Soziopathie
Soziopathie (wechselweise und generalisierend auch „Psychopathie“ genannt) ist ein umstrittener Begriff für eine psychiatrische Störung vor allem des Sozialbewußtseins der erkrankten Person. Die heutige Bedeutung des Begriffes Soziopath bezieht sich auf Personen, die nicht oder nur eingeschränkt fähig sind, Mitgefühl zu empfinden, sich nur schwer in andere hineinversetzen können und die Folgen ihres Handelns nicht abwägen können oder strikt ignorieren. Im Gegensatz zum Ausfallkranken besitzt jedoch der Soziopath oftmals die Fähigkeit, sich der sozialen Umgebung anzupassen (Einblendung), diese sogar zu erobern und zu manipulieren. Er frönt eher selten einer kulturellen Verkommenheit.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Soziopathen dieses definierten Typus´ sind oftmals äußerst charmant und sogar charismatisch. Ihre Persönlichkeit kann als magnetisch beschrieben werden, daher ziehen sie eine Menge Aufmerksamkeit und Lob von anderen auf sich, argumentieren, auch bei Un- oder Halbwahrheiten, mit Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen, d. h. glaubhaft. Außerdem neigen sie dazu, eine starke sexuelle Energie zu besitzen. Soziopathen können großartige Redner sein und verblüffen mit fehlender Scham und fehlender Schüchternheit (als Typus erscheinen sie gegensätzlich zum christlichen „Willen zur Ohnmacht“). Manche haben Probleme damit, ihre emotionalen Reaktionen wie Wut, Ungeduld oder Verärgerung zu unterdrücken, andere sind Meister der Haltung nach außen und der Verdrängung von Reue sowie Schmerz.
Wesen
Dem Wesen nach ist ein Soziopath eine Persönlichkeit, die unbeschwert von Skrupeln oder dogmatischem Gewissen durchs Leben geht und nie von moralischen Zwängen vom Erreichen ihrer Ziele abgehalten wird. Soziopathie ist in allen gesellschaftlichen Gruppen zu finden, unabhängig von Beruf, Bildung und sozialem Status.
- „Der Unterschied zwischen einem Straftäter und manchen Politikern oder rücksichtslosen Managern besteht oft nur in Intelligenz und Impulsivität.“ — Patrick Frottier, ärztlicher und therapeutischer Leiter der Wiener Justizanstalt Mittersteig.
Eng verbunden mit dem oft charmanten Auftreten ist eine Begabung, auf der Klaviatur der Emotionen anderer zu spielen. Zwar sollen Soziopathen zum Teil unfähig sein, echte Gefühle für Mitmenschen zu empfinden, doch sollen sie äußerst gelehrig darin sein, Emotion auf einem abstrakten Niveau nachzuempfinden und zu imitieren.
Viele Fachärzte der VSA vertreten in diesem Zusammenhang eine gleichsam alarmistische Sicht der Dinge: Denn das Destillat all der Eigenschaften ergebe das erschreckende Bild eines Menschen, vor dem sich die Gesellschaft schützen müsse. Es handle sich quasi um ein eiskaltes Wesen ohne Anflug von Schuld, Reue und Mitleid, getarnt fatalerweise durch eine Maske süßlichen Charmes und verführerischer Redekunst, das mit Kalkül und aus egoistischen Motiven emotionalen Raubbau an seinen Mitmenschen treibe – unwissentlich unterstützt von all jenen, die es für unvorstellbar halten, daß es solche Menschen überhaupt geben könne.
Kritik
Viele Ärzte und Akademiker halten die Bezeichnung „Soziopath“ aus wissenschaftlicher Sicht deshalb für unzulässig, nicht zuletzt aufgrund der mittlerweile inflationären Verwendung. In Hollywood-Filmen und TV-Serienproduktionen wurde daraus ein schwammiger Begriff ohne einheitlich akzeptierte Bedeutung. Es handle sich um eine „landläufige Bezeichnung für Menschen, die die Gesellschaft stören“, erklärte die Grazer Psychologin Sonja Laure. „Diese Terminologie benutzt man heute nicht mehr“, sagte Elmar Habermeyer, leitender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Rostock, der auch Gutachten über Straftäter erstellt. „Das hat zu sehr die Tendenz des Gesellschaftsschädlings, und das ist ein politisch besetzter Begriff.“
Übereilt werden auch Erfolgsmenschen und Führernaturen als Soziopathen abgetan und positive Charaktereigenschaften sprachlich und somit verurteilend umgedeutet:
- aus selbstbewußt wird arrogant,
- aus erhaben wird überheblich,
- aus vorsichtig wird misanthrop,
- aus fürsorglich wird kontrollierend,
- aus distanziert wird asozial,
- aus schützend wird einengend,
- aus wehrhaft wird gewaltbereit,
- aus heterophil wird homophob,
- aus arterhaltend wird rassistisch,
- aus Contenance (Selbstbeherrschung) wird Gefühlskälte und so weiter.
„Soziopathie“ ist vielleicht keine treffende Diagnose, sondern bloß ein Schlagwort der zivilisierten und umerzogenen Modernität, um Menschen zu diskriminieren (gemeint sein soll nicht unterscheiden, sondern benachteiligen), diffamieren und abzuwerten, die forsch, angstfrei und aggressiv ihre Ziele verfolgen, den instinktiven Willen zur Macht des ursprünglichen Menschen aufweisen und der politisch-korrekten (und von Nietzsche beschriebenen) abverlangten Selbstdomestizierung des Menschen widersprechen oder widerstehen.
Eine generelle Schwäche der Psychiatrie, daß sie ein ganzes 20. Jahrhundert nicht angeben konnte, was eigentlich ein gesunder Mensch sei, schlägt hier deutlich durch. Definiert man psychische Gesundheit als leidensfreies Leben, dann ist der Dorftrottel der gesündeste Mensch. Definiert man psychische Gesundheit als unauffällige Integration aller Triebe – wie psychiatrische Lehrbücher dies bis heute tun –, dann ist der libidoschwache Biedermann und Feigling (→ Spießer) der einzige gesunde Mensch.