Carus, Carl Gustav
Carl Gustav Carus ( 3. Januar 1789 in Leipzig; 28. Juli 1869 in Dresden; auch Karl Gustav Carus) war ein deutscher Arzt (Gynäkologe, Anatom, Pathologe, Psychologe), Maler und Naturphilosoph.
Carus war eine Persönlichkeit zur Zeit Goethes und gehörte zur Generation der Romantiker. Zu seinen Freunden zählten Caspar David Friedrich, Johann Wolfgang von Goethe, Alexander von Humboldt, Ludwig Tieck und König Johann I. von Sachsen.
Inhaltsverzeichnis
Vorläufer der Psychoanalyse
Carl Gustav Carus ist vielen deutschsprachigen Psychologen vor allem durch seine Schriften zur Konstitutionslehre („Symbolik der menschlichen Gestalt“, 1853), zur Physiognomik, Theorie des Unbewußten („Psyche“, 1846), Entwicklungs- und Tier-Psychologie (Vergleichende Psychologie oder Geschichte der Seele in der Reihenfolge der Thierwelt", 1866) und seine Psychologie-Vorlesungen („Vorlesungen über Psychologie, gehalten im Winter 1829–1830 in Dresden“, 1831) bekannt.
Carus ist ein Vorläufer der Psychoanalyse, beginnt doch Carus sein Werk „Psyche“ mit dem bezeichnenden Satz:
- „Der Schlüssel zur Erkenntniß vom Wesen des bewußten Seelenlebens liegt in der Region des Unbewußtseins.“[1]
Psychologie bedeutete für Carus Entwicklungsgeschichte der Seele von der Unbewußtheit zur Bewußtheit. Carl Gustav Jung (1875–1961) berief sich bei der Begründung seiner Theorie des kollektiven Unbewußten auf Carus. Für Georg Groddeck (1866–1934), einem der Begründer der Psychosomatischen Medizin, war Carus' Theorie des Unbewußten der Anlaß, alle Krankheitssymptome auf dahinterstehende vom „Es“ stammende Impulse zu untersuchen. Einige Thesen von Carus haben auch die Psychologie von Pierre Janet (1859–1947) beeinflußt. Carus war die Quelle für Eduard von Hartmann und die späteren Philosophen des Unbewußten, wie auch für Scherners Traumtheorie. Seine Vorstellung von einer autonomen, schöpferischen, kompensatorischen Funktion des Unbewußten sollte ein halbes Jahrhundert später C. G. Jung hervorheben. Es gibt kaum ein Konzept bei Freud und Jung, das nicht von der Naturphilosophie und der Medizin der Romantik vorweggenommen worden wäre.
Vorläufer der Deutschen Charakterkunde
Die deutsche Charakterkunde, vor allem das Werk von Ludwig Klages (1872–1956) und August Vetter (1887–1976), beruft sich oftmals auf Carus.
Rassentypologien
Carus kannte eine ganze Reihe von Rassentypologien. Er erwähnte z. B die von Karl von Linné, (1707–1778), Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840), Rudolphi (1771–1832), Bory de St. Vicent (1760–1846), und er kannte schon die Bände 1 bis 7 der Klemmschen Kulturgeschichte (1843–1852). Jedoch befriedigen ihn ihre Einteilungsprinzipien nicht, weil sie zu äußerlich bleiben (Schädelform, Haar etc.) und den Menschen nicht mit der der Menschheit als Wohnsitz angewiesenen Landschaft, der Erde, in Beziehung setzen. Einteilungsprinzip waren für ihn nicht die variierenden äußerlichen leiblichen Merkmale, sondern er nahm in romantischer Weise das Verhältnis der Erde zur Sonne zur Grundlage und die sich daraus ergebenden vier Phasen des Tages, der Nacht, der Morgen- und der Abenddämmerung. Hiernach gliedert sich die Menschheit in folgende vier Menschheitsstämme.[2]
- die Nachtvölker
- die Tagvölker
- die östlichen Dämmerungsvölker
- die westlichen Dämmerungsvölker
Zwischen diesen Rassen bestehe ein Rangverhältnis derart, daß die geringste Befähigung zur Geistesentwicklung bei den Nachtvölkern sich finde, während die Dämmerungsvölker in der Mitte stünden. Die Tagvölker allein lebten „im vollen Licht der Idee und in einer höheren Lebenszone“, die von Carus geographisch fixiert wird. Hinsichtlich der Rangreihe in der geistigen Befähigung stellt Carus folgende (Energie-)Formel auf: Tagvölker > Östl. Dämmerungsvölker > Westl. Dämmerungsvölker > Nachtvölker
Bis in seine Rassenlehre hinein zieht sich der Gedanke, daß nur auserlesene Gruppen das Ideal der Menschheit verkörpern, während der Rest der Menschheit von dieser Stufe noch sehr weit entfernt ist.
- „Alles dies giebt dem Stamme der Tagvölker das Recht, sich als eigentliche Blüthe der Menschheit zu betrachten, ihm zugleich eben dadurch die Verpflichtung auflegend, den schwächern, in so mancher Hinsicht minder begünstigten Stämmen theils als Leuchte voranzugehen, theils als Helfender überall nahe zu sein und sich zu bewähren“[3].
Der Anlaß zur Behandlung der Rassengliederung und Rassenungleichheit durch Carus war die Person Goethes. Dieser „Einzige und Überragende“ war nur möglich als getragen und umgeben von einer hervorragenden Rasse, eben den Tagvölkern.
- „Die Rassenlehre sollte begreifen lassen, wie eine so mächtige Individualität als die im Eingange gedachte unseres Göthe nur aus einem Stamme hervorgehen konnte, welcher an sich selbst schon ein höherer war und welcher schon deshalb im Allgemeinen seinen Gliedern vor allen andern eine mächtigere geistige Entwicklung verheissen durfte“[4].
Aus der Mannigfaltigkeit der Rassen beginnt sich „die eine herauszuheben, die den Sinn der Menschheit“ am vollkommensten erfüllt.
In der kleinen Schrift „Ueber Grund und Bedeutung der verschiedenen Formen der Hand in verschiedenen Personen“ (1846) hat Carus die Hände in den vier großen Rassen folgendermaßen charakterisiert: „die elementare Hand“ eignet dem Neger, die „motorische“ dem Amerikaner (=Indianer), die „sensible“ dem Chinesen und die „psychische“ dem Europäer.
In der „Denkschrift“ (1849) erläutert Carus im Sinne seiner polaristischen Anthropologie die Bedeutung der stärkeren Entwicklung des Vorderhauptes am Beispiel der weißen Kulturvölker (Tagvölker), denen er die geistig weniger befähigten Negriden (Nachtvölker) mit ihrem vorwaltenden Hinterhaupt gegenüberstellt. „Der typische Kopfbau des Negers zeigt ein minder entwikkeltes Vorderhaupt, aber ein gut ausgebildetes Mittelhaupt bei einem gewöhnlich sehr stark ausgebauten Hinterhaupte.“[5]
An anderer Stelle heißt es : „Hat nun nach allem Vorhergehenden der Menschenstamm der Nacht entschieden eine geringere Befähigung für höhere Entwicklung der Intelligenz, so darf deshalb keineswegs in Zweifel gezogen werden, dass eine besondere Sphäre irdischen glücklichen Lebens und eine Möglichkeit verfeinerter moralischer Ausbildung auch ihm allerdings vorbehalten sei.“ [6] „Das Sklaventum“ der Nachtvölker wird als „ein Siegel einer niederen Individualität“[7] interpretiert:
- „Das, was wir höhere Seelenschönheit und wahre Geistesfreiheit und Macht nennen, danach wird man für immer vergebens unter diesem Stamme suchen, und da, wo sie allein auf sich selbst beschränkt blieben, ist auch ihre geistige Entwicklung immer eine geringe gewesen“[8].
Auch die afrikanischen Sprachen und das Fehlen einer Schrift sind für Carus klare Belege der minderen Befähigung der Nachtvölker.[9]
Werke
- Ueber Grund und Bedeutung der verschiedenen Formen der Hand in verschiedenen Personen. Eine Vorlesung. Stuttgart 1846
- Denkschrift zum hundertjährigen Geburtsfeste Goethe's . Ueber ungleiche Befähigung der verschiedenen Menschheitsstämme für höhere geistige Entwickelung. Leipzig: F.A. Brockhaus, 1849
- Symbolik der menschlichen Gestalt, Ein Handbuch zur Menschenkenntnis. Hildesheim, New York 1977 (Wiederabdruck der 2. vielfach vermehrten Auflage, Leipzig, 1858)
- Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Darmstadt 1964 (Wiederabdruck der 2. verbesserten und vermehrten Auflage, Pforzheim, 1860)
Literatur
- Julius Schuster: Carl Gustav Carus, in: Willy Andreas / Wilhelm von Scholz (Hg.): Die Großen Deutschen. Neue Deutsche Biographie. Propyläen Verlag, Berlin, 4 Bde. 1935–1937, 1 Ergänzungsbd. 1943; Fünfter Band, S. 166–171