Eiserner Vorhang
Der „Eiserne Vorhang“ ist ein Begriff aus dem Kalten Krieg und steht in Politik und Geschichte für die ideologische Grenze zwischen Kapitalismus und Kommunismus, die sich durch ganz Europa zog. Der Eiserne Vorhang entstand nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und bestand – neben realen Grenzen wie der „Berliner Mauer“ oder den Grenzbefestigungen der Tschecho-Slowakei zur BRD – auch aus einer Politik der Abgrenzung zwischen den indirekt gelenkten Staaten der VSA und der UdSSR. Mit dem Zusammenbruch der planwirtschaftlich regierten Staaten im Ostblock öffnete sich auch der Eiserne Vorhang und der Kalte Krieg galt quasi als beendet.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Ursprünglich steht der Begriff „eiserner Vorhang“ für eine stählerne Brandschutzwand in Theatern, die im Brandfall zwischen der Bühne und dem Zuschauerraum wie ein „Vorhang“ heruntergelassen wird.
Am 25. Februar 1945 benutzte Joseph Goebbels in einem Leitartikel für die Zeitung „Das Reich“ den Begriff des eisernen Vorhangs, um die Situation an der deutsch-sowjetischen Front zu beschreiben.[1]
Lutz von Schwerin-Krosigk war es, der noch vor Churchill das berühmte Wort vom „Eisernen Vorhang" gebrauchte, „hinter dem, den Augen der Welt entzogen, das Werk der Vernichtung der in die Gewalt der Bolschewisten gefallenen Menschen vor sich geht".[2]
Am 12. Mai 1945 verwendete Winston Churchill dieses Wort ebenfalls in einem Telegramm an Truman über das Vorgehen der Sowjetunion:
- „Ich bin tief besorgt über die europäische Situation [...]. Ein eiserner Vorhang wird an ihrer Front herabgelassen. Wir wissen nicht, was dahinter vorgeht.“
Dies erstaunt umso mehr, als doch die stalinistische Sowjetunion Englands Hauptverbündeter im Krieg gegen Deutschland war.
Geschichte
In der Schweizer Wochenschrift „Die Weltwoche“ konnte man am 16. November 1946 lesen:
- „Es gibt nicht nur einen Eisernen Vorhang in Europa. Es gibt deren zwei. Der zweite, von dem niemand spricht und den nur wenige kennen, trennt die russische Zone Deutschlands von den Ostgebieten, welche auf Grund des Potsdamer Abkommens [Anm.: Es gab kein Potsdamer Abkommen, sondern nur ein Potsdamer Protokoll.] Polen gegeben wurden und die außerhalb der alliierten Kontrolle stehen [...] ein Land der Gesetzlosigkeit und der Toten. Jeder, der die polnische Zone verläßt und in die russische Zone kommt, atmet erleichtert auf. Nach zuverlässigen Berichten ist in weiten Teilen Schlesiens kein Kind unter einem Jahr lebend geblieben. Es ist eine Tatsache, daß in Oberschlesien alle Frauen, welche von Geschlechtskrankheiten befallen sind, durch Kopfschuß getötet werden.“
Öffnung des Eisernen Vorhangs
Am 2. Mai 1989 begann Ungarn mit dem Abbau der Sperranlagen zu Österreich. Der Eiserne Vorhang zwischen West- und Osteuropa öffnete sich.[3]
Eine kurze Agenturmeldung kündigte es Mitte April 1989 an:
- „Ungarn wird am 2. Mai damit beginnen, den sogenannten Eisernen Vorhang, das Alarmsystem an der Grenze zu Österreich, zu beseitigen.“
Tatsächlich schritten Soldaten an jenem Tag zur Tat und demontierten Stacheldraht und elektronische Warnanlagen. Der Eiserne Vorhang wurde durchlöchert.
Die unmittelbare Begründung entsprang mehr wirtschaftlichen und praktischen als politischen Überlegungen. Ende 1988 war der ungarischen Führung klar geworden, daß die Anlage technisch veraltet war und den hoch verschuldeten ungarischen Staat übermäßig viel Geld kostete. Zudem hatten die ungarischen Staatsbürger bereits seit dem 1. Januar 1988 das Recht auf einen Reisepaß, mit dem sie auch in den Westen durften.
Um den Frust über die Niederschlagung des Volksaufstands von 1956 zu dämpfen, hatten die ungarischen Kommunisten unter Langzeit-Parteichef Janos Kadar✡ einen relativ liberalen Kurs verfolgt und der Bevölkerung einen im Vergleich zu anderen Ostblockstaaten hohen Lebensstandard ermöglicht – im Westen sprach man vom „Gulaschkommunismus“. Unter dem Reformpremier Miklos Nemeth emanzipierte sich die Regierung zunehmend von der sozialistischen Staatspartei.
Sie hatte für die Öffnung des Eisernen Vorhangs eine günstige internationale Situation gewählt. Der seit 1985 an der Spitze der Sowjetunion stehende Parteichef Michail Gorbatschow hatte im Zeichen von „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Umgestaltung) eine neue Politik zwischen Ost und West angekündigt. Als Nemeth dann Gorbatschow am 3. März 1989 in Moskau über die Abbaupläne informierte, erhielt er zu seiner Verblüffung die lakonische Antwort: „Ich sehe da, ehrlich gesagt, kein Problem.“
Als die beiden Außenminister Gyula Horn✡ und Alois Mock am 27. Juni 1989 vor der Weltpresse selber zur Drahtschere griffen, waren die Abbauarbeiten schon weit fortgeschritten. Nun bemerkte man weltweit, was sich an der einst hermetisch abgeschotteten Grenze zwischen West und Ost tat. Viele DDR-Bürger entschieden, ihre Sommerferien in der „sozialistischen Bruderrepublik“ zu verbringen. Sie kamen jedoch nicht wegen Plattensee oder Puszta, sie wollten in den Westen.
Bei einem „Paneuropäischen Picknick“ am 19. August in der Grenzstadt Ödenburg nutzten mehrere hundert Menschen aus der DDR die Gelegenheit zur Flucht nach Österreich. In Ungarn war man mit dem Ansturm aus der „Zone“ überfordert. So kam es am 21. August an der Grenze zu einem Handgemenge, bei dem sich ein Schuß aus der Waffe eines ungarischen Grenzers löste und einen Architekten aus der DDR tötete – er war das letzte Todesopfer des Eisernen Vorhangs.
Premierminister Miklos Nemeth suchte mit BRD-Kanzler Helmut Kohl nach einer Lösung. Am 10. September wurde die Öffnung der Grenze vereinbart, DDR-Bürger durften uneingeschränkt in den Westen ausreisen. Die Regierung in Ost-Berlin schäumte, doch wieder griff Gorbatschow nicht ein. Lange Autoschlangen von Trabants und Wartburgs vor den Übergängen nach Österreich prägten in der Folge das Bild.
Nun kam der endgültige Dammbruch. Am 9. November wurde quasi die Berliner Mauer geöffnet. Danach kollabierten die kommunistischen Regime in Polen, der Tschecho-Slowakei und Bulgarien. Ende Dezember wurde Nicolae Ceausescu in Rumänien gestürzt und hingerichtet. Im Eiltempo war der einst im Westen gefürchtete Ostblock zerfallen, und Ungarn war der erste Dominostein, der die 1945 in Jalta beschlossene Aufteilung Europas zumindest vorerst teilweise zum Einsturz brachte.
Filmbeitrag
Publikationen
- Andreas Oplatka: Der erste Riss in der Mauer. September 1989 – Ungarn öffnet die Grenze. Zsolnay-Verlag, Wien 2009
Verweis
- Der Tag, an dem die Teilung Europas endete, 20min.ch, 27. Juni 2009