Der Wald im Raum Aschaffenburg

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Der Wald im Raum Aschaffenburg ist ein Artikel von Richard Hertel aus der Zeitschrift Spessart – Monatsschrift des Spessartbundes (Ausgabe April 1969), der den Spessartwald in seinen geschichtlichen, eigentümlichen, wirtschaftlichen und landschaftlichen Gegebenheiten aufzeigt. Da der Text aus der Sicht eines Forstmanns geschrieben wurde, spricht er vor allem aber auch die Nutzung und Pflege des Forstes an und stellt bewußte und unbewußte Waldzerstörungen an den Pranger.

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I. Das Waldeigentum (Geschichtlicher Rückblick)

In den Waldungen der näheren und weiteren Umgebung Aschaffenburgs sind vielfach Zeugen der Vor- und Frühgeschichte zu finden, seien es nun Gräber, Reste von Flieh- bzw. Höhenburgen, schließlich der Limes. Man erfährt von ihnen, daß unser Gebiet schon von der Jungsteinzeit an besiedelt war; die ersten Bauern Mitteleuropas, die Bandkeramiker, sind nachzuweisen, die Urnenfelderzeit, die Kelten, die Römer.

Die Eigentumsverhältnisse, zumal auch am Wald, wurden in der Hauptsache erst von der Völkerwanderung an entschieden und nachhaltig beeinflußt.

Die Franken, die vermutlich in zwei Wellen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert einwanderten, schlossen sich zu Dorfgemeinschaften – Markgenossenschaften – zusammen; sie grenzten ihre Gebiete gegenüber den Nachbarn ab, seien es solche gleicher Art, seien es Klöster oder Grundherren. Hauptzweck ihrer Siedlung war wohl die Übernahme vorhandenen Ackerlandes, während der ersten bzw. der Erwerb neuen Landes nach Rodung während der zweiten Siedlungswelle. Im 14. Jahrhundert wurden am Westrand des Spessart im Elsava-, Sulzbach- und Leidersbachtal durch Kurmainz weitere Dörfer gegründet, deren Bewohner Landbesitz in Form von sog. Streifengütern erhielten, dafür zu Jagdfrondienst verpflichtet waren.

In allen diesen Ortschaften steht der Wald im Eigentum teils von Gemeinden, gelegentlich auch von Stiftungen bzw. Körperschaften (Körperschaftswald im weiteren Sinn), teils – als sog. Bauernwald – von Privaten. Herrschaftlicher Großwaldbesitz besteht nur vereinzelt in der weiteren Umgebung. Im Bereich des neu gebildeten Forstamts Aschaffenburg mit 38 Gemarkungen in Stadt- und Landkreis Aschaffenburg und Landkreis Alzenau fehlt der Staatswald; der staatseigene Aschaffenburger Park Schönbusch ist ja nicht als solcher zu bezeichnen. Von rund 11.000 Hektar Wald sind im Gesamtdurchschnitt etwa 83 Prozent Gemeinde-, Stiftungs- und Körperschaftswald, elf Prozent Klein- und sechs Prozent Großprivatwald. Die Anteile von Körperschafts-, d.h. in der Hauptsache Gemeindewald, einerseits und Kleinprivatwald andererseits schwanken von 17 zu 83 Prozent bis 97 zu drei Prozent. Ebenso schwankt die Größe der Körperschaftswaldungen von knapp vier bis zu annähernd 1.400 Hektar.

15 Körperschaftswaldungen (im weiteren Sinn) des Forstamtsbereichs sind mehr als 200, im Durchschnitt 453 Hektar groß, weitere acht gehören der Größenklasse 100 bis 200 Hektar (Durchschnitt 167 Hektar), acht der von 50 bis rund 100 Hektar (Durchschnitt 85 Hektar) an; elf Körperschaftswaldungen sind kleiner als 50 (im Durchschnitt 28 Hektar) groß.

Viele Fragen können noch nicht beantwortet werden, die in diesem Zusammenhang naheliegen: Weshalb die Größenunterschiede? Weshalb hier höchstens einige geschlossene, jeweils größere Gemeindewaldgebiete, dort eine Vielzahl meist kleinerer in enger Gemenglage mit Privatwald? Weshalb schließlich ist dieser in der einen Gemarkung kaum, in anderen in beträchtlichem Umfang vorhanden? Wir wissen nur ziemlich sicher, daß die meisten unserer Gemeindewaldungen früher in Gemeineigentum – Allmende – übernommene Teile der Markgenossenschaften waren, vermutlich früherer Königsforst. In diesem Zusammenhang ist wissenswert, daß nach einer Originalkarte aus dem Jahre 1777 die Hahnenkammwaldungen der Gemeinden Dettingen, Kleinostheim und Mainaschaff unter der Sammelbezeichnung „Unterer Strittwald“ diesen „drey Churmaintzischen Ortschaften ... gemeinschaftlich zugestanden und benutzt, nunmehro aber ... unter vorgedachte drey Ortschaften nach jeden zukommenden part, gründlich abgetheilet und versteinet worden“. Dabei erhielten Dettingen und Mainaschaff je 514 1/2, Kleinostheim 1.029 Morgen. Die entsprechenden Flächen belaufen sich z. Zt. auf 190, 192 bzw. 366 Hektar.

Großen Waldbesitz hatte nach 824 das Kollegialstift St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, darunter auch den 660 Hektar großen jetzigen Oberhübnerwald Stockstadt, in dem die vormals forstberechtigten Hübner gegen Ende des 18. Jahrhunderts das uneingeschränkte Nutzungsrecht, schließlich das Eigentum erwarben. Stiftsstriet- und Stiftlindigwald, jetzt Teile des durch das Stiftungsamt Aschaffenburg verwalteten Vermögens, gehörten ebenfalls vormals dem Kollegiatstift. Das Eigentum des früheren Klosters Schmerlenbach, darunter 309 Hektar Wald, dürfte unmittelbar verliehen worden sein. Es ist jetzt Stiftungsvermögen des Priesterseminars in Würzburg (Seminarfonds Aschaffenburg).

Große, jeweils mehr als 500 und bis etwa 1.000 Hektar umfassende Gemeindewaldungen hatten bzw. haben die Ortschaften Alzenau, Hörstein, Wasserlos (Landkreis Alzenau), Großostheim (Kreis Aschaffenburg, jetzt Forstamt Kleinwallstadt) und Schweinheim, das durch seine Eingemeindung den Waldbesitz der Stadt Aschaffenburg beträchtlich erhöhte.

Ursprünglich hatte Aschaffenburg nur einen im Vergleich zu seiner Größe und Bedeutung ungewöhnlich geringen Waldbesitz; er bestand aus dem Stadtstrietwald, Büchelberg mit Hasenkopf und Fischerhecke, dem Godelsberg und der Fasanerie, insgesamt nach heutigem Flächenstand etwa 313 Hektar. Anfang des 17. Jahrhunderts kam – als Entgelt für Leistungen beim Bau des Schlosses Johannisburg – der Distrikt Stadt-Hohewart (264 Hektar) hinzu, während die aus vergleichbarem Anlaß 44 Gemeinden verliehene Zehnthohewart (207 Hektar) erst 1831 durch die Stadt erworben wurde. Später brachte das 1901 eingemeindete Damm 95 Hektar, das schon erwähnte Schweinheim von seinem vormals 715 Hektar Wald nach Abgängen, insbesondere für den Exerzierplatz, 475 Hektar ein; der 37 Hektar große Elterwald wurde 1911 von Privaten (Elterhöfe) erworben. Insgesamt umfaßt der Stadtwald Aschaffenburg somit rund 1.391 Hektar.


II. Wirtschaftliche Bedeutung des Waldes

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die Bauernhöfe unseres Raumes nicht mehr wie seither einem Erben übergeben, sondern nach dem sog. Mainzer-Landrecht auf sämtliche Erbberechtigten aufgeteilt. Die Folgen waren verheerend. Die Betriebe, vormals kaum weniger als zehn Hektar umfassend, wurden unwirtschaftlich klein, ihre Besitzer verarmten immer mehr. Die Ackernahrung reichte für das zur Feldarbeit jedoch unentbehrliche Kuhgespann bei weitem nicht mehr aus, so daß im Winter Stroh als Erhaltungsfutter gegeben werden mußte, während dem Wald die Streu, und mit ihr die Bodennährstoffe, entnommen wurden; weitere Schäden verursachte die Waldweide.

Privat- wie Gemeindewaldungen litten unter diesen Eingriffen immer mehr. Der geschundene Waldboden vermochte nicht mehr die ursprüngliche, fast ausschließlich aus Laubbäumen bestehende Bestockung zu ernähren. Er bewahrte zwar, und das verdient festgehalten zu werden, viele Menschen und einen großen Teil des Viehs vor äußerster Not, wenn nicht sogar vor dem Verhungern, ging dabei jedoch so weit zurück, daß in den ersten Wirtschaftsplänen, den sog. primitiven Operaten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Gemeindewaldungen fast durchweg als zu beträchtlichen, häufig die Hälfte der Fläche überschreitenden Teilen als aus Kahlflächen, Ödungen, bzw. Krüppelwaldungen bestehend beschrieben wurden. Hinzu kamen notwendige Eingriffe in den Holzbestand zum Wiederaufbau nach den napleonischen Kriegen.

Soweit Vorbestand und Bodenkraft noch eine Naturverjüngung ermöglichten, stammen aus dieser Zeit die ausgedehnten Buchenaltbestände, gelegentlich mit Eiche und wohl durch Saat eingebrachten Nadelbäumen gemischt: die übrigen lichtgehauenen Bestände, Ödungen und Kahlflächen wurden durch Mischsaat auf reine Nadelwaldbestockung verjüngt.

Die Leistungen der beteiligten Gemeinden, Stiftungen und Körperschaften wie insbesondere der staatlichen Forstbediensteten in der zweiten Hälfte des vorigen [20.] Jahrhunderts können gar nicht hoch genug bewertet werden. Eine für die damaligen Verhältnisse ausreichende Zahl von Forstleuten verstand aufgrund hoheitlicher Verordnungen bzw. Gesetze bei den Beteiligten durchzusetzen, was nach dem Stand der Erkenntnis notwendig und bei der gegebenen Ausgangslage je nach Standort möglich war.

So entstanden Körperschafts- und nach ihrem Beispiel Privatwaldbestände, die zwar zwangsläufig nur ausnahmsweise ideal zusammengesetzt und aufgebaut sein konnten, immerhin aber in der Lage waren, auch während zweier Weltkriege und insbesondere in den Zeiten nachher nicht nur den gestiegenen Holzbedarf zu decken, sondern auch zum Wiederaufbau unmittelbar wie nach Sonderhieben als Geldquelle beizutragen.

Seit mehreren Jahren bringt der Wald, zumal der kleinere Körperschaftswald, nur ausnahmsweise noch einen Reinertrag, da die Holzpreise bei weitem nicht mit den zwingenden Ausgaben stiegen, vielfach gleich blieben oder sogar sanken. Mehrere Körperschaftswaldungen wurden sogar Zuschußbetriebe. Kein Wunder, daß mancher Gemeinderat vergessen möchte, welchen Wert der Wald gerade in unserem Raum noch immer darstellt, wieviel er in der zurückliegenden Zeit gerade deshalb helfen konnte, weil er sachgerecht bewirtschaftet werden mußte und wurde.

Nur zu leicht werden daher Bau- ider Industriegebiete selbst dann im Wald ausgewiesen, wenn auch anderswo Flächen verfügbar wären - von den Verlusten für gewinnreiche Kies- oder Sandgruben ganz zu schweigen. Die staatlichen Behörden, unter ihnen das Forstamt nur als Gutachter, können Rodungen verhindern, wenn auf den für andere Zwecke gewünschten Flächen Schutzwald steht; in unserem Gemeindegebiet ist dies fast ausschließlich nur dann der Fall, wenn es sich um Grund- und damit Trinkwasser-Schutzzonen handelt.

In allen übrigen Fällen kamm man nur die Einsicht der Waldeigentümer, vor allem der Gemeinderäte anrufen und hoffen, daß sie aus Überzeugung jeden Quadratmeter Wald zu verteidigen helfen, der nicht aus übergeordneten, zwingenden Gründen für andere Zwecke, gebraucht wird. Wald- und Forstwirtschaft sind ohne Verantwortungsgefühl und Einsicht nun einmal nicht denkbar: was wir ernten, verdanken wir Generationen vor uns. Auch ohne gesetzlichen Zwang, der reichlich zwei Jahrhunderte lang besteht, über dessen Inhalt und Vollzug hier jedoch nichts weiter ausgeführt werden soll, ist es geradezu eine Anstandspflicht, für die kommenden Generationen in gleicher Weise zu sorgen, d.h. den Wald soweit irgend möglich in seinem Bestand zu erhalten, ihn nach dem jetzigen Wissensstand zu pflegen und Altbestände, die die sog. Hiebsreife erreicht oder überschritten haben, in sinnvoller Weise zu „verjüngen“, d. h. durch Jungwuchs zu ersetzen, der - durch natürliche Besamung, Saat oder meist Pflanzung entstanden – dem Standort gemäß zusammengesetzt, gesund und zu späterer Wertleistung geeignet sein soll. Zu diesen Zwecken können leider Zäune nur in Ausnahmefällen entbehrt werden; sie verbilligen nach langjährigen Erfahrungen sogar die Kultur.

Eine weitere wichtige Investition ist noch zu erwähnen: die Erschließung unserer Waldungen durch ein genügend enges, großzügig geplantes Netz von Waldstraßen, die von Lastkraftwagen befahren werden können. Anders wird schließlich der letzte Holzkäufer den Körperschaftswald meiden; nur verschwindend wenige Gemeindewaldungen unseres Raumes kommen in dieser Hinsicht dem Staatswald wenigstens nahe.


III. Der Wald als Bestandteil der Landschaft

Der Wanderer in Spessart, Vorspessart und im Hahnenkammgebiet will sich am Wald freuen, in ihm erholen. Ihm bringt der Forstbetrieb wahrscheinlich mehr Ärger als Freude, da hier einmal eine Wegtrasse aufgehauen oder verbreitert, dort ein Altbestand abgetrieben, anderswo durchforstet wird in einer Weise, die er nicht versteht, daher vielleicht mißbilligt. Ihm sei gesagt, daß auch wir Forstleute gelernt und studiert haben und hoffen, unser Handwerk zu verstehen.

Dem Wanderer sollte gezeigt werden, wie das Waldeigentum in unserem Raum, wie unsere Wälder zu ihrem heutigen Zustand sich entwickelt haben, und nicht zuletzt, welche Sorgen ihre Eigentümer und Betreuer haben.

Der Natur und ihren örtlich angemessenen Pflanzengesellschaften möchte der Forstmann so wenig Zwang antun wie nur möglich. Daher sollen Buche, Eiche, Linde, Hainbuche, Roterle und andere Laubbäume in allen Jungbeständen wenigstens zum Teil vertreten sein. Der Wald bleibt aber letzten Endes nur dann überhaupt erhalten, wenn er seinem Eigentümer Nutzen bringt. Den versprechen fast ausschließlich Nadelbäume abzuwerfen, sei es in frischeren Lagen die Fichte mit der Douglasie, sei es auf trockenem Standort die Kiefer, sei es die Lärche. Ihnen muß daher soviel – jedoch nicht mehr – Raum gewährt werden, wie es neben dem standortgemäßen Laubbaumanteil möglich ist.

Die Wohlfahrtswirkungen des Waldes sind – auch außerhalb der Wasserschutzzonen – unbestritten. Noch erhält der Waldbesitzer dafür, daß er mit seinem Eigentum dem Gemeinwohl dient, nichts; es ist auch kaum zu erwarten und hoffentlich in absehbarer Zeit nicht mehr nötig. Voraussetzung ist, daß - außer der erhofften wirtschaftlichen Entwicklung am Holzmarkt - der Wald fachgerecht behandelt wird.

Wir bitten die Allgemeinheit, gerade die Spechte, um Verständnis.

Quelle: Spessart – Monatsschrift des Spessartbundes, Ausgabe April 1969, S. 16–17