Kniefall von Warschau
Als Kniefall von Warschau wird die Begebenheit bezeichnet, bei der Willy Brandt am 7. Dezember 1970 vor dem Warschauer „Denkmal der Helden des Ghettos“ demütig niederkniete.
Hintergrund
Willy Brandt war der erste BRD-Bundeskanzler, der nach dem Zweiten Weltkrieg Polen und das polnisch okkupierte Gebiet Ostdeutschlands besuchte. Brandt, zu dessen Delegation unter anderem der ehemalige Waffen-SS-Angehörige Günter Grass gehörte, weilte zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages in Polen. Unmittelbar bevor Brandt mit der Unterzeichnung dieses Vertrages völkerrechtlich unwirksam auf die von Polen besetzten deutschen Gebiete verzichtete, begab er sich in Warschau zum Denkmal der Helden des Ghettos. Als Brandt sich dem Denkmal näherte, war der Platz vor dem Denkmal gefüllt mit zahlreichen Fotografen. Brandt nutzte geschickt die Medienpräsenz und warf sich theatralisch mit demütiger Mine „spontan“ vor dem Denkmal auf die Knie.
Der Kniefall sowie die am gleichen Tag durch den amtierenden Bundeskanzler für die Bundesrepublik Deutschland verkündete Abtretung der deutschen Ostgebiete lösten in der BRD eine heftige Debatte aus. Durch Brandts unterwürfiges Auftreten gegenüber dem kommunistischen Regime in Polen fühlten sich viele Deutsche verraten.
Ein kaum beachteter Aspekt dabei ist, daß man nichts „abtreten“ oder auf nichts „verzichten“ kann, was man nicht besitzt oder was einem gar nicht gehört. Die Bundesregierung war nie Besitzer oder Eigentümer der östlichen Reichsgebiete. Dieser Kniefall und der Verzichtsvertrag waren eine politische Show-Veranstaltung.
Bereits wenige Monate später erhielt Brandt 1971 als Dank für seine „Ostpolitik“ den Friedensnobelpreis.
Am Rande des Besuches boten die Polen völlig überraschend die sofortige Freilassung von Gauleiter Erich Koch und seine sofortige Übergabe an Deutschland an.[1] Verblüfft von diesem Angebot und der Tatsache, daß Koch überhaupt noch am Leben war, lehnte Brandt das Angebot ab, den mittlerweile 74 Jährigen Koch mitzunehmen. Da man befürchtete, daß Koch mit seinem Wissen über die Vergangenheit verschiedener Bonner Nachkriegspolitiker plaudern könne, galt er als ungefährlich, so lange er im polnisch besetzten Ostdeutschland im Gefängnis saß. [2]
Zum 30. Jahrestag des Kniefalls im Jahre 2000 wurde in der Nähe des Ghetto-Denkmals gemeinsam mit dem damaligen BRD-Bundeskanzler Gerhard Schröder der Willy-Brandt-Platz eingeweiht und zur Erinnerung an Brandts denkwürdiges Benehmen ein Bronzerelief mit dem siebenarmigen jüdischen Leuchter (Menora) und der Büßerpose Herbert Frahms angebracht.[3]
Als sich am 7. Dezember 2010 der Kniefall von Warschau zum 40. mal jährte, reiste Bundespräsident Christian Wulff eigens nach Warschau, um Willy Brandts „großartiger menschlicher Geste der Scham, Demut und Traurigkeit“[4] zu gedenken.