Neugriechen

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Neugriechen (eigener volkstüml. Name Romäi, d. h. „Römer“; umgangssprachlich auch salopp als Griechen bezeichnet) ist eine Bezeichnung für das heutige Volk in Griechenland. Der Begriff ist notwendig zur deutlichen Abgrenzung zu den antiken Griechen bzw. alten Hellenen, die nicht nur ihrer Sprache, sondern auch der Abstammung nach ein indogermanisches, d. h. wesentlich nordisch geprägtes Volk waren und als solches sehr geringe Gemeinsamkeit mit den Neugriechen aufweisen.

Trotz der starken Rassenmischung der Neugriechen ist das heutige neugriechische Volkstum durchaus einheitlich und hat besonders durch den neugriechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch (1922 bis 1924) an Geschlossenheit gewonnen. Der Begriff Neugriechen erschien bereits in Lexika des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, jedoch wurden diese hier häufig noch als (durchmischte) Abkömmlinge der alten Griechen bezeichnet. So schrieb 1911 der Brockhaus-Verlag:

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Neugriechen, die mit slaw., albanes., roman. und türk. Elementen gemischten Abkömmlinge der alten Hellenen im Königr. Griechenland, der südl. europ. Türkei, im Griech. Archipel und an den Küsten Kleinasiens, bekennen sich zur orient.-orthodoxen (Griech.) Kirche.

– Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, 5. Aufl., Band 2. Leipzig 1911., S. 259


Geschichte

Die früher zahlreiche griechische Bevölkerung Kleinasiens und eines Teils von Konstantinopel (ca. 1,4 Mill.) wurde 1922 bis 1924 nach Griechenland überführt und dort angesiedelt, besonders nach Mazedonien, während 400.000 Türken Griechenland verließen (auch Kemal Atatürk). Heute leben über 11 Millionen Griechen in Griechenland und auf Zypern; starkes Auslandgriechentum (ca. 5 Mill. Menschen) vor allem in den Vereinigten Staaten, Rhodos, im Dodekanes und Großbritannien.

Anthropologisch bilden die Neugriechen ein Mischvolk aus vorderasiatischer, westischer und dinarischer Rasse mit einem sehr geringen nordischen sowie orientalischen Einschlag.

Den heutigen Griechen liegt eine nicht-indogermanische Schicht (Pelasger u. a.) zugrunde, über die sich eine indogermanische nordische Herrenschicht gelagert hatte (→ Rassenschichtung). Die von dieser unterworfene Bevölkerung bestand eine Zeitlang unvermischt neben ihr als Heloten weiter.

Seit dem Sturz des Römischen Reiches wurde Griechenland in die Stürme der Völkerwanderung gerissen. Die antiken griechischen Stämme wurden zudem durch Pest, Kreuzzüge und Türkenkriege dezimiert. Gegen Ende des 6. Jahrhunderts überfluteten slawisch sprechende Völker ganz Griechenland; am Ausgang des Mittelalters gingen viele Albaner, Türken und slawisch sowie romanisch sprechende Völker im Griechentum auf und vermischten sich. So kamen beispielsweise auch die venezianischen Vorfahren des Grafen Ioannis Kapodistrias, erster Regent des neuen Griechenlands (1830), aus Istrien (Capo d´Istria).

Reste der alten, nicht mit slawischen Stämmen durchsetzten Griechen sollen namentlich die Tsakonen im östlichen Peloponnes und die Sphakioten auf Kreta sein.

Forschungen

Der Historiker Jakob Philipp Fallmerayer hatte 1830 ein Werk über die Geschichte der Peloponnes geschrieben, in welchem er die antiken Griechen als eine im ganzen betrachtet gemeinsame Ethnie erkannte, welche im Verlauf der Spätantike und vor allem während des Mittelalters letztlich völlig ausgerottet worden ist, wörtlich schrieb er:

Das Geschlecht der Hellenen ist in Europa ausgerottet ... Denn auch nicht ein Tropfen edlen und ungemischten Hellenenblutes fließt in den Adern der christlichen Bevölkerung des heutigen Griechenlands.[1]

Erste überlieferte Hinweise liefert schon der Bischof Willibald von Eichstätt, der in einem Bericht von einer Pilgerreise nach Jerusalem im Jahre 723 erwähnt, daß das Umland von Monemvasia auf dem südlichen Peloponnes fest in der Hand slawischsprachiger Neusiedler sei, die seit dem 6. Jahrhundert die Griechen nicht nur aus Mazedonien, sondern auch aus Alt-Griechenland verdrängt hatten, selbst Athen galt als verlassen und war von Albanern verwüstet worden. Kreuzritterberichte bestätigen trotz massiver Umsiedlungen der aufständischen Peloponnes-Slawen nach Kleinasien Bevölkerungsreste bis ins 13./14. Jahrhundert, noch bevor Serben und Bulgaren erneut zur Eroberung ansetzten.

Bereits vor Fallmerayer hatte der englische Journalist William Leake 1814 unter der Überschrift „Researches in Greece“ die These aufgestellt, auch die Griechen wären Slawen gewesen. Wie Leake war dann auch Fallmerayer zu der Schlußfolgerung gekommen, die Griechen wären ohne die slawisch-orthodoxe Fruchtbarkeit mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit turkisiert und islamisiert worden. Frühere Historiker, so z. B. der französische Jesuit Jacques Richard im 17. Jahrhundert, hatten sich zuvor bereits erstaunt gezeigt, wie das griechisch-orthodoxe Christentum nach der Kirchenunion von Florenz und dem Fall Konstantinopels (1439 bzw. 1453) überhaupt hatte überleben können.

Ortsnamen

Fallmerayer bereiste selbst mehrmals Griechenland und Kleinasien und stellte fest, daß die Mehrzahl der Ortsnamen auf der Peloponnes slawischen und albanischen Ursprungs waren und aus dem 9. Jahrhundert stammten. Byzantinische Quellen berichten von konvertierten slawischsprachigen Völkern, die rekrutiert wurden. In den ersten 100 Jahren nach der griechischen Unabhängigkeit hat es deshalb aus rein ideologischen Gründen massive Um- und Rückbenennungen der Orte gegeben, aus Morea wurde z. B. wieder Peloponnes.

Bevölkerungstausch

Der Geograph und Historiker Ewald Banse sah die Entstehung der heutigen Titularnation Griechenlands sogar erst nach dem Bevölkerungsaustausch mit der Türkei von 1923. „Die türkisierten, nur ihre Religion bewahrenden Neusiedler aus Kleinasien vermischten sich mit den hellenisierten Slawen Griechenlands zum Volk der Neugriechen“.

Sprache

Der Soziologe Franz Borkenau hat (zuerst 1984) darauf hingewiesen, daß die neugriechische Sprache im Unterschied zur altgriechischen starke grammatikalische Slawismen aufgenommen habe.

Literatur

Fußnoten

  1. Eine Übersetzung von Fallmerayers Forschungsergebnissen ins Neugriechische kam nicht vor den 1980er Jahren zustande; dies vor allem, da deren Verbreitung es den Neugriechen verunmöglichen würde, die Kulturleistungen der antiken Griechen weiterhin für sich zu vereinnahmen.