Arierparagraph
Arierparagraph war im Deutschen Reich von 1933 bis 1945 die Sammelbezeichnung für gesetzliche Bestimmungen, mit deren Hilfe der politische, wirtschaftliche und kulturelle Einfluß der Rassefremden (vom deutschen Volk aus gesehen), insbesondere der Juden, im Deutschen Reich beseitigt und im weiteren Sinne überhaupt das deutsche Blut durch Ausschaltung der rassisch fremden Bestandteile geschützt werden sollte.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Herkunft des Grundgedankens
Der Grundgedanke leitete sich aus dem obersten Prinzip der Souveränität des Volkes sowie aus der Wertschätzung der eigenen Abstammungsgemeinschaft (Rasse) her. Man fand seinerzeit, daß dieses Prinzip sich auch in dem Bestreben widerspiegele, sich nicht von Fremden regieren zu lassen. In diesem Sinn fand der Grundgedanke Eingang in das 25-Punkte-Programm der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei aus dem Jahr 1920. Danach sollte Staatsbürger nur sein können, wer deutschen Blutes ist, öffentliche Ämter sollten nur Staatsbürger bekleiden können, und wer nicht Staatsbürger ist, sollte zwingend unter Fremdenrecht stehen.
Arische Abstammung war daher für die Mitgliedschaft in der NSDAP Voraussetzung. Für Politische Leiter und sonstige Dienststelleninhaber der Partei mußte sie zurück bis zum Jahr 1800 nachgewiesen werden. Als arisch im völkischen, rassenkundlichen Sinn wurden allgemein Angehörige der alteinheimischen, europäischen Hauptrassen angesehen und eingestuft.[1]
Rechtsvorschriften
Eine gesetzliche Festlegung des Erfordernisses arischer Abstammung erfolgte erstmals durch das Reichsgesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (§ 3, sogenannter Arierparagraph, das Gesetz selbst verwendet das Wort nicht). Danach waren Beamte, die nichtarischer Abstammung waren, in den Ruhestand zu versetzen, Ehrenbeamte aus dem Amtsverhältnis zu entlassen.
Doch galt dies nicht für Beamte, die bereits seit dem 1. August 1914 – mit bzw. kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges – Beamte gewesen waren oder die im Ersten Weltkrieg Soldaten des Deutschen Reiches oder soldatisch im Einsatz für seine Verbündeten gewesen waren oder deren Väter oder Söhne im Weltkrieg gefallen waren. Bei dringenden Erfordernissen der Verwaltung konnte der Reichsminister des Innern in Einzelfällen auch weitere Ausnahmen zulassen.
Entsprechende Bestimmungen waren für Rechtsanwälte (Gesetz vom 7. April 1933) und Patentanwälte (22. April 1933) getroffen; mit Einschränkungen (Zulassung zur Kassenpraxis) auch für Ärzte. Durch Gesetz vom 30. Juni 1933 wurde das allgemeine Beamtenrecht dahin geändert, daß in irgendeine Anstellung nicht berufen werden durfte, wer nichtarischer Abstimmung oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet war. Ein Beamter, der mit einer Person nichtarischer Abstammung die Ehe einging, war zu entlassen. Gleiches war für den Schriftleiterberuf bestimmt (Reichsgesetz vom 4. Oktober 1933), doch konnten Ausnahmen bewilligt werden.
Nach dem Reichsgesetz vom 25. April 1933 gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen durfte die Zahl der Nichtarier den Anteil der Nichtarier an der deutschen Bevölkerung nicht übersteigen.[2] Nach der ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz vom 7. April 1933 (vom 11. April 1933) galt als nichtarisch, wer von nichtarischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammte; es genügte, wenn ein Elternteil nichtarisch war. War die arische Abstammung zweifelhaft, so war ein Gutachten des beim Reichsminister des Innern bestellten Sachverständigen für Rasseforschung einzuholen. Eine Verschärfung sah das Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933 vor, wonach Bauer nur sein konnte, wer deutschen oder stammesgleichen Blutes in der Abstammung bis zurück zum 1. Januar 1800 war.
Durch Reichsgesetz vom 23. November 1933 waren Vorkehrungen gegen Schädigung der deutschen Blutsgemeinschaft durch Mißbrauch der Eheschließung und der Annahme an Kindes Statt getroffen. Auch für den Wehrdienst (Wehrgesetz vom 21. Mai 1935) war arische Abstammung eine Voraussetzung. Ob und in welchem Umfang Ausnahmen zugelassen werden konnten, bestimmte ein Prüfungsausschuß nach Richtlinien, die der Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichskriegsminister aufstellte. Nur Personen arischer Abstammung konnten Vorgesetzte in der Wehrmacht werden. Den Angehörigen arischer Abstammung der Wehrmacht war das Eingehen der Ehe mit Personen nichtarischer Abstammung verboten. Zuwiderhandlungen blieben möglich, hatten aber den Verlust jedes gehobenen militärischen Dienstgrades zur Folge.
Zum Reichsarbeitsdienst (Gesetz vom 26. Juni 1935) konnte ebenfalls nicht zugelassen werden, wer nichtarischer Abstammung oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet war. Nichtarier, die für wehrwürdig erklärt wurden, konnten auch zum Reichsarbeitsdienst zugelassen werden. Sie konnten jedoch nicht Vorgesetzte im Reichsarbeitsdienst werden.
Soweit gesetzliche Regelungen nicht erfolgt waren, war die rechtliche Gleichstellung der nichtarischen Bevölkerung nicht beseitigt, insbesondere nicht im wirtschaftlichen Verkehr. Unter dem Einfluß der Deutschen Christen war auch für die altpreußische evangelische Landeskirche (Kirchengesetz vom 6. September 1933) und in anderen Landeskirchen der Arierparagraph zur Geltung gebracht.
Siehe auch
- Arier
- Ahnenpaß
- Blutschutzgesetz
- Rassenpflege
- Rassenreinheit
- Rassenmarxismus
- Reichsbürgergesetz
- Rassenschutzgesetzgebung
- 10 Gebote für die Gattenwahl
Literatur
- Helmuth Nicolai: Rassengesetzliche Rechtslehre (3. Aufl. 1934)
- Hanns Seel:
- Erneuerung des Berufsbeamtentums (1933)
- Die Neuordnung des Beamtenrechts (1933)
- Deutsches Beamtenrecht, mit Hans Lammers, Hans Heinrich, Hans Pfundtner und Fritz Müssigbrodt (1938)
- E. Schulz / R. Frercks: Ein Beitrag zur Judenfrage – Warum Arierparagraph? (1934, 34 S.)