Backe, Herbert
Herbert Friedrich Wilhelm Backe[1] ( 1. Mai 1896 in Batum am Schwarzen Meer, Georgien; Freitod 6. April 1947 in Nürnberg) war ein Kaukasiendeutscher Politiker. Er war Preußischer Staatsrat, Reichsbauernführer (von Dezember 1943 bis Mai 1945), Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in der Endphase des Dritten Reiches (ab dem 1. April 1944), SS-Obergruppenführer im Rasse- und Siedlungshauptamt und Mitglied des Reichstages. Backe war mit Reinhard Heydrich eng befreundet und wurde von Reichsminister Dr. Joseph Goebbels bis Anfang 1943 hoch geschätzt, wie Goebbels’ Tagebucheinträge aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend
Herbert Backe stammte aus dem Kaukasus, wo er in Batum am 1. Mai 1896 als zweiter Sohn des ausgewanderten Kaufmanns und Reserveleutnants a. D. der Preußischen Armee Albrecht Backe ( 1907) geboren wurde. Mütterlicherseits stammte er von einem nach dem Kaukasus abgewanderten schwedischen Bauerngeschlecht ab. Er wuchs in Tiflis auf und besuchte dort von 1905 bis 1914 das russische Gymnasium bis zur Oberprima.[2] Sein älterer Bruder diente während des Ersten Weltkrieges im Deutschen Heer, des weiteren hatte er drei Schwestern.
Als preußischer Staatsangehöriger wurde er bei Kriegsausbruch (1914) verhaftet und im Ural, später in Sibirien interniert.[3] Seine standhafte Haltung brachte ihn immer wieder in Konflikt mit den russischen Behörden. Backe wurde mehrmals strafversetzt, bis es ihm schließlich im April 1918 gelang, nach Petersburg zu fliehen und nach Deutschland ausgetauscht zu werden. Kaum in Deutschland angekommen, meldete er sich bereits freiwillig zum Heeresdienst, wurde aber nicht mehr eingesetzt.[4]
Weimarer Republik
Das väterliche Vermögen wurde von den Bolschewisten enteignet, so ging er – völlig mittellos – als Industriearbeiter ins Ruhrgebiet, wo er als Dreher und Schlosser sein Brot verdiente. Trotzdem gelang es ihm, am Sterkrader Realgymnasium die Reifeprüfung abzulegen und von 1920 bis 1923 Landwirtschaft zu studieren.
Im Herbst 1919 war er schon wieder erwerbslos. Dann fand er endlich Arbeit als Drainagearbeiter im Uchtermoor, eine harte und ungewohnte Arbeit. Im Frühjahr 1920 fand er eine Stellung als landwirtschaftlicher Lehrling auf einem größeren Bauernhof. Mit dem Wintersemester 1920 ließ er sich im landwirtschaftlichen Institut der Universität in Göttingen immatrikulieren und verdiente sich als Hauslehrer und Werkstudent seinen Lebensunterhalt. Schon 1922 fand er den Weg in die SA. Im Juni 1923 machte er sein Staatsexamen als Diplom-Landwirt und übernahm dann in Hessen-Nassau die Verwaltung eines Hofes.
Im Frühjahr 1924 wurde er wissenschaftlicher Assistent im Geographischen Seminar der Technischen Hochschule Hannover.[5] Inzwischen war es ihm gelungen, seine Mutter und seine drei Schwestern aus Rußland zu retten und nach Deutschland zu bringen. Die Not war noch groß, und die Inflationszeit zwang seine Geschwister, als Hausgehilfinnen ihr Brot zu verdienen.
Backe trat am 1. Dezember 1925 in Hannover der NSDAP bei und erhielt die Mitgliedsnr. 22.766. Nach der Auflösung des Gaus Hannover-Süd (ggf. 24. November 1928) ließ Backe seine Mitgliedschaft bis zum 1. Oktober 1931 ruhen.
Am 1. April 1927 ging Herbert Backe wieder in die praktische Landwirtschaft und wurde bald darauf Oberinspekteur des Rittergutes Gutzelwitz in Pommern. Im selben Jahr wurde er Mitglied beim Stahlhelm-Bund (bis 1930). Im November 1928 pachtete er mit finanzieller Unterstützung seines Schwiegervaters die preußische Domäne Hornsen mit rund 950 Morgen im Kreis Alfeld in der Provinz Hannover, die er, trotz der schwierigen Lage, zum Musterbetrieb aufbaute. Vor diesem Hintergrund, so der Historiker Joachim Lehmann, „ist der Wiedereintritt Backes ins politische Leben zu sehen“. Dann gelang es ihm endlich, seiner Familie günstigere Lebensbedingungen zu schaffen und seinem älteren Bruder, der als Offizier im Krieg auf deutscher Seite kämpfte, ein Studium zu ermöglichen.
Beim Volksbegehren gegen den Youngplan trat er zum ersten Male wieder aktiv als Redner für die NSDAP auf. Er wurde Führer der Ortsgruppe Lamspringe. Der Leiter des Agrarpolitischen Apparates der NSDAP, Darré, wurde auf ihn aufmerksam und zogt ihn 1931 zur Mitarbeit heran. Ferner wurde er landwirtschaftlicher Fachberater für den Regierungsbezirk Hildesheim.
Am 24. April 1932 war Herbert Backe unter den 162 Nationalsozialisten, die als maßgebender Faktor in den Preußischen Landtag einzogen (Vorsitzender des landwirtschaftlichen Ausschusses).[6] Als Walter Darré daran ging, den Reichsnährstand zu schaffen, war Herbert Backe einer seiner wichtigsten und wertvollsten Mitarbeiter.[7]
Drittes Reich
Im Oktober 1933 wurde er Staatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, um dort ein Jahr später die sogenannte Erzeugungsschlacht einzuführen.[8] Dabei ging es darum, durch eine Erhöhung der Lebensmittelproduktion die Importe so niedrig wie möglich zu halten und so das Ideal einer autarken Wirtschaft anzustreben.[9] Gleichzeitig wurde er am 1. Oktober 1933 zum SS-Sturmbannführer ernannt (SS-Mitgliedsnummer 22.766) und dem Stab des Rasse- und Siedlungshauptamtes zugewiesen.
1936 wurde er Leiter der Geschäftsgruppe Ernährung im Rahmen des Vierjahresplanes und damit Hermann Göring direkt verantwortlich. Am 30. Januar 1938 wurde er zum SS-Gruppenführer befördert. Aufgrund seiner Erfahrungen galt er auch als Rußlandexperte und folgte daher am 23. Mai 1942 Richard Walther Darré als Leiter des Landwirtschaftsministeriums. Seine Hauptaufgabe dabei war es, für den Nachschub an Lebensmitteln im Krieg gegen die Sowjetunion zu sorgen. Am 9. September bzw. November 1942 wurde er zum SS-Obergruppenführer befördert.
Ende 1943 ernannte Adolf Hitler ihn zum Reichsminister und Reichsbauernführer und am 1. April 1944 schließlich zum Reichsernährungsminister. Diesen Posten behielt er sowohl in Hitlers politischem Testament als auch in der darauffolgenden Regierung Dönitz (vom 5. bis 17. Mai 1945 Reichsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mit der Wahrung der Geschäfte beauftragt) bis zu deren völkerrechtswidriger Verhaftung am 23. Mai 1945.
Nachkriegszeit
Nach fast zwei Jahren in Konzentrationslagern (wobei er sich in dieser Zeit auch mit Eugen Kogon schrieb) und Gefängnissen der Sieger fand man Herbert Backe am 6. April 1947 erhängt in seiner Zelle des Nürnberger Kriegsverbrechergefängnisses.[10] Er sollte sich im darauffolgend geplanten sogenannten Wilhelmstraßen-Prozeß verantworten.
Familie
Am 6. Oktober 1928 heiratete Backe Ursula Kahl ( 8. Oktober 1900 in Petersdorf/Schlesien; NSDAP-Nr. 1.467.139; Mitglied der NS-Frauenschaft), sie trafen sich an der Technischen Hochschule in Hannover, wo sie beide als Wissenschaftliche Assistenten (für Agrargeographie, insbesondere russische Agrarwirtschaft) für Erich Obst, Professor fur Verkehrs- und Wirtschaftsgeographie, tätig waren. Sie hatten vier Kinder:
Beförderungen
- 1. Oktober 1933 SS-Sturmbannführer
- 27. Oktober 1933 Staatssekretär
- 4. April 1934 SS-Obersturmbannführer (mit Wirkung vom 29. März 1934)
- 24. April 1934 SS-Standartenführer (mit Wirkung vom 20. April 1934)
- 28. August 1934 SS-Oberführer (mit Wirkung vom 9. September 1934)
- 1. Januar 1935 SS-Brigadeführer
- 30. Januar 1938 SS-Gruppenführer
- 23. Mai 1942 Oberbefehlsleiter der NSDAP
- 9. November 1942 SS-Obergruppenführer
- 1. April 1944 Reichsminister
Auszeichnungen (Auszug)
- Abzeichen des SA-Treffens Braunschweig 1931
- Ehrenwinkel für Alte Kämpfer
- Julleuchter der SS am 16. Dezember 1935
- Deutsche Olympia-Ehrenzeichen, I. Klasse
- SA-Sportabzeichen in Bronze
- Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP am 30. Januar 1938
- Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze und Silber
- SS-Dienstauszeichnung
- Ehrendegen des Reichsführers SS
- SS-Zivilabzeichen (Nr. 45.853)
- Ehrendolch der SS
- Totenkopfring der SS
- Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse
- Orden der Krone von Italien, Großoffizier
- Ritterorden der hl. Mauritius und Lazarus, Großoffizier
- Zivilverdienstorden (Bulgarien), Großkreuz
- Orden des Löwen von Finnland, Großkreuz
Schriften (Auswahl)
- Deutscher Bauer erwache. Die Agrarkrise, ihre Ursachen und Folgerungen (1931)
- Volk und Wirtschaft im nationalsozialistischem Deutschland (1936)
- Das Ende des Liberalismus in der Wirtschaft, Reichsnährstand Verlags-GmbH, Berlin 1938
- Die russische Getreidewirtschaft als Grundlage der Land- und Volkswirtschaft Rußlands. Nur für den Dienstgebrauch, Eigenverlag [1941/42]
- Um die Nahrungsfreiheit Europas. Weltwirtschaft oder Großraum, Goldmann, Leipzig 1942
- Kapitalismus und Nahrungsfreiheit, Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Rolf Hinder (= neue, veränderte Auflage von Um die Nahrungsfreiheit Europas), Verlag des Instituts für Geosoziologie und Politik, Bad Godesberg 1957