Unternehmen „Seelöwe“
Das Unternehmen „Seelöwe“ war der vorbereitete Plan des OKWs, Großbritannien, nach dessen weltkriegsentfachender Kriegserklärung gegen das Deutsche Reich am 3. September 1939, mit Landungstruppen während des Zweiten Weltkrieges zu erobern.
Am 16. Juli 1940 erteilte Adolf Hitler die „Weisung Nr. 16 über die Vorbereitung einer Landungsoperation gegen England“. Darin heißt es:
- „Da England, trotz seiner militärisch aussichtslosen Lage, noch keine Anzeichen einer Verständigungsbereitschaft zu erkennen gibt, habe ich mich entschlossen, eine Landungsoperation gegen England vorzubereiten und, wenn nötig, durchzuführen.“[1]
Trotz Kritik vieler Generäle, wurde die schlußendlich erfolglose und ernüchternde Luftschlacht über Britannien dem Landungsplan vorgezogen, weshalb es nicht zu einem Feldzug gegen die britische Insel kam – ein militärtaktischer Fehler und eine vertane Chance, die sich wenige Jahre später rächen sollten.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Nach der britischen Kriegserklärung versuchte Deutschland in der Luftschlacht um England die Vorbereitung einer Invasion, um die englische Bedrohung abwehren zu können. Erklärtes Ziel war vor allem die Vernichtung der Kampfkraft der Royal Air Force. Hitler hoffte jedoch, die Briten doch noch zum Frieden bewegen zu können, ohne die Invasion tatsächlich durchführen zu müssen. Deutsche Friedensangebote wurden jedoch von der britischen Seite unter Churchill wiederholt abgelehnt, da Großbritannien nicht Frieden, sondern die Ausweitung und Eskalation des Krieges beabsichtigte. Höhepunkt der unzähligen, vergeblichen deutschen Friedensbemühungen den Briten gegenüber war der Flug von Führerstellvertreter Rudolf Heß am 10. Mai 1941 nach Schottland, um in direkte Friedensverhandlungen mit der britischen Regierung eintreten zu können. Heß wurde trotz seiner Funktion als Parlamentär völkerrechtswidrig verhaftet.
In den zwei Jahren zwischen dem Münchner Abkommen und der Luftschlacht um England arbeiteten die Briten fieberhaft am Aufbau einer modernen Luftwaffe. Allein in den drei Monaten vor Beginn der Luftschlacht konnten die britischen Fabriken vorrangig um Coventry über 1.400 Jagdflugzeuge fertigstellen. Um dem dringenden Personalbedarf nachzukommen, wurden Piloten aus dem Commonwealth sowie Frankreich, Polen und der Tschecho-Slowakei unter dem Oberbefehl der Royal Air Force eingesetzt.
Vorbereitung der Landung
Als frühesten Landetermin meldete die Kriegsmarine am 22. Juli den Zeitraum Mitte August, aber auch nur unter der Voraussetzung der Luftherrschaft. Die Vorbereitungen für die Landung in England waren tatsächlich schließlich erst Mitte September 1940 abgeschlossen, hauptsächlich wegen des zeitaufwendigen Umbaus von rund 2.000 Kähnen zu Landungsbooten.
Die Planungen von Heer und Marine waren sich über Ort und Zeitpunkt der Invasion und andere Zuständigkeiten uneinig. Aufgabe der Luftwaffe und Voraussetzung für die Invasion war nach Ansicht der Marine in jedem Fall die Erringung der totalen Luftüberlegenheit über dem Invasionsraum sowie die operative Unterstützung von Heer und Marine.
Das deutsche Heer wollte an möglichst vielen Stellen landen und Großbritannien auf breiter Front angreifen.
Die deutsche Marine wollte hingegen nur auf einem schmalen Korridor in der Straße von Dover landen, da die Marine selbst bei totaler Luftüberlegenheit zu schwach war, mehrere Landungsoperationen gegen die überlegene Royal Navy zu schützen. Nach Plänen der Marine sollte der Korridor links und rechts durch Minensperren und vorgeschobene U-Boote geschützt werden.
Daraufhin griff Hitler ein und entschied folgenden Plan, der weder die Marine noch das Heer befriedigte:
- Die 9. Armee startet in den Häfen Le Havre und Boulogne und landet im Gebiet zwischen Bognor und Eastbourne
- Die 16. Armee startet in den Häfen Calais, Dünkirchen, Ostende, Antwerpen und Rotterdam und landet im Gebiet zwischen Eastbourne und Dover, beide Armeen unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt
- Die 6. Armee wird in Cherbourg in Reserve gehalten unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Wilhelm Ritter von Leeb.
Am 25. Juli berechnete die Marine den Bedarf an Seefahrzeugen:
- 155 Frachter (etwa 700.000 BRT)
- 1.722 Kähne
- 471 Schlepper
- 1.161 Motorboote
In diesen Zahlen war eine Reserve von 10 % für Verluste aller Art (Feindeinwirkung, Havarien) eingeschlossen.[2]
Anfang September begann die Verlegung der Landungsflotte in ihre Absprunghäfen. Trotz der Verluste durch englische Bombenangriffe auf die Landungsflotte in ihren Häfen waren genug Schiffe für die Landungsflotte vorhanden. Der Bestand betrug am 19. September 1940:
- 168 Frachter
- 1.975 Kähne
- 100 Küstenmotorschiffe
- 420 Schlepper
- 1.600 Motorboote[3]
Zur Täuschung der englischen Verteidigung wurde noch eine Scheinlandung im Norden Großbritanniens mit dem Decknamen Unternehmen „Herbstreise“ vorbereitet. Das geplante Unternehmen war ein deutsches Ablenkungsmanöver für die Landung in Großbritannien im Gebiet der Nordsee. Die Planung des Unternehmens erfolgte ab dem 1. August 1940 durch das Marinegruppenkommando „Ost“ unter Führung des Admirals Rolf Carls.
Absage des Unternehmens
Am Morgen des 17. September verschob Hitler das Unternehmen „Seelöwe“ auf „unbestimmte Zeit“, am 12. Oktober verlautbarte Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel:
- „Der Führer hat beschlossen, daß ab heute bis zum Frühjahr die Vorbereitungen für Seelöwe (Landung in England) lediglich zu dem Zweck fortgeführt werden sollen, um Großbritannien politisch und militärisch weiterhin unter Druck zu setzen. Sollte die Landeoperation im Frühjahr oder im Frühsommer 1941 wieder in Erwägung gezogen werden, ergehen weitere Befehle […]“[4]
Siehe auch
Literatur
- Der Krieg 1939/41 in Karten, Nachdruck der Originalausgabe von 1942, Melchior-Verlag, ISBN: 978-3-939791-52-2 (Bestellmöglichkeit)
- Auswärtiges Amt – Weißbuch Nr. 4 – Dokumente zur englisch-französischen Politik der Kriegsausweitung (PDF-Datei)
- Auswärtiges Amt – Weißbuch Nr. 5 – Weitere Dokumente zur Kriegsausweitungspolitik der Westmächte (PDF-Datei)