Schleyer, Hanns Martin
Hanns Martin Schleyer ( 1. Mai 1915 in Offenburg, Großherzogtum Baden; 18. Oktober 1977 an unbekannter Stätte im französisch annektierten Ober-Elsaß ermordet) war ein deutscher Wirtschaftsführer. Er war von 1973 bis 1977 Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA) und auch gleichzeitig von Januar bis Oktober 1977, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Seine Entführung und Ermordung durch die Rote Armee Fraktion (RAF), während des sogenannten Deutschen Herbstes, war der Höhepunkt der bis dahin schwersten Krise in der Geschichte der BRD.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Herkunft
Schleyer war der einzige Sohn des späteren Landgerichtsdirektors Ernst Schleyer und dessen Frau Helene geborene Rheitinger. In der Geburtsurkunde übrigens ist sein erster Vorname „Hans“ in dieser Schreibweise eingetragen. Er selbst aber fügte zeitlebens dem Hans ein zweites „n“ hinzu.
Ausbildung und Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Studentenbund
Nachdem er 1933 in Rastatt das Abitur erfolgreich abgelegt hatte, begann er an der Universität Heidelberg ein Jurastudium. Schleyer war bereits als Schüler Mitglied der Schülerverbindung „Teutonia 1842 zu Rastatt“ und trat in Heidelberg 1934 der schlagenden Studentenverbindung Corps Suevia bei. Im Jahre 1931 wurde er Mitglied der Hitler-Jugend und am 1. Juli 1933 wurde er mit der Nr. 221.714 frühes Mitglied der Schutzstaffel (SS). Schleyer schloß sich dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) an und fand im damaligen Heidelberger Studentenführer und späteren Gauleiter Gustav Adolf Scheel, einen ersten wichtigen Mentor. Er trat am 1. Mai 1937 in die NSDAP ein - Nr. 5.056.527 - und wurde ab dem Sommer-Semester desselben Jahres Leiter des Heidelberger Studentenwerkes. Im Jahre 1938 beendete er sein Studium mit dem ersten juristischen Staatsexamen.
Nach dem Beitritt Österreichs zum Reich war er ab dem Sommersemester 1938 Leiter des Studentenwerks an der Universität Innsbruck. Im Jahre 1939 erfolgte dort seine Promotion zum „Dr. jur.“ nach großdeutschem Recht.
Heirat und Wehrdienst
Am 21. Oktober 1939 heiratete Schleyer Waltrude Ketterer, Tochter des Arztes und Politikers Emil Ketterer. Aus der Ehe gingen die vier Söhne Hanns-Eberhard ( 1944), Arnd ( 1949), Dirk ( 1952) und Jörg ( 1954) hervor.
Ab Sommer 1940 leistete er seinen Wehrdienst in der Endphase des Westfeldzuges und danach in Frankreich ab, aus dem er wegen einer im Herbst 1940 erlittenen Verwundung allerdings schon im Mai 1941 als dienstuntauglich entlassen wurde.
Tätigkeit im Protektorat Böhmen und Mähren
Im Juli 1941 übernahm Schleyer die Leitung des Studentenwerks der Deutschen Karls-Universität in Prag. Am 1. April 1943 trat er als Sachbearbeiter in den „Zentralverband der Industrie für Böhmen und Mähren“ ein. Hier wurde er dann später Leiter des Präsidialbüros und persönlicher Sekretär des Präsidenten Bernhard Adolf.
Nachkriegszeit
Anfang Mai 1945 begab er sich zu seinen Eltern nach Konstanz. Hier wurde er am 18. Juli 1945 vom französischen Militär verhaftet und in ein VS-amerikanisches KZ deportiert. Am 24. April 1948 wurde er entlassen. Im „Entnazifizierungsverfahren“ wurde er zunächst als Minderbelasteter eingestuft. Hiergegen legte Schleyer Widerspruch ein, im Revisionsverfahren wurde er im Dezember 1948 als Mitläufer eingestuft.
Wirtschaftsführer und Wirtschaftsfunktionär
Am 1. März 1949 begann er seine Tätigkeit als Referent für Außenhandel bei der Industrie- und Handelskammer Baden-Baden. Zum 1. Oktober 1951 wechselte er als Sachbearbeiter zur Daimler-Benz AG nach Stuttgart. Hier übernahm er im Mai 1953 die Leitung des Hauptsekretariats und war zugleich Assistent des Vorstandsvorsitzenden Fritz Könecke. Zum 1. Januar 1956 wurde er Leiter der Personalabteilung, und zum 1. Januar1959 wurde er als Mitglied in den Vorstand berufen. Ab dem 1. Oktober 1963 war er dann ordentliches Vorstandsmitglied, zuständig für das Ressort Personal- und Sozialwesen. Von 1968 bis 1971 war ihm außerdem das Ressort Unternehmensplanung übertragen, das er aber wegen der Wahl von Joachim Zahn zum Vorstandsvorsitzenden abgab. Er war auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Pegulan-Werke AG, die sein Studienfreund und Corpsbruder Fritz Ries nach dem Krieg aufbaute.
Im Jahre 1970 trat Schleyer in die CDU ein. Am 12. Februar 1970 wurde er zum Ehrensenator der Universität Innsbruck ernannt.
Von 1962 bis 1968 war er Vorsitzender des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg. Am 6. Dezember 1973 wurde Schleyer zum Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gewählt. Ab dem 1. Januar 1977 amtierte er zusätzlich als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).
Im Jahr 1977 lieferte sich Schleyer mit dem DGB-Vorsitzenden Heinz Oskar Vetter beim 8. St. Gallen Symposium ein Wortgefecht, das auch wegen der Nähe zu seiner späteren Entführung im gleichen Jahr, eine gewisse Bekanntheit erlangte.
Entführung und Ermordung
Am 5. September 1977 – während des sogenannten „Deutschen Herbstes“ – wurde Hanns Martin Schleyer in Köln-Braunsfeld in der Nähe seiner Wohnung, von dem RAF-Kommando „Siegfried Hausner“ entführt. Sein Fahrer und drei Leibwächter in einem nachfolgenden Fahrzeug wurden mit automatischen Waffen erschossen. Schleyer selbst wurde verschleppt. Seine Entführer forderten von der Bundesregierung die Freilassung von elf in der BRD inhaftierten RAF-Mitgliedern.
Der Personenschutz war nur äußerst lückenhaft trotz vorheriger Mitteilung durch Bundesinnenminister Werner Maihofer, daß Schleyer zu den gefährdetsten Personen gehörte. Die Wohnung in der Straße „Zum Renngraben“, in der Schleyer versteckt wurde, geriet zudem ins Visier der Polizei. Doch die Meldung, in der der Krisenstab über die Beobachtungen informiert wurde, kam angeblich nie an. Sie landete nach offiziellen Angabe in der falschen Ablage. In einer Tonbotschaft an Helmut Kohl konstatierte Schleyer kurz vor seiner Ermordung:
- Wie stümperhaft das Ganze gemacht wurde, beweist der Ablauf des 5. September. Und die Kenntnis, die ich heute über die ungestörten, obwohl leicht erkennbaren Vorbereitungen besitze, zeigen mir, wie wenig die Verantwortlichen in Wirklichkeit über den Terrorismus wissen.[1]
Die Regierung unter der Führung von Kanzler Helmut Schmidt entschied sich, nicht auf die Forderungen der Entführer einzugehen und blieb auch nach des Entführung der Lufthansa-Flugzeuges „Landshut“, am 13. Oktober 1977, bei dieser Haltung. Die „Landshut“ wurde fünf Tage später auf dem Flughafen der somalischen Hauptstadt Mogadischu, von der Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) gestürmt und die Geiseln unverletzt befreit. In derselben Nacht begingen in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim drei RAF-Häftlinge Selbstmord. Das RAF-Enftührer-Kommando ermordete daraufhin Schleyer, dessen Leiche am 19. Oktober 1977 in Mülhausen, im Kofferraum eines Audi 100, aufgefunden wurde. Die wahre Identität des Mörders wird von den noch lebenden Beteiligten der Entführung bis heute geheimgehalten. Im Nachrichtenmagazin Der Spiegel und in einer Fernseh-Dokumentation, schilderte das Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock im September 2007, daß Rolf Heißler und Stefan Wisniewski die Täter gewesen seien. Von den 20 identifizierten Personen des Täterkreises wurden 17 gefaßt und rechtskräftig verurteilt, zwei bei der Festnahme erschossen. Lediglich eine Person konnte nicht gefaßt werden und gilt bis dato als verschollen.
Begräbnis und Nachruf
Vor der Beerdigung Schleyers auf dem Ostfilderfriedhof in Stuttgart-Sillenbuch fand am 25. Oktober 1977 in Stuttgart unter großer Aufmerksamkeit der Medien ein Staatsakt statt, bei dem fast alle führenden BRD-Politiker anwesend waren.
1977 gründeten der BDA und der BDI die Hanns Martin Schleyer-Stiftung, die heute hauptsächlich junge Wissenschaftler im Bereich der Rechts-, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften fördert. In Stuttgart-Bad Cannstatt wurde 1983 die Hanns-Martin-Schleyer-Halle eingeweiht. In vielen Städten Westdeutschlands wurden Straßen nach Schleyer benannt.
Schleyers Witwe und vor allem ihr Sohn Hanns-Eberhard, der von 1989 bis 2009 Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks war, haben sich beide immer wieder als Vertreter der RAF-Opfer in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet, etwa in der Diskussion um eine Ausstellung über die latente Verherrlichung der RAF, die von Januar bis Mai 2005 in Berlin stattfand.