Ruhland, Gustav
Gustav Ruhland ( 11. Juni 1860 in Hessenthal (Spessart); 4. Januar 1914 in Bad Tölz) war ein deutscher Landwirt, Nationalökonom und Agrarpolitiker.
Leben
Gustav Ruhland wurde am 11. Juli 1860 zu Hessenthal im Spessart geboren. 1885 entstand seine erste theoretische Schrift „Das natürliche Verzeichnis des landwirtschaftlichen Grundbesitzes“. Durch den Tübinger Nationalökonom Professor Albert Schäffle wurde Gustav Ruhland 1885 als fünfundzwanzigjährigerjähriger Bauer von der praktischen Landwirtschaft zur wissenschaftlichen Volkswirtschaft. Eine genialer Begabung hatte mit klaren Augen die Wurzeln der schädlichen Gegensätze zwischen praktischer Landarbeit und lieberalistischer Wirtschaftswissenschaft erkannt. Seine aufsehenerregenden, klar und ohne Furcht vor Hochfinanz und Parteien geschriebenen Erkenntnissen fanden Anerkennung höchster Stellen. Bismarck läßt ihn ein Stipendium zu einer dreijährigen Weltstudienreise zukommen. Die Reise vermittelt den jungen Bauern und Wissenschaftler eine Fülle wertvoller Eindrücke aus Indien, Australien und Amerika. Zurückgekehrt, findet er Herrn von Caprivie an Bismarcks Stelle und prophezeit mit sicherem Blick die Schäden der Capriviischen Politik. Während schwere Wirtschaftskrisen das Landvolk bedrohen, ringt Ruhland wieder an Hand praktischer Erfahrung als Leiter eines Grundbesitzes um die organische und völkische Lösung der landwirtschaftlichen Probleme. Die Wissenschaft ruft ihm 1893 an die Universität Zürich und 1896 an die Universität Freiburg in der Schweiz. Schließlich folgt sein kluger und dem Forschergeist dem politischen Ufer in die Leitung des als Folge des „Reichslandbundes“ gegründeten „Bund der Landwirte“. Alles aber, was seine große Schöpfer- und Seherkraft gestaltete, warf die Kathederlehren der zünftigen Wissenschaft und die kapitalistische Finanzgebarung des Liberalismus über den Haufen. Ruhlands Feinde wurden immer zahlreicher. Ruhland selber aber wurde das Opfer einer beispielslosen Hetze, die in den Beleidigungsprozess Ruhland gegen Professor Birmer-Gießen, der Ruhland den Vorwurf käuflicher Gesinnung gemacht hatte, ihren Höhepunkt erreichte. In zweiter Instanz kam es zwar zu einer Rechtfertigung Ruhlands. Unter den Drucke der Gutachten eines Adolf Wagner und Werner Sombart mußte sich der Gegner zu dem Vergleich bequemen, der in jeder Beziehung eine Ehrenrettung Ruhlands bedeutet; aber dieselbe Presse, die vorher unter großem moralischen Aufwand sich als Hüterin wissenschaftlicher Reinheit und Wahrhaftigkeit aufgespielt hatte, überging das Ergebnis der zweiten Instanz nach Möglichkeit mit verlegenem Schweigen oder versuchte es zu bagatellisieren. Ruhlands Gesundheit, die schon in vorangegangenen Kämpfen - es schwebten zeitweise 14 Beleidigungsprozesse - schwer erschüttert worden war, wurde durch die Aufregung dieses Prozesses vollends zermürbt. Mit der im eigenen Energie warf er sich zwar nach Vollendung seines großen Werkes des „Systems der politischen Ökonomie“, dessen dritter und letzter Band wenige Monate vor dem Prozess erster Instanz erschien, sofort wieder auf neue Pläne. Aber immer wieder unterbrechen schwere nervöse Erkrankung sein Schaffen, bis ihn im Juni 1913 eine tödliche Krankheit für immer nieder wirft, so das sein Tod am 4. Januar 1914 für den noch nicht 53jährigen nur die Erlösung von der Verdammung eines furchtbaren Siechtums war. So kam es, daß er starb als ein Verkannter, dessen wahre Bedeutung nur wenige Freunde zu würdigen wussten. Eine jener merkwürdigen Zufälle, die die Geschichte so liebt, hat es gefügt das in unmittelbarer Nähe von der letzten Ruhestätte Ruhlands, im benachbarten Kufstein, sich auch das Grab des ihm zu geistesverwandten Friedrich List befand. Mit beredeter Leidenschaft klagte Ruhland über die Behandlung Lists.
- “Wenn man diesem Manne, statt ihn mit allen Foltermitteln der Neuzeit langsam, doch sicher zu Tode zu quälen, sofort an der größten deutschen Hochschule einen Lehrstuhl anvertraut, ihn schon von ungefähr 1819 an die Möglichkeit gegeben hätte, auf die heranwachsende akademischen Jugend zu wirken und seine Schüler zu Lehrern heranzubilden: wie unermesslich wäre der Nutzen für Deutschland gewesen.“
Als Gustav Ruhland starb, warf der Erste Weltkrieg bereits seine drohende Schatten voraus. In den folgenden Jahren drohte sein Werk einer schnellen Vergessenheit zu verfallen. Es war kein Zufall, dass die Erinnerung an sein Werk die nationalsozialistische Bewegung vorbehalten blieb. Als Reichsbauernführer Richard Walther Darré im Juli 1933 eine Neuauflage des Hauptwerkes von Ruhland, seines „Systems der politischen Ökonomie“, veranlasste, betonte er in seinen Vorwort:
- „Erst muß Deutschlands Gustav Ruhland wieder kennen, ehe Mann kritisch zu seinem Werk Stellung nehmen kann und seine Gedanken für die heutige Zeit nutzbar macht. (…) auf den Arbeiten dieses Gustav Ruhland baut das Reichsnährstandsgesetz auf, wir haben dabei nicht sklavisch nachgeahmt, da Gustav Ruhland in den Jahren - er starb 1914 -, als er sein grundlegendes Werk schrieb, etwas andere volkswirtschaftliche Grundlagen und Zustände vorliegen hatte als wir Heutigen. Wohl aber hat mein langjähriger Mitarbeiter, Dr. Hermann Reischle, im Jahre 1933, auf dem Grundgedanken Ruhlands aufbauend und die gegebene wirtschaftliche Notlage in Deutschland vor Augen, in generalstabmäßiger Kleinarbeit diejenigen Voraussetzungen herausgearbeitet, auf denen dann im Sommer 1933 in ganz kurzer Zeit das vorliegende Reichsnäherstandsgesetz ausgearbeitet und dem Reichskabinett vorgelegt werden konnte.“
Schriften (Auswahl)
- Das natürliche Wertverhältnis des landwirtschaftlichen Grundbesitzes, 1886
- Agrarpolitische Versuche vom Standpunkt der Social-Politik (1883) (PDF-Datei)
- Einführung in das Studium der Agrarpolitik
- Unser täglich Brot gib uns heute! Die Wirtschaftspolitik des Vaterunser
- Grundsätze einer vernunftgemäßen Getreidepolitik
- Die internationale landwirtschaftliche Konkurrenz ein kapitalistischen Problem, 1901 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Die Lehre von der Preisbildung für Getreide, 1904
- Volkswirtschaftliche Grundbegriffe, 1910
- Leitfaden zur Einführung in das Studium der Agrarpolitik (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!