Tyr
Tyr (altnd. Týr; auch Tiu, Tius oder Thir, urgermanisch Tiwaz, angls. Tīw / Tīv, althdt. Zīu / Zīo, gotisch: Tyz, nhd. rekonstr. Zei) ist in der germanischen Mythologie der Himmels- und Kriegsgott, wahrscheinlich auch der im germanischen Recht gepriesene Versammlungsgott. Der germanische Gott ist Sohn einer Riesin namens Allgolden (der Personifizierung der Ozeane) und des Riesen Hymir. Zum anderen gilt er als Sohn von Wodan (bzw. nordgerm. Odin) und Frija (nordgerm. Frigg) und wäre somit ein Bruder von Baldr und Hödr.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
In nordischen Quellen ist er als Kriegsgott Sohn des Wodan. Er war hier einhändig, denn bei der Fesselung des Fenrirwolfs, des Ungetüms, dessen Geschlecht die Gestirne fressen wird, hatte er eine Hand verloren. In der Götterdämmerung (Ragnarök) findet er den Tod im Kampf mit dem Schreckenshund Garm. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus setzt in seiner „Germania“ einen hohen germanischen Gott dem römischen Kriegsgott Mars gleich (Interpretatio romana), womit womöglich Tyr gemeint gewesen ist.[1] Aber auch Taitus’ Hochgott „Tuisto“ (Thuiskon) wird zuweilen mit Tyr gleichgesetzt, der einst von Wodan als Allvater verdrängt wurde.
- „Nach dem Beinamen des Himmelsgottes nannten sich die Erminonen; der urgermanische Tiwaz ermnaz (= der Erhabene) bildete als Irmin-Tius den Mittelpunkt ihres Kults.“ — Prof. Dr. Paul Herrmann[2]
Zu den Beinamen (Epitheta) für Tyr gehörten bei den Sachsen und Angeln Tiwaz ermnaz, Erhaz, Eraz, Er und bei den Baiern Ear, aber auch Irmin und Saxnōt werden genannt. Das Hildebrandslied aus dem 9. Jahrhundert scheint ihn Irmingot zu nennen. Die Römer gaben Tius (den sie mit Mars gleichsetzten) den Beinamen Thingsus (Tiwaz Thingsus), da der Gerechtigkeitssinn der Friesen in den Volksversammlungen berühmt war.
Bedeutungen
Tyr war einst Hochgott der Germanen und zählte ursprünglich zu den Wanen. Später, als sich der Wodanskult weiter verbreitete, wurde Tyr abgelöst und allmählich zu den Asen gezählt. Als solcher galt er dann als der tapferste unter ihnen. Vor kriegerischen Auseinandersetzungen wurde sein Name angerufen. Jedoch ist er kein Gott der blindwütigen, kampfeslüsternen Raserei, sondern des ehrenhaften Kampfes, der Strategie und der Geschicklichkeit. So ist er die Verkörperung des ehrwürdigen Kriegers. Sein Attribut ist der Speer als Waffe und Rechtssymbol.
Als die Germanen sich des heutigen Deutschlands bemächtigten, war seine Verehrung noch eine allgemeine; später schwand sie und er hielt sich nur noch als Stammesgott der Oberdeutschen, aber auch hier wie bei den übrigen germanischen Völkern mehr Kriegsgott. Daher bezeichnen ihn lateinische Schriftsteller des Mittelalters mit Mars oder Ares.
Ob aber der bayrische Kriegsgott Er, der sächsische Saxnot[3] dieselbe Gottheit ist, ist fraglich, wenn auch ihnen dieselben Eigenschaften wie dem Tyr zugeschrieben werden und dieselbe Rune sowohl Tyr als auch Er bezeichnet. Die älteste Auffassung als Gottheit schlechthin hat sich im zweiten Teil einiger Beinamen der Götter erhalten, wie im Sigtyr = Siegesgott (nordgerm. Odin), in Reidhartyr = Wagengott (nordgerm. Thor).
Verehrung
Geweiht war dem Tyr der dritte Tag der Woche: im Norden Tyrsdagr, angls. Tivesdäg, ahd. Ziestac. In Mitteldeutschland ist aus Diestag durch volksetymologische Anlehnung an Dingstag unser Dienstag geworden. Nach Tyr sind in Dänemark, Schweden, Norwegen und England viele Orte benannt. An Tiuz erinnert auch das Wort deutsch (ahd. diutisc). Auch Pflanzen erinnern mit ihren Namen an den alten Gott, wie z. B. in der dänischen Sprache der Echte Seidelbast (Kellerhals, dän. Tyvidir, Tyed, Tyswed; Daphne mezereum).
Etymologie
Der altnordische Name Týr ist der letzte Ausläufer des indogermanischen Himmelsgottes, denn sprachlich deckt er sich mit dem altgr. Ζεύς und dem lat. Jupiter. Nach manchen Behauptungen soll er einst auch Schutzgott des Thing gewesen sein.
Sonstiges
Tyr ähnelt dem indischen Dyaus und dem griechischen Zeus. Christliche Deutungen des Mittelalters identifizierten in Tyr den schwertkämpfenden Erzengel Michael.
Siehe auch
Literatur
- PDF Johann Gustav Büsching: Das Bild des Gottes Tyr gefunden in Oberschlesien und verglichen mit zwei andern Bildern desselben Gottes, entdeckt am Rhein und in Meklenberg, 1819