Schliemann, Heinrich
Dieser Artikel bezieht sich auf den Archäologen Heinrich Schliemann. Personen desselben Familiennamens siehe unter Schliemann (Auswahlseite).
Heinrich Schliemann ( 6. Januar 1822 in Neubukow; 26. Dezember 1890 in Neapel) war ein deutscher Altertumsforscher und Archäologe. Er entdeckte die Reste des bronzezeitlichen Troja.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Schliemann wuchs gemeinsam mit acht Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater, ein Pastor, brachte ihm griechische und lateinische Klassiker nahe, doch das Gymnasium konnte sich die Familie nicht leisten. Eine Lehre mußte er wegen eines Lungenleidens abbrechen.
Schliemanns Auswanderungsplan nach Venezuela scheiterte, da er schon vor der holländischen Küste Schiffbruch erlitt. In Amsterdam arbeitete er dann als Bürobote. Schliemann brachte sich selbst sich mit einer eigenen Methode in jeweils rund sechs Wochen Niederländisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch bei, später kamen Schwedisch, Alt- und Neugriechisch, Latein, Türkisch und Arabisch hinzu. Als Buchhalter war er dann Repräsentant mehrerer Firmen in Sankt Petersburg. Während des Goldrauschs gründete er in Sacramento in den VSA eine Bank, die Goldgräbern ihre Funde abkaufte und investierte den Gewinn in den Eisenbahnbau. Während des Krimkrieges lieferte er Indigo, Salpeter, Schwefel und Blei über die deutschen Häfen Königsberg und Memel nach Rußland.
1864 löste Schliemann seine Firmen auf und reiste nach Ägypten, Asien und Amerika. Er studierte dann Sprachen, Literatur und Altertumskunde in Paris.
Erst im Alter von 46 Jahren reiste er im Jahre 1868 auf den Spuren Homers nach Korfu und Ithaka. Dabei orientierte er sich an den geografischen Angaben Homers. An der Stelle, an der er deswegen Troja vermutete, begann er dann im Jahre 1870 Grabungen durchzuführen und entdeckte 1873 den von ihm sogenannten Schatz des Priamos. Später stellte sich heraus, daß der von ihm entdeckte Goldschmuck sogar noch rund 1250 Jahre älter ist, als das von Homer beschriebene Troja.
1874 führte er Grabungen in Mykene durch und fand 13 Kilogramm an Goldschätzen. Auch die dabei gefundene sogenannte Goldmaske des Agamemnon stammte nicht aus der Zeit des trojanischen Krieges, sondern ist rund 300 Jahre älter.
Am 13. November 1890 wurde Heinrich Schliemann an einer Ohrgeschwulst operiert, die sich daraufhin entzündete. Er starb am 26. Dezember 1890 in Neapel.
Während der Eroberung Berlins im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland, in der BRD euphemistisch „Befreiung“ genannt, wurde der Schatz des Priamos von der sowjet-bolschewistischen Soldateska aus dem zerstörten Berlin gestohlen. Das Sowjetimperium leugnete 50 Jahre lang beharrlich, mit dem Diebstahl etwas zu tun zu haben. Erst nach dessen Zusammenbruch mußte Rußland zugeben, daß der Schatz sich in Moskau befindet. Bis heute (2012) wurde das Diebesgut nicht zurückgegeben.
In einem Nachruf heißt es:
(...) Heinrich Schliemann wurde am 6. Januar 1822 als Sohn eines Predigers in dem mecklenburgisch-schwerinischen Städtchen Neu-Buckow geboren. Er starb am 26. Dezember 1890 in Neapel an den Folgen eines Gehörleidens, als er nach einer scheinbar erfolgreichen Kur aus Deutschland nach Athen zurückzureisen im Begriff war, mit der Absicht, in der nächsten Zeit seine troischen Arbeiten nochmals aufzunehmen und zu einem bestimmten Abschluß zu führen. Sehen wir von seinen Kinderjahren ab, so teilt sich sein Leben von seinem vierzehnten Jahre an zeitlich in zwei gleiche, innerlich aber verschiedene, ja gegensätzliche Hälften. In der ersten handelte es sich darum, sich zunächst aus materiell drückenden Verhältnissen herauszuarbeiten. Mit Aufbietung aller Energie gelang es ihm, schon 1847 in Petersburg zu einer unabhängigen Stellung als Kaufmann zu gelangen. Rastlose Tätigkeit und geschickte Ausnutzung günstiger Verhältnisse machen ihn bald zu einem vermögenden Manne, und steigende Erfolge setzen ihn bis 1863 in den Besitz eines Vermögens, das an Größe alles übertraf, was er in seinen kühnsten Träumen je zu erstreben gewagt hätte. Nach Erreichung dieses Zieles liquidierte er seine kaufmännische Tätigkeit und, nachdem er noch, um etwas mehr von der Welt zu sehen, eine Reise um die Erde unternommen, gehörte fortan sein Leben der Erforschung der Welt Homers. Die ideelle Vermittelung dieses Gegensatzes liegt rückwärts in den Kinderjahren. Unter romantischen Anregungen, die ihm seine ländliche Umgebung bot, hatten ihn die Erzählungen der homerischen Dichtungen so lebendig ergriffen, daß er schon als achtjähriger Knabe sich kein geringeres Lebensziel glaubte stellen zu müssen, als einstmals das homerische Ilion auszugraben. Und diesen Traum hat er erfüllt: Troja, Ithaka, die Akropolis, die Gräber und Königspaläste von Mykenae und Tirynth, episodisch auch das Schatzhaus des Minyas in Orchomenos und andere Grabanlagen, dann wieder und wieder Troja bilden fortan das Feld seiner Tätigkeit, und die erste Hälfte seines Lebens dient nur dem Zwecke, bildet Kinderjahre an, an die Träume der Kinderzeit, der ja wissenschaftliche Betrachtungen und Pläne noch fernliegen mußten.
Wie er früher für seine praktischen Zwecke nach einer für sich selbst zurechtgelegten Methode sich die Kenntnis der meisten modernen Sprachen Europas angeeignet, so hatte er verhältnismäßig spät auch das Neugriechische in Angriff genommen, um mit Hilfe desselben zum Altgriechischen vorzudringen, das ihm auch auf dem gleichen Wege und in gleicher Weise wie irgend eine andere moderne Sprache geläufig wurde. Ihm lag es einzig daran, seinen Homer in der Ursprache zu lesen und verstehen zu lernen. Philologisch-grammatische oder antiquarische Studien als Fachwissenschaft lagen ihm dabei vollständig fern; eine „homerische Frage“ existierte für ihn nicht; er glaubte nicht nur an seinen Homer, sondern ebenso an die von ihm besungenen Helden. Und in diesem Glauben forschte er nach ihren Spuren, soweit dieselben nach seiner Überzeugung unter dem Schutte der Jahrhunderte verborgen noch teilweise erhalten sein mußten.
Die neuerlich vielfach erprobte Methode, die verschiedenen, durch Jahrhunderte angehäuften Schuttdecken nach und nach von den Trümmerhaufen abzuheben, deren systematische Durchführung freilich auf einem umfangreichen Terrain, wie dasjenige Trojas, auch die reichen Mittel eines Schliemann überstiegen haben würde, verlangte jedenfalls für sein ungeduldiges Begehren zu viel Zeit. Welchen Wert konnten für ihn die oberen Schichten haben, welchen Wert selbst ein Kunstbau der Diadochenzeit? Nur bedacht, das Troja Homers mit eigenen Augen zu schauen, durchbrach er die oberen Schichten durch Schächte und Gräben und — fand den „Schatz des Priamos“. Unbekümmert um theoretische Erwägungen suchte er die Gräber der Atriden, wo niemand sie gesucht haben würde, nämlich innerhalb des Löwentores von Mykenae, und — er fand sie, fand wenigstens Gräber mit reichem Inhalt vom Charakter höchster Altertümlichkeit. Was er aber fand, das teilte er in der Freude seines Herzens der erstaunten Welt mit. Ihn bekümmerten nicht die Zweifel der Gelehrten; und was er fand, wurde ihm nicht Stoff zu weitgreifenden gelehrten Untersuchungen: nur erzählen wollte er von seinen Arbeiten und die Dinge sich so zurechtlegen, wie es seiner eigenen Phantasie entsprach.(...)
Wie aber sollte man sich mit dem ganzen Manne abfinden, mit dem Widerspruchsvollen in seinen unleugbaren Schwächen und doch wieder in seiner energischen Tatkraft? Daß irgend eine eigennützige Absicht ihn nicht geleitet, liegt jetzt klar zutage; die Schätze von Mykenae befinden sich ungeschmälert im Besitze Griechenlands; die troischen Funde wurden schon bei seinen Lebzeiten ein Vermächtnis für Deutschland. Waren also etwa Eitelkeit, Ehrgeiz die Triebfeder seiner Tätigkeit? Von einem eitlen Streben nach äußeren Ehren, von Orden- oder Titelsucht hat sich Schliemann frei erhalten. Gegen wissenschaftliche Ehrungen war er nicht unempfindlich. Ist ihm daraus ein Vorwurf zu machen? Ein gewisser Ehrgeiz ist oft nicht nur berechtigt, sondern kann sogar notwendig sein: wer Großes durchzuführen unternimmt, muß nicht nur an seine Sache glauben, sondern auch an sich selbst, an seinen Beruf zur Durchführung derselben. Ohne diesen Glauben an sich würde wahrlich Schliemann nicht geleistet haben, was er wirklich geleistet hat. (...)
Einführung in Leben und Werk:[1]
Werke (Auswahl)
- Mykenae: Bericht über meine Forschungen und Entdeckungen in Mykenae und Tiryns (PDF-Datei)
- Ithaka, der Peloponnes und Troja: Archäologische Forschungen (PDF-Datei)
- Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja (PDF-Datei)
- Orchomenos: Bericht über meine Ausgrabungen im böotischen Orchomenos (PDF-Datei)
- Tiryns: Der prähistorische Palast der Könige von Tiryns, Ergebnisse der neuesten Ausgrabungen (PDF-Datei)
- Ilios, Stadt und Land der Trojaner: Forschungen und Entdeckungen in der Troas und Besonderes auf der Baustelle von Troja (Netzbuch und Möglichkeit zum herunterladen als PDF-Datei)
- Reise in der Troas im Mai 1881 (PDF-Datei)
- Troja: Ergebnisse meiner neuesten Ausgrabungen auf der Baustelle von Troja, in den Heldengraebern, Bunarbaschi und anderen Orten der Troas im Jahre 1882, 1884 (Netzbuch und als PDF-Datei zum herunterladen)
- Troja und seine Ruinen, Vortrag in Rostock am 17. August 1875 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Heinrich Schliemann's Selbstbiographie. Bis zu seinem Tode vervollständigt (PDF-Datei)
Literatur
- Julius Nelson: „Heinrich Schliemann und seine homerische Welt“, 1900 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- „Heinrich Schliemann's Sammlung Trojanischer Altertümer“, 1902 (PDF-Datei)
- Karl Schuchardt: „Schliemann's Ausgrabungen in Troja, Tiryns, Mykenä, Orchomenos, Ithaka im Lichte der heutigen Wissenschaft“ (1891) (PDF-Datei)
- Wilhelm Brinckmeier: „Heinrich Schliemann und die Ausgrabungen auf Hissarlik“, Vortrag 1900 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Emil Wilhelm H. Brentano: „Zur Lösung der troianischen Frage. Nebst einem Nachtrag: Einige Bemerkungen über Schliemanns Ilios“, 1881 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Carl Schuchhardt: „Heinrich Schliemann“, in: Willy Andreas / Wilhelm von Scholz (Hrsg.): Die großen Deutschen. Neue Deutsche Biographie. Vier Bände, Propyläen Verlag, Berlin 1935–1937, Vierter Band, S. 75–93
- Fritz Meichner: Forschertrieb ohne Grenzen: Schliemann – Dörpfeld, in: Ernst Adolf Dreyer / Heinz W. Siska (Hg.): Kämpfer, Künder, Tatzeugen. Gestalter deutscher Größe. 3 Bde., Zinnen-Verlag, München–Wien–Leipzig 1942, Bd. II, S. 513–537