Axen, Hermann

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Hermann Axen
Hermann Axen (2. Reihe, mitte)
Axen (rechts) begrüßt eine ANC-Delegation mit Oliver Tambo (links) in Berlin (1978)
Egon Bahr mit dem SPD-Politiker Karsten Voigt 1986 zu Gast beim SED-Politbüromitglied Hermann Axen in Berlin.

Hermann Axen (* 6. März 1916 in Leipzig; † 15. Februar 1992 in Berlin) war ein hoher jüdischer SED-Funktionär und Mitglied des Politbüros des ZK der SED (1970-1989).

Werdegang

Hermann Axen wurde 1916 in Leipzig geboren; sein Vater war jüdisch-kommunistischer Funktionär. Als 16-jähriger schloß sich Axen den Stalinisten an. 1935 wurde er wegen kommunistischer Umsturzaktivität in Dresden zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Zwickau/Sa. verbüßte. Nach seiner Freilassung ging er nach Paris. Die Franzosen internierten ihn nach Kriegsausbruch 1939 und lieferten ihn 1941 an die Deutschen aus. Von 1942 bis 1945 war er in den Lagern Buchenwald und Auschwitz. Die neugewonnene Freiheit nutzte er, um sich aktiv an der Stalinisierung der Sowjetischen Besatzungszone zu beteiligen.[1] Axen, der kleinwüchsige jüdische Lagerinsasse, gehörte sofort zu den „Aktivisten der ersten Stunde“.[2] Er war Mitbegründer der Freien Deutschen Jugend (FDJ; kommunistischer Jugendverband und spätere Jugendorganisation der alleinregierenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands = SED), von 1946 bis 1949 deren Agitprop-(Agitation und Propaganda) Sekretär und 1949 für kurze Zeit auch Propagandachef, bis er aus Altersgründen aus der Organisation ausschied.[2]

Sein Leben lang voll auf den „ersten Mann“ in Partei und Staat fixiert und der jeweils „gültigen“ Weltsicht des „sozialistischen Lagers“ verhaftet, leitete Axen damals zunächst eine Zeitlang die Agitationsarbeit im Ostberliner SED-Bezirk. 1950 holte Ulbricht ihn als Sekretär der Abteilung Agitation in den Apparat des SED-Zentralkomitees (ZK), im selben Jahr noch wurde er ZK-Mitglied. 1953 stieg Axen zum Zweiten Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin auf, um im Juli 1956 schließlich — als Nachfolger Georg Stibis — Chefredakteur des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“ (ND) zu werden. Axen setzte um, was er zuvor bei der ihm aufgetragenen Konzeptionierung einer „Presse neuen Typs“ entwickelt hatte, doch habe er das ND, erinnerten sich seine medialen „Enkel“ 30 Jahre später, „etwas eigenständiger als seine Vorwende-Nachfolger“ geleitet.[3]

Im Februar 1966 übernahm Axen, seit drei Jahren auch Politbüro-Kandidat, die Funktion des für die Abteilung Internationale Verbindungen zuständigen ZK-Sekretärs und damit die Kontrolle über die Kontaktpflege zu den „Bruderparteien“ in Ost und West. Zwar beanspruchte — im Rahmen sowjetischer Vorgaben — die endgültige Festlegung der DDR-Außenpolitik stets der Partei- und Staatschef, doch im Vorfeld dessen wurde Axen der „heimliche Architekt“ der DDR-Außenpolitik während der Ära Honecker. Sein vermutlich wichtigster Beitrag, bilanzierte Neues Deutschland, habe in der Ausarbeitung der Strategie für die lange ersehnte internationale Anerkennung der DDR bestanden, die seit Beginn der 1970er Jahre in Gang gesetzt wurde und die Axen mit Hilfe des umfangreichen Apparats des ZK organisatorisch vorantrieb.

Seit Dezember 1970 Vollmitglied des Politbüros, ein Jahr später zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der Volkskammer ernannt, begleitete Axen Honecker 1975 zum Treffen in Helsinki, besuchte 1977 Frankreich, wo er vier Jahre später als erstes SED-Politbüromitglied von Präsident Mitterrand empfangen wurde, traf im Juni 1981 in London mit Premierministerin Thatcher zusammen und hatte, im April 1988, seinen großen Auftritt in den VSA bei einer persönlichen Begegnung mit Außenminister Shultz. Seit 1984 war er wiederholt in der Bundesrepublik, wurde 1985 von Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble und Außenminister Hans-Dietrich Genscher empfangen und war wesentlich an der Abfassung des von der SPD-Grundwertekommission unter Führung Erhard Epplers und der von Otto Reinhold geleiteten Akademie für Gesellschaftswissenschaften der SED gemeinsam am 27. August 1987 veröffentlichten Papiers „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ beteiligt, dessen die westdeutsche Sozialdemokratie wenige Jahre später sich nur noch ungern erinnerte. Hermann Axen fädelte das gemeinsame SPD/SED-Papier ein, das einem Kotau vor den kommunistischen Diktatoren in Mitteldeutschland durch die westdeutsche Sozialdemokratie gleichkam. 1988 organisierte Axen die große prestigeträchtige internationale Berliner Konferenz über kernwaffenfreie Zonen.

Axen galt im Westen immer als „Falke“. Bedingungslos die jeweilige Parteilinie verfechtend, war er seit 1985 auf Distanz zu Michail Gorbatschows Perestroika-Plänen gegangen, die „kein Modell“ würden sein können. Galt er in früheren Jahren mitunter als gewandter Redner, der auch geistvoller Gesprächspartner sein konnte, war er später längst der hölzernen, stereotypen Parteiprosa verfallen und verteidigte noch im September 1989, als Tausende die DDR über Ungarn und die Tschechoslowakei verließen, die DDR als „Bollwerk des Sozialismus“, der „vorwärts zu lichten Höhen“ führte.[2]

Unmittelbar nach dem Umbruch in der DDR verlor Hermann Axen sämtliche politische Ämter. Ein gegen ihn eingeleitetes Parteiordnungsverfahren wurde abgebrochen, nachdem er schwer erkrankt war und sich nach Moskau begeben hatte, um sich dort einer Augenoperation zu unterziehen. Er kehrte freiwillig zurück und wurde im Januar 1990 wegen des Verdachts der Untreue und des Amtsmißbrauchs inhaftiert, kurze Zeit später aber aus gesundheitlichen Gründen wieder auf freien Fuß gesetzt. Auf der Basis der alten DDR-Strafvorschrift „Vertrauensmißbrauch zum Nachteil sozialistischen Eigentums“ erhob die Arbeitsgruppe Regierungskriminalität der Berliner Staatsanwaltschaft Anfang März 1991 gegen Axen Anklage. Nachdem ihm zuvor vorgeworfen worden war, für sein 1985 bezogenes und 4,5 Millionen Mark teures Privathaus auf dem Darß staatliche Bauarbeiter abgezogen zu haben, stand nunmehr sein „Freizeitobjekt mit Bedienstetenhaus“ zur Diskussion, dessen Kosten in Höhe von 7 Millionen Mark er mit Geldern der Staatssicherheit bestritten habe und dessen Energiekosten sich allein auf 300.000 Mark pro Jahr belaufen hätten.[4] Aus Gesundheitsgründen kam es nicht zur Prozeßeröffnung.[1]

Wie der jüdische Professor an der Bundeswehr-Hochschule zu München — Michael Wolffsohn, in seinem Buch „Die Deutschland-Akte“ 1995 berichtete, wollte der „Herkunftsjude“ Hermann Axen, im SED-Politbüro für internationale Beziehungen zuständig, 1989 die kommunistische Diktatur in der DDR durch eine Kampagne „gegen Neonazismus in der BRD“ über Wasser halten. Höhepunkt sollte eine „internationale Konferenz gegen Neonazismus“ in Dachau sein, für die man auch den Chef des jüdischen Zentralrats, Galinski, einspannen wollte. Der Geistesblitz kam zu spät, die DDR war nicht mehr zu retten.[1]

Seit Ende 1990 im Krankenhaus, starb Hermann Axen schließlich, am 15. Februar 1992 in Berlin, an Herzversagen. Für eine „gründliche und gerechte Bewertung seiner Gesamtbiographie“ bedürfe es, so das Neue Deutschland, erst noch deutlicherer „Fortschritte“ bei der „Vergangenheitsbewältigung“.

Nach einem Urteil vom 5. Juni 1998 des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin wird das gesperrte Vermögen des langjährigen SED-Politbüromitglieds Hermann Axen eingezogen. Führende frühere DDR-Politiker scheitern am 13. August 1999 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Einziehung ihrer Ersparnisse. Die Verfassungsrichter bestätigen die Auffassung der vorgeschalteten Verwaltungsgerichte. Zu den Klägern zählten Erich Mielke, der inzwischen verstorbene Willi Stoph und die Erben von Hermann Axen.[2]

Auszeichnungen

Axen erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. 1958 die Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus, 1960 Banner der Arbeit und 1965 Held der Arbeit, 1966 den Vaterländischen Verdienstorden und 1986 den sowjetischen Orden der Völkerfreundschaft. Wiederholt hatte er den Karl-Marx-Orden erhalten.

Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 David Korn: Wer ist wer im Judentum? - FZ-Verlag ISBN 3-924309-63-9
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Munzinger-Archiv GmbH, 1992
  3. Neues Deutschland, 18. Februar 1992
  4. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. September 1990