Die Stimmen der Nacht
Die Stimmen der Nacht ist ein deutscher Science-Fiction-Roman von Thomas Ziegler aus dem Jahre 1983, der im Bereich der Alternativweltgeschichte angesiedelt ist.
Inhaltsverzeichnis
Dargestellte Welt
In der Welt des Romans wurde der Zweite Weltkrieg 1945 mit dem Abwurf der Atombombe auf Berlin beendet, bei dem Hitler und weitere NS-Größen samt der Stadt vernichtet wurden. Da Präsident Roosevelt schwer erkrankt ist, gelingt es Morgenthau, die Außenpolitik bezüglich des besiegten Reiches zu bestimmen und so kommt es, daß der Morgenthau-Plan umgesetzt, Rest-Deutschland zu einem rückständigen Agrarland gemacht wird. Es kommt zu dem sogenannten Großen Exodus, bei dem viele Deutsche nach Südafrika oder Südamerika fliehen. Viele deutschen Wissenschaftler (darunter auch NS-Gegner) verweigern aufgrund der Grausamkeit gegen ihr eigenes Volk die Zusammenarbeit mit den Besatzern, die somit nicht wie erhofft, die deutlich weiter entwickelte deutsche Technologie nutzen können. Die Deutschen in Südamerika beginnen - mit Brasilien angefangen - die Wiederrichtung eines NS-Staates und innerhalb weniger Jahrzehnte ist Deutsch-Amerika, da inzwischen ganz Südamerika kontrolliert, zur Weltmacht geworden. Geleitet wird der Staat vom greisen Martin Bormann, der in den Anden eine gigantische Festung für sich errichten ließ. Große Teile des Deutschen Reiches sind jedoch entvölkert, viele zerstörte deutsche Städte sind fast wieder komplett von der Natur zurückgeholt worden, Ratten und anderes Getier hausen in den Ruinen. Mit Waffen aus Südamerika unterstützt die ODESSA, die auf dem Südkontinent die politische Macht besitzt, Werwolf-Kommandos im Reich, die aus dem Untergrund operierend immer wieder Anschläge auf die Besatzungsmacht unternehmen und das mit zunehmendem Erfolg. Sowohl in Südamerika als auch im zerstörten Reich ist die Bevölkerung besessen davon, den Feind zu vertreiben. Das vernichtende Ende des Krieges hat den Nationalsozialismus nicht zerstört, sondern ihn noch radikalisiert.
Handlung
Gulf ist ein VS-amerikanischer Moderator der erfolgreichen Fernsehsendung Abenteuer Live, bei der die Teilnehmer versuchen abstruse Weltrekorde aufzustellen. Vor vier Jahren beging seine Freundin Elizabeth Selbstmord, indem sie sich während der Sendung verbrannte. Sie hinterließ Gulf Kletten, auf denen Worte von ihr gespeichert waren, um ihn daran zu erinnern. Bei den Kletten handelt es sich um fliegengroße Elektromaschinen, die während des Krieges von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken entwickelt wurden und weltweit sich verbreitet hatten. Gulf löschte die Speicher, doch dann mußte er feststellen, daß es nichts an den Worten Elizabeths änderte - die Stimme offenbar aus dem Jenseits kam, denn die Speicher der NS-Maschinen waren leer. Vier Jahre nach diesem Ereignis häufen sich ähnliche Vorfälle mit Stimmen aus dem Jenseits, so spricht in den Straßen von Dallas etwa der ermordete John F. Kennedy, auch tote Personen wie Henry Morgenthau oder Malcolm X erscheinen an Orten, wo sie gewirkt hatten und stoßen Haßparolen aus.
Dann passiert es, daß im Kölner Dom die Stimmen von Hitler, Himmler, Rosenberg und anderen NS-Größen des Nachts erklingen und Reden bzw. Schriften von ihnen wiedergeben. Die Alliierten geraten in Panik, da sie fürchten, diese Stimmen aus dem Jenseits könnten bewirken, daß die Werwolf-Verbände im Reich sich noch mehr bestätigt sehen und die Zahl der Anschläge zunehmen wird. Obwohl man versucht Köln abzuriegeln, gelangt die Nachricht daß der Führer in Köln spricht nach außen. Da Gulf der erste Mensch war, dem solch eine Stimme begegnete, läßt die VS-Regierung ihn heimlich ins besiegte Reich schaffen, da man sich erhofft, er könnte die Stimmen zum Schweigen bringen.
Im Reich angekommen, wird der Konvoi, der ihn nach Köln bringen soll, von Werwölfen angriffen und Gulf in ein geheimes Dorf in den Wäldern verschleppt. Sein Aufenthalt dauert dort jedoch nicht lange, denn noch in der gleichen Nacht wird das Dorf von alliierten Einsatzkräften in Schutt und Asche gelegt, wobei auch die deutsche Bevölkerung massakriert wird. Gulf wird nach Köln gebracht, wo er die Stimmen der NS-Größen vernimmt, doch auch nichts dagegen machen kann. Stattdessen erheben sich noch mehr Stimmen der Toten in Köln. Wie berichtet wird, ist offensichtlich bereits die ganze Welt von diesem Phänomen betroffen.
Man will Gulf in die Vereinigten Staaten zurückbringen, mit einem Schiff bricht man von Köln nach Rotterdam auf. Auf dem Schiff erklingen kurz darauf die Stimmen Hitlers und co. die den Dom verlassen haben und Gulf gefolgt sind. In Rotterdam angekommen wird Gulf erwartet und mit falschen Papieren versorgt, er stellt jedoch zu spät fest, daß er unter Drogen gesetzt wurde und entführt wird.
Schließlich erwacht er irgendwo in Südamerika wieder und erfährt, nachdem er wieder bei klarem Verstand ist, daß Theo Morell, der damalige Leibarzt Hitler, gegen Bormanns Pläne, das Reich mit Gewalt zurückzuerobern ist und absurderweise hofft, wenn er die Stimme Hitlers hört, könnte er es sich anders überlegen. Auf dem Weg zur Andenfestung werden sie von der ODESSA erwischt. Gulfs Enführer werden erschossen, er selbst von Josef Mengele zu Bormann Andenfestung gebracht. Dort trifft er auf Bormann und andere NS-Funktionäre Südamerikas, die massiv Kokain konsumieren. Als dort die Stimmen Hitlers, Goebbels etc. erklingen, ist man hellauf begeistert und sieht sich daran bestätigt, daß es der Wille des Führers ist, zum Erstschlag auszuholen.
Bormann gibt den Befehl, den Krieg zu beginnen. Er zieht sich mit seinen engsten Vertrauten in eine Bunkeranlage zurück, denn man erhofft sich, den Atomkrieg zu überleben und die völlig zerstörte Welt neu zu besiedeln. Samen von Pflanzen und Tieren hat man dazu in jahrelanger Vorausplanung gesammelt. Bormann erhofft sich davon, daß in der Zeit nach dem Krieg dann auf der ganzen Welt musterhafte Arier mit blondem Haare und blauen Augen siedeln werden, die arischen Rassen die gesamte Welt beherrschen.
Gulf gelingt es nicht, Bormann davon zu überzeugen, daß der Plan verrückt ist, weigert sich aber auch, mit in den Bunker zu gehen. Als er die Atomraketen am Himmel hochsteigen sieht, erscheint ihm Elizabeth aus dem Jenseits und das erste Mal gelingt es, mit dem Geist zu kommunizieren. Er ergreift ihre Hand und springt anschließend aus dem Fenster in die Tiefe, in der Hoffnung, bald zu seiner Geliebten zu gelangen.
Als er wieder zu sich kommt, findet er sich in der Hitze Südamerikas auf einer Straße liegen. In etwas Abstand steht ein Wagen, in dem sich auch Elizabeth befindet. Sie hilft ihm auf, offensichtlich erlitt Gulf aufgrund der ungewohnten Hitze eine Schwächeanfall und hatte das Bewußtsein verloren. Er geht mit Elizabeth zu dem Wagen und erinnert sich, wohin er will - ins Deutsche Reich, wo er mit Staatsoberhaupt Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein Interview führen soll.
Fehler in der Darstellung
Die Hauptstadt Deutsch-Amerikas trägt im Roman den Namen Germania und basierte auf den Plänen Speers für die Umgestaltung der Reichshauptstadt Berlin. Der verwendete Name basiert auf der Fehlvorstellung, Hitler selbst habe die Umbaupläne unter dem Namen „Welthauptstadt Germania“ anfertigen lassen, jedoch stammt dieser Begriff aus den 1960er Jahren. Ziegler war sich offenbar nicht bewußt, daß die Nationalsozialisten diesen Begriff nie gehört hatten. Da es sich um eine Alternativweltgeschichte handelt, kann zwar argumentiert werden, daß die Exil-Deutschen möglicherweise ihre neue Hauptstadt wirklich Germania nannten, da es jedoch im Kontext der Umgestaltungsvorlagen erscheint, ist wahrscheinlich, daß die Propaganda unreflektiert übernommen wurde.