RuSHA-Prozeß

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Mit dem RuSHA-Prozeß stand – als achtes Nachfolgeverfahren neben dem Verfahren gegen das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS – das Personal eines weiteren der zwölf SS-Hauptämter geschlossen unter Anklage. Angeklagt wurden vierzehn Personen, der Prozeßverlauf erstreckte sich vom 1. Juli 1947 bis zum 10. März 1948.

Der Sammelbegriff RuSHA-Prozeß ist insofern irreführend, da es sich bei den Angeklagten nicht nur um Mitarbeiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes, sondern auch weiterer SS-Hauptämter, bzw. angegliederter Instanzen, handelte. Dazu zählte das im Oktober 1939 gegründete Amt des „Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums“ des Reichsführers-SS Heinrich Himmler (RKFdV), die Volksdeutsche Mittelstelle (VOMI) und ferner die Organisation „Lebensborn“ e.V.“.

Anklage

Die Anklage im RuSHA-Prozeß bestand in drei Punkten:

  1. Humanitätsverbrechen
  2. Kriegsverbrechen
  3. Mitgliedschaft in einer „verbrecherischen Organisation

Angeklagt waren im Einzelnen:

Mit Otto Hoffmann und Richard Hildebrandt waren zwei Leiter des RuSHA angeklagt. Zu dieser Gruppe ist auch der Stabsleiter Fritz Schwalm hinzuzurechnen.

Als Vertreter der Dienststelle des RKFdV standen in dem Prozeß Ulrich Greifelt als deren Leiter und dessen Stellvertreter Rudolf Creutz vor dem VS-Tribunal.

Die VOMI wurde durch Werner Lorenz, Heinz Brückner, Otto Schwarzenberger und Herbert Hübner repräsentiert.

Als Angehörige des „Lebensborn e.V.“ wurden Max Sollmann, Gregor Ebner, Günther Tesch und Inge Viermetz angeklagt. Im Mittelpunkt der Anklage standen die Förderung der deutschen Minderheiten in besetzten Gebieten, Zwangsumsiedlungen, die angebliche Entführung ausländischer, rassisch als eindeutschungsfähig beurteilter Kinder und eine angebliche Germanisierungspolitik in okkupierten Ländern, so hauptsächlich Polen.

Urteil

Von den Angeklagten wurde nur eine Person freigesprochen, die übrigen verurteilt und erhielten folgende Strafen:

  • Greifelt–I, II, III - Lebenslänglich
  • Creutz–I, II, III – 15 Jahre
  • Meyer-Hetling–III – 2 Jahre, 10 Monate
  • Schwarzenberger–III – 2 Jahre, 10 Monate
  • Hübner–I, II, III – 15 Jahre
  • Lorenz–I, II, III – 20 Jahre
  • Brückner–I, II, III – 15 Jahre
  • Hoffmann–I, II, III – 25 Jahre
  • Hildebrandt–I, II, III – 25 Jahre
  • Schwalm–I, II, III – 10 Jahre
  • Sollmann–III - 2 Jahre, 8 Monate
  • Ebner–III – 2 Jahre, 8 Monate
  • Tesch–III – 2 Jahre, 10 Monate
  • Viermetz - Freispruch

Während die härtesten Strafen an Greifelt, Hoffmann, Hildebrandt und Lorenz ergingen, die jeweils das Amt des RKF, das RuSHA und die VOMI repräsentierten, fällt an dem Urteil fällt auf, dass von den vier Angeklagten, die der Organisation „Lebensborn e.V.“ angehörig waren, drei nur aufgrund ihrer SS-Mitgliedschaft verurteilt wurden, während im Fall der vierten Person ein Freispruch erfolgte, da Viermetz kein SS-Mitglied war. Die Tätigkeit des „Lebensborn e.V.“ mußte demnach durch das VS-Tribunal nicht per se als verbrecherisch beurteilt worden sein.

Richard Hildebrandt wurde nach seinem Urteilsspruch an Polen ausgeliefert, wo er im November 1949 nach einem Schauprozess die Todesstrafe erhielt und im März 1952 ermordet wurde. Diese erneute Verurteilung Hildebrandts verletzte somit eindeutig den Rechtsgrundsatz „Nemo bis in idem“. Ulrich Greifelt verstarb 1949 in der Haftanstalt Landsberg.

Bedeutung

Der RuSHA-Prozeß ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, daß die VS-Siegermacht konsequent bemüht war, den kriminellen Charakter des niemals umgesetzten „Generalplan Ost“ in den Mittelpunkt zu stellen und den Angeklagten anzulasten, während auf der anderen Seite die brutalen alliierten Umsiedlungs- und Vernichtungspläne der Juden Henry Morgenthau junior, Louis Nizer oder Theodore Newman Kaufman vollkommen ausgeklammert wurden und keinen Verfahrensgegenstand bildeten. Auch wenn diese radikalsten Konzepte zur Vernichtung des deutschen Volkes in der ursprünglichen Form letztlich nicht umgesetzt wurden, so zeigen dennoch die Maßnahmen der Alliierten nach 1945, daß sie sich die Legitimation der Anklage im RuSHA-Prozeß verwirkt hatten, da sie genau den Kriterien ihres eigenen Nachkriegsverhaltens entsprach.

Zu denken ist hier an die Landnahme ostdeutscher Gebiete nach Kriegsende, die Zerstückelung Deutschlands und die damit verbundenen Zwangsdeportationen und Vertreibungsverbrechen in deutschen Provinzen wie Pommern oder Schlesien.

Vor dem historischen Hintergrund erweist sich der RuSHA-Prozeß als charakteristisches Beispiel alliierter Siegerjustiz mit dem Versuch, sich zu exkulpieren und dem Anspruch, durch ihr Urteil von 1948 einen völkerrechtlichen Fortschritt bewirkt zu haben. Letzteres ist bis in die Gegenwart durch die Unruhen in Kambodscha, Ruanda und Srebrenica widerlegt.

Literatur

  • Valdis O. Lumans: Himmler’s auxiliaries. The ›Volksdeutsche Mittelstelle‹ and the german national minorities of Europe, 1933 – 1945. The University of North Carolina press, 1993.