 2004, S. 1335-1357.
- Mut zu Reformen. Fünfzig Denkanstöße für die Wirtschaftspolitik. München 2004.
- Die Basar-Ökonomie. Econ Verlag, Oktober 2005
- Das grüne Paradoxon. Plädoyer für eine illusionsfreie Klimapolitik. Econ Verlag, Oktober 2008
- Der Kasino-Kapitalismus. Econ-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-430-20084-4
- Die Target-Falle — Gefahren für unser Geld und unsere Kinder. Hanser Verlag, München 2012, ISBN 978-3-446-43353-3
Literatur
- Manfred Kleine-Hartlage: Die liberale Gesellschaft und ihr Ende. Über den Selbstmord eines Systems. Verlag Antaios, Schnellroda 2013, ISBN 978-3-944422-30-5
Verweise
- Curriculum Vitae von Hans-Werner Sinn
- CESifo Weltnetzseite
- ifo Stimmen in Fernsehen und Hörfunk (kostenloses Ansehen von Fernsehauftritten möglich)
- Franz Schellhorn, Die Presse, 14. April 2004, S. 17; Reinhard C. Meier-Walser, Politische Studien 55, H. 395, Ausgabe März/April 2004; Nikolaus Piper, Süddeutsche Zeitung, 31.10.2003, S.26; David Selbach, Handelsblatt, 10.12.2003, S. 38. Rezensionen.
- tagesanzeiger.ch, 3. Januar 2010: Hans-Werner Sinn warnt: «Das wirkliche Problem ist noch nicht gelöst»
- BILD, 8. Mai 2011: Hans-Werner Sinn: „Griechenland muss aus dem Euro raus!“
- Thomas Fasbender: Target-Salden. Ungeheures Schneeballsystem, Junge Freiheit, 9. Februar 2017
Karikaturen
- Götz Wiedenroth: Hans-Werner Sinn lernt: Für Frauen darf man sich mit Judenvergleichen in die Bresche werfen, für Manager keinesfalls!, 28. Oktober 2008
Fußnoten
- Geboren 1948
- Deutscher Ökonom
- Person des Liberalismus
- Deutscher Hochschullehrer
- Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse
- Hochschullehrer (LMU München)
- Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst
- Euro-Kritiker
- Bilderberger
- Ehrendoktor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
- Ehrendoktor der Handelshochschule Leipzig