Deutscher Herrenklub
Der Deutsche Herrenklub war eine am 12. Dezember 1924 in Berlin gegründete, konservative Vereinigung. Ihr hauptsächlicher und formeller Vorläufer war der „Juni-Klub“ (ab 1919, davor, ab 1. November 1918 „Vereinigung für nationale und soziale Solidarität“, die sich kurz darauf kurz „die Solidarier“ nannte). Gründungsvater des Herrenklubs war Heinrich von Gleichen-Rußwurm (Mitbegründer des Juniklubs), erster Vorsitzender war Hans Bodo Graf von Alvensleben-Neugattersleben. Der „Herrenklub“ (nicht mit dem Berliner Nationalklub von 1919 des Alldeutschen Verbandes zu verwechseln) hatte deutschlandweit über 20 Ortsverbände und im Laufe der Existenz über 5.000 Mitglieder. Hauptsitz des Klubs war hinter dem Reichstag in der Friedrich-Ebert-Straße in Berlin.[1]
Inhaltsverzeichnis
Politische Zielrichtung und Einflußnahme
Die Vereinigung gehörte zu den sehr differenten Strömungen der Konservativen Revolution, die in Reaktion auf die herrschenden Zustände im Deutschen Reich und in der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Weimarer Republik entstanden waren. Mit der Gründung des Deutschen Herrenklubs 1924 wollte man „eine neuartige Zusammenfassung der politischen Elemente von ganz rechts bis ganz links“ als Massenbewegung zur „Überwindung der Parteien“ und „zugunsten einer Diktatur eines parteifreien, aber programmfesten starken Mannes [...] auf dem Boden des politischen Machtwillens der gegliederten Volksgemeinschaft“.[2] Franz von Papen wurde Mitglied des Direktoriums, von Gleichen-Rußwurm übernahm die organisatorische Leitung.
Am Höhepunkt ihrer Einflußnahme auf die Belange Deutschlands 1932 angelangt, waren sieben von zehn Kabinettsmitgliedern (Kabinett der „nationalen Konzentration“) der Reichsregierung von Papen Mitglied des Herrenklubs. Von Alvensleben, Kurt von Schleicher und Oskar von Hindenburg galten als die größten Förderer von Papens, während Hans Humann sein enger Freund und Berater war. Von Papen rühmte sich damit, jeden Morgen mit den Mitgliedern des Herrenklubs in den Klubräumen zu frühstücken. Auch die abendlichen „Herrenessen“ waren berühmt und berüchtigt.
- „[...] Er[3] sagte mir auch, daß er Papen ziemlich oft sieht, da er mit ihm im Herrenklub frühstückt. Dieser Klub ist mein journalistisches Sorgenkind, da ich allzu gern wüßte, was dort vorgeht. Damen werden aber dort nicht zugelassen. Die allgemeine Auffassung geht dahin, daß der Herrenklub nur eine neue gesellschaftliche Vereinigung ist, wo man gut essen und trinken kann. Ich fange aber langsam an zu verstehen, daß diese kulinarischen Genüsse nur an zweiter Stelle stehen, wichtiger ist das politische Spiel, das dort gespielt wird. Der Klub ist 1919 von einem Nachkommen Friedrich von Schillers gegründet worden und nahm als Mitglieder nur den alten Adel und die ausgesprochen Konservativen auf. Ein paar Neulinge sind wohl zugelassen worden, aber diese mußten den Mangel an blauem Blut durch hohe Geldspenden ausgleichen. Es gibt 377 Mitglieder: 8 echte Fürsten, 38 echte Grafen, 59 echte Barone, 100 sonstige Adlige, 65 Großgrundbesitzer, 34 Minister. Der Klub ist ein Treibhaus für sorgfältig getarnte Intrige. [...]“ — Bella Fromm, jüdische Journalistin, paranoide Unterstützerin der Reichsvertretung der Deutschen Juden und anti-deutsche Propagandistin am 8. Juni 1932
Herrenklub-Mitglied Kurt Freiherr von Schröder vom Studienkreis für Wirtschaftsfragen („Keppler-Kreis“) organisierte das Geheimtreffen zwischen von Papen und Hitler am 4. Januar 1933 in Köln, die Nachkriegsliteratur spricht von der „Geburtsstunde des Dritten Reiches“.
Nach einem Vortrag von Papens im Herrenklub im Dezember 1932 sprachen von Papen und von Schröder über ein mögliches Treffen mit Hitler. Schröder stellte über Hitlers Wirtschaftsberater Wilhelm Keppler den Kontakt her und stellte sein Haus dafür zur Verfügung. Hitler, der sich offiziell auf der Reise von München zu einem Wahlkampfauftritt in Detmold befand, kam in Begleitung von Keppler, Rudolf Heß und Heinrich Himmler, die sich im Nebenzimmer aufhielten. Es folgte eine mehrstündige Besprechung zwischen Papen und Hitler, bei der Schröder nur Zuhörer war. Dabei erzielten Papen und Hitler eine prinzipielle Einigung über eine Regierung Hitler-Papen-Hugenberg. Am 28. Januar 1933 löste sich das Kabinett Kurt von Schleichers auf.
In der berühmten eidesstattlichen Erklärung Schröders im Nürnberger I.G.-Farben-Prozeß von 1947 heißt es zu diesem Treffen:
- „Bevor ich diesen Schritt unternahm, besprach ich mich mit einer Anzahl von Herren der Wirtschaft und informierte mich allgemein, wie sich die Wirtschaft zu einer Zusammenarbeit der beiden stellte. Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange Zeit an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6. November 1932 einen ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, daß die Nationalsozialisten – einmal an der Macht – eine beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen würden.“[4]
In einem Schreiben vom 6. Januar 1933 schrieb Hjalmar Schacht an von Schröder:
- „Ich möchte […] Sie auch beglückwünschen zu der mutigen Initiative in der Anbahnung der Verständigung zweier Männer, die wir beide hochschätzen und durch deren Zusammenwirken vielleicht am schnellsten eine positive Lösung herbeigeführt werden kann. Ich hoffe, daß die Unterredung in Ihrem Hause einmal historische Bedeutung gewinnen wird.“[5]
Ein Jahr nach dem Treffen, am 4. Januar 1934, schickte von Papen an von Schröder ein Telegramm, in dem es hieß:
- „Gedenke heute in Dankbarkeit Ihrer und Ihres gastlichen Hauses, in dem die Grundlage für die umwälzenden Geschehnisse des letzten Jahres gelegt wurde.“[6]
Freiherr von Schröder blieb nach dem Treffen in engem Kontakt zu Hitler; wie aus seiner SS-Beurteilung vom 10. August 1937 hervorgeht, stand er in einem besonderen „Vertrauensverhältnis mit dem Führer“ und wurde „häufig vom Führer zu vertraulichen Besprechungen und Missionen gebeten und gerufen“.[7]
Kritik
Paul Lehnert schrieb im Heft mit dem Titel: „Ein Stich in’s Wespennest – Deutscher Herrenklub" unter dem Kapitel „Politische Führung" folgendes über die Mitglieder des „Deutschen Herrenklubs":
- Herr Dr. Georg Solmssen, geb. Salomonsohn, Dirketor der Deutschen Bank und der Disconto-Gesellschaft, ein Jude, hat sich seine „Herrlichkeit“ durch besondere Verdienste erworben. Seine Disconto-Gesellschaft stand „nach unanfechtbaren Material", das sich im Besitze Hermann des Deutschen befindet, „schon Ende 1914 mit den Bolschweisten Sinowjew-Apfelbaum und Lunatschewski in Verbindung durch D. Rubenstein, Max Warburg und Parvus-Helphand. Am 18.6.17 hat die Disconto des Dr. Solmssen . . . einen Betrag von 315 000 M auf Lenins Konto in Kronstadt über Kopenhagen-Helsingfors überwiesen." Eine derartige Empfehlung zum „Deutschen Herren" hat natürlich nicht jeder aufzuweisen, es sei denn, daß man den Vorzug hat, zu den Finanzmagnaten um Walther Rathenau, den geheimen Leiter der Weltrevolution, zu gehören.[8]
Unter dem Kapitel „Künstliche Juden" beschreibt er unter anderem die Aufteilung des „Deutschen Herrenklubs":
- Wir können den „Deutschen Herren-Klub" teilen:
- 1. in die geistige jüdische (jesuitisch-freimaurerische) Führung,
- 2. in die wirtschaftlich und politisch tätigen und daher wichtigen ausführenden „Herren" und
- 3. in die Masse „Deutscher Herren", die der Jude und seine Genossen sehr notwendig als „Stützen" für die 2. Gruppe haben muß, und zwar so notwendig, daß man diese Gruppe durch Gastverkehr mit folgenden erweitert hat [...][9]
Mitglieder, Umbenennung und Auflösung
- 1932 existierten über 20 Klubs mit etwa 500 ständige, zumeist autokratischen Mitgliedern (u. a. Flick, Thyssen, Stinnes, von Stülpnagel), die auf die Bildung ultrakonservativer Eliten abzielten.
- 1933 folgte die Umbenennung in „Deutscher Klub“.
- 1944 wurde der „Deutsche Klub von Berlin“ kriegsbedingt aufgelöst.
Ideologische Vorbilder
Unter anderem die Lehren von Edgar Jung und Oswald Spengler bildeten die ideologischen Grundlagen des Herrenklubs. Der geistige Mittelpunkt dieser konservativen Vereinigung war im Gründungsjahr 1924 der in Solingen geborene Schriftsteller Arthur Moeller van den Bruck (einer der glühendsten Verehrer Arthur Moeller van den Brucks war Otto Strasser) aus dem „Alldeutschen Verband“. Der Alldeutsche Verband war eine politische Vereinigung mit Anhängern in verschiedenen Parteien.
Gegründet wurde er 1891 als „Allgemeiner deutscher Verband“ (bis 1894). Diese Vereinigung wollte das Nationalbewußtsein beleben, das Deutschtum im Ausland unterstützen und die deutsche Kolonial-, Flotten- und Außenpolitik fördern. Moeller v. d. Bruck übte einen nachhaltigen Einfluß auf die Jungkonservativen aus. Er wollte unter Abkehr vom Liberalismus nationale und soziale Vorstellungen miteinander verbinden. Er schrieb u. a. 1923 das auch international anerkannte und geachtete Buch „Das dritte Reich“.
Überlegungen aus dem Kreis um Moeller v. d. Bruck dienten Adolf Hitler als Inspirationsquelle für Vorstellungen einer territorialen Expansion nach Osten. Van den Brucks Deutscher Herrenklub, einschließlich dessen publizistisches Organ „Das Gewissen“ (im April 1919 wurde „Das Gewissen“ Organ der Solidarier. Herausgeber war Eduard Stadtler), war eine nicht zu unterschätzende Stütze der Regierung Franz von Papens, welcher Mitglied des Herrenklubs war und dessen Ernennung er wohl auch dem Einfluß desselbigen verdanken konnte.
Ab 1928 war die Zeitschrift „Der Ring“ offizielles Organ des Herrenklubs, Herausgeber war u. a. Kurt Vowinckel, Angehöriger der Ring-Bewegung, einer vom Juniklub initiierten reichsweiten Vernetzung akademisch-patriotischer Kräfte und Organisationen.
Siehe auch
Literatur
- Berthold Pezinna: Erziehung zum deutschen Lebensstil. Ursprung und Entwicklung des jungkonservativen Ring-Kreises 1918–1933, Berlin 2000 (auf Google-Bücher)
- Stephan Malinowski: Vom König zum Führer – Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat, Akademie Verlag, 2004