Irminsul

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Irminsul als Weltenbaum

Die Irminsul (die „emporgeschossene Säule“, germ.: irmin, erman: groß) oder auch Irmensäule oder Irmensul war ein altsächsisches Hauptheiligtum und wird als eine große Holzsäule beschrieben.

Erläuterung

Illustration Heinrich Leutemanns von 1882, welche das Fällen der Irminsul unter Karl dem Großen darstellt

Sie symbolisierte nach den Quellen den Weltenbaum der germanischen Mythologie und ist als mit der Weltesche Yggdrasil aus der Edda und dem immergrünen Kultbaum des Wikingertempels von Uppsala zusammenhängend zu betrachten. Im Zuge der Zwangschristianisierung der Sachsen wurden die Säulen durch die Franken – angeblich unter Karl dem Großen – gefällt. Am Beginn der Christianisierung der germanischen Völker standen somit Frevel und kulturelle Überfremdung, die das konfliktreiche christliche Leben unter Deutschen sodann jahrhundertelang nie mehr verlassen haben.

„Die Irminsul (allgemeine, alles tragende Säule) ist benannt nach dem Kriegsgott Irmin. Es stellt die heilige Weltenesche dar, welche auf den zwei ausgebreiteten Armen das Himmelsgewölbe trägt. […] Die gewaltige Säule symbolisiert die Verbindung des Himmels mit der Erde. Wenn die Verbindung unterbrochen ist, gerate die Welt ins Wanken, so glaubten die Germanen. Unter der Irminsul wurden die Reichsangelegenheiten verhandelt und ist mit den Reichzeptern gleichzusetzen. […] Auf den Externsteinen bei Höxter ist eine abgebildet. Die Irminsul hatte bei den Germanen eine ähnliche Bedeutung wie das Kreuz bei den Christen. Goethe nannte sie die Urplanze, die später in den bäuerlichen Lebensbaummotiven die bildlichen Fortsetzung fand.“[1]

Vom Ursprung der Irminsul

Die Irminsäule im Hildesheimer Dom vor der Zerstörung 1945

Den ersten Anhaltspunkt für die Entstehung der Irminsul gibt uns Tacitus in seinem Werk Germania. Nach ihm leiten sich die Germanen von einem Stammvater Tuisto aus göttlichem Geblüt ab und dessen sagenhaften Nachkommen Mannus, von dem die drei Könige Ingwo, Irmin und Istwo und deren Sippen abstammen. Nach diesen hätten sich die Germanen in drei Stämme verzweigt, die Ingwäonen, die Irminonen und die Istwäonen. Die Ingwäonen siedelten im Norden, auf den Halbinseln Skandinavien und Jütland, die Irminonen in der Mitte sowie im Osten und die Istwäonen im Westen des germanischen Siedlungsgebiets.

Jedes dieser germanischen Reiche hatte ein Hauptheiligtum. Bekannt ist das große Hauptheiligtum der Ingwäonen, dem Gott Yngwi (also Freyr) geweiht, auf drei Hügeln zu Alt-Uppsala in Schweden. Bei den Istwäonen ist ein Heiligtum Nehallenia der Bataver erwiesen. Außerdem berichtet Tacitus von dem Allerheiligtum der Tanfana der Marsen, das der römische Feldherr Germanicus bis auf den Grund zerstören ließ. Die Irminonen scharten sich wahrscheinlich schon damals um das Heiligtum der Irminsul. Aus dem Wort geht hervor, daß es sich bei der Irminsul um eine geheiligte Säule handelt.

Aber da beginnen schon die ersten Zweifel. Trug sie etwa ein Standbild dieses Königs aus sagenhafter Vorzeit, und wurde sie zu dessen Ehren errichtet? War sie also eine Totengedenksäule? Hing die Irminsäule vielleicht mit dem Cheruskerfürsten Hermann zusammen, der dem Namen nach und wohl auch abstammungsmäßig mit König Irmin verwandt war? Tacitus erzählt uns selbst, daß „das Heldenlied von Hermann noch heute [also um etwa 90 n. d. Ztw.] bei den Völkern der Germanen erschalle.“ Aber dieser Römer kannte die Irminsäule nicht, und kein Satz in seiner Schrift deutet darauf hin.

Davon abgesehen haben sich die Geschichtsforscher mit dieser Möglichkeit auch beschäftigt. So schreibt Johann Michael Kratz, Hildesheim, im Jahr 1840 in seinem Buch Der Dom zu Hildesheim folgende Sätze:

„Was den Namen Irminsäule betrifft, so bezeichnet man damit jene altertümlichen Säulen, welche dem deutschen Freiheitsritter Hermann zu Ehren von den Germanen an mehreren Orten waren errichtet worden. [...] Bald nach seinem Tode errichtete man ihm Tempel und Säulen. – Die Säulen trugen ein Standbild, welches ihn mit den Insignien eines Kriegsgottes vorstellte und waren zugleich Denkmale der Huldigung, welche die freigewordene Nation dem Andenken ihres hoch gefeierten Helden gewidmet hatte.“

Kratz spricht in seiner Schrift von mehreren Irminsäulen zum Andenken an Armin oder Hermann, aber schreibt nicht, woher er seine Kenntnis von solchen Armin-Gedenksäulen hat. Denkbar ist, daß er die Bemerkung von Tacitus („Das Heldenlied von Armin erschalle bei den Völkern der Germanen.“) mit eigenen Gedanken ausgeschmückt hat. Außerdem ist es unglaubwürdig, daß Armin bei seinen Germanen etwa als Kriegsgott göttliche Verehrung genoß. Das wäre ein ungermanischer Zug und ist nirgends überliefert. Selbst wenn Armin als Nachfahre von Irmin angesprochen werden könnte, ist eine Abbildung von Armin auf der Irminsul unbewiesen. Auch in den schriftlichen Quellen fehlt jede Bemerkung darüber, daß die Irminsul ein Bildwerk mit menschlichen Zügen gewesen sei.

Dagegen führt uns der Name Irmin zu einer weiteren Erkenntnis. Irmin ist nämlich im Germanischen auch ein Eigenschaftswort und bedeutet: groß, erhaben, verehrungswürdig. Im Hildebrandslied, das im 8. Jahrhundert in Fulda aufgezeichnet wurde, das früheste schriftliche Zeignis einer germanischen Heldensage, heißt der allwaltende Gott Irmingot. Danach wäre die Irminsäule eine allumfassende Säule, eine Säule der Erhabenheit. Mit der Irminsul verbanden sich also anscheinend beide Begriffe, die des Ursprungs des Ahnherrn der Irminonen aus göttlichem Geschlecht mit dem allgemeinen Begriff des Erhabenen, Reinen, Überirdischen, Unendlichen. Hier scheint die Auffassung von der Einheit alles Lebendigen und seiner Abstammung aus dem göttlichen Urgrund zu walten, einer der Wesenszüge germanischen Denkens überhaupt.

Man darf daher annehmen, daß das Heiligtum der Irminsul aus uralter Überlieferung herrührte, das Stammesheiligtum der Irminonen darstellte und wahrscheinlich nicht in mehrfacher Ausführung an verschiedenen Stätten hergestellt worden war. Es ist daher auch nicht unmöglich, daß das Urbild der Irminsul schon vor der Zeit Armins des Cheruskers bestanden hat. Hier, an der Irminsul, waren die göttlichen Mächte den versammelten freien Germanen besonders nahe, und wichtige Entscheidungen wurden getroffen.

Verbleib

Beim Bau des Klosters Corvey wurde im Erdboden eine Steinsäule gefunden, bei der es sich um die von Karl dem Großen eroberte Irminsul gehandelt haben soll. Diese Säule wurde dann in den Hildesheimer Dom gebracht und dort als Kerzenträger verwendet.

Zweiter Weltkrieg

Bei der Zerstörung des Doms 1945 durch Bombenterror wurde die Säule schwer beschädigt. Die Irminsäule ist 1,87 Meter hoch, die Bronzebasis und der Wirtel in der Mitte entstanden um 1200. Die Säule selbst besteht aus Kalksinter aus der römischen Eifelwasserleitung nach Köln.[2]

Siehe auch

Bildergalerie

Literatur

  • Jacob Grimm: Irmenstrasse und Irmensäule. Eine mythologische Abhandlung, 1815 (PDF-Datei)
  • Ferdinand Seitz: Irminsul im Felsenrelief der Externsteine, 1953
  • Klaus Bemmann: Die Religion der Germanen. Die Religion der Deutschen bevor sie Christen wurden. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage 1998 mit zahlreichen Farbtafeln. Phaidon Verlag, Essen 1990, ISBN 3-88851-094-5
  • Gisela Graichen: Das Kultplatzbuch. Ein Führer zu den alten Opferplätzen, Heiligtümern und Kultstätten in Deutschland. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1988, ISBN 3-86047-176-7
  • Jacob Grimm: Deutsche Mythologie. Vollständige Ausgabe. Marix Verlag: Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-143-8
  • David M. Wilson (Hg.): Die Geschichte der nordischen Völker. Die Welt der Germanen, Kelten, Wikinger, Slawen. Orbis Verlag, München 2003, ISBN 978-3-572-01462-X. [Lizenzausgabe der Beck'schen Verlagsbuchhandlung, München, deutsche Ausgabe erstmals 1980; Originalausgabe: London 1980; zahlreiche großformatige Abbildungen]

Verweise

Fußnoten