Träger (Expedition)
Träger sind bezahlte Hilfskräfte während Expeditionen in fremde Länder und in unwägbares Gelände, ohne deren Dienstleistung das Verbringen von Ausrüstung in das jeweilige Forschungsgebiet unmöglich wäre. Es handelt sich beinahe ausschließlich um Eingeborene oder Einheimische, die über landeskundliche Fähigkeiten verfügen. Insbesondere die weißen Afrikaforscher und Forschungsreisenden des 18. und 19. Jahrhunderts waren in den entlegenen oder unerschlossenen Regionen der „Negerreiche“ auf Träger angewiesen, von deren Auswahl, Fähigkeiten und Motivation der Erfolg oder Mißerfolg einer Entdeckungs- oder Forschungsreise abhingen, oft auch das Leben aller Teilnehmer.
Inhaltsverzeichnis
Träger in Afrika
Im Zuge der Neuzeit war die Afrikaforschung insbesondere ab dem 17. Jahrhundert wiederholtes Ziel von Expeditionen zahlreicher europäischer Staaten. Zu den Abenteuerern und Handelsherren gehörten auch Deutsche. Im Jahre 1682 wurde eine deutsche Gesellschaft auf Anregung des Großen Kurfürsten an der Goldküste gegründet. Im 18. Jahrhundert versuchte man von Nordafrika und Senegambien sowie von der Guineaküste und dem Kapland aus tiefer ins Landesinnere einzudringen. Carsten Niebuhr, der Begründer der Weltschiffahrtsstraße über Suez nach Indien, kam 1761 nach Ägypten, besuchte Nilkartarakte[2] und entwarf die erste korrekte Karte vom Roten Meer.[3] Die erste kritische Karte von Afrika wurde 1737 von Johann Matthias Hase angefertigt. Mehr und mehr kam jetzt auch wissenschaftlicher Forscherdrang als Auslöser für Expeditionen nach Afrika in Betracht,[4] z. B. erforschte der Schwede Anders Sparrman[5] ab 1772 das südliche Afrika und Friedrich Konrad Hornemann kam 1798 von Kairo durch die nördlichen Oasen nach Mursuk und von dort aus bis Nupe an den Niger. Die Entdeckung Afrikas wäre ohne die einzeln oder über Stammeshäuptlinge angeworbenen Träger, Köche, Fährtenleser, Kundschafter und Diener nicht möglich gewesen.
Es herrschte weder Zwang noch Konsumsklaverei, die Träger – die meist bewaffnet waren, teilweise mit Gewehren – wurden für den Transport von oft bis zu 4.000 kg Gesamtausrüstung bezahlt. Daß die Träger in einem selbstbestimmten Dienstverhältnis standen und die Afrikaforscher von ihrem Gutdünken vollständig abhängig waren, beschreibt der Autor Paulo Coelho[6] anschaulich:
- „Ein weißer Afrikaforscher konnte es nicht erwarten, endlich ins Landesinnere vorzustoßen. Um früher an sein Ziel zu gelangen, zahlte er seinen Trägern ein zusätzliches Gehalt, damit sie schneller gingen, und über mehrere Tage legten sie ein schnelleres Tempo vor. Eines Abends jedoch setzten sich alle auf den Boden, legten ihre Bündel ab und weigerten sich, weiterzugehen. Soviel Geld er ihnen auch anbot, die Träger rührten sich nicht von der Stelle. Als der Forscher sie schließlich nach dem Grund ihres Verhaltens fragte, erhielt er folgende Antwort: ‚Wir sind so schnell gegangen, daß wir nicht mehr recht wissen, was wir tun. Darum warten wir, bis unsere Seele uns eingeholt hat.‘“
Der deutsche Afrikaforscher Max Buchner erfuhr während eines Forschungsunternehmens der „Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland“ heraus, daß manche der von ihm angeheuerten schwarzen Träger wiederum schwarze Sklaven mit sich führten. Das Schwarze auch schwarze Sklaven hielten, war für die deutschen Forscher undenkbar und deshalb um so überraschender. Buchner verbot zwar diese Praxis, der innerafrikanische Sklavenhandel und die Sklaverei bestanden jedoch weiter und verschwanden, auch nach ihrem offiziellen Verbot im Jahre 1875, erst allmählich, u. a. auch durch militärische Aktionen der Wissmann-Truppe.[7]
Mitte August 1888 unternahm Hans Meyer, begleitet von Oscar Baumann, eine zweite Expedition. Nachdem sie die Gebirgslandschaft Usambara überschritten und erstmals in ihrer ganzen Ausdehnung erforscht hatten, verließen die Träger die Expedition, weil an der Küste die Sklavenhändlerrevolte in Deutsch-Ostafrika gegen die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft ausgebrochen war. Die Träger hatten berechtigterweise große Angst, von den islamischen Sklavenjägern gefangengenommen und versklavt zu werden. Meyer und Baumann waren gezwungen, die Expedition abzubrechen und an die Küste zurückzukehren, wo sie von dem Rebellenführer Buschiri bin Salim gefangengenommen und mißhandelt wurden. Erst die Zahlung eines hohen Lösegeldes brachte beide wieder in Freiheit.
Paul von Lettow-Vorbeck und seine Schutztruppe verdankten ihr Leben nicht nur einmal den aufopferungsvollen Trägern des deutschen Trosses. Im November 1917 faßte von Lettow den Entschluß, unter Zurücklassung von Verwundeten und Kampfunfähigen den Grenzfluß Rovuma mit 280 deutschen und 1.600 bis 1.700 Askari sowie einem Troß von 5.000 Trägern und Frauen (ohne ihre Frauen weigerten sich Träger längere Trecks mitzumachen) zu überschreiten und sich nach Portugiesisch-Ostafrika zu begeben. Die stark überlegenen britischen Kräfte konnten den schnellen Buschgeist und seine Männer nicht einholen. Die Träger trugen Verpflegung, Gepäck und Bettzeug. Die Verwundeten wurden auf improvisierten Tragbahren mitgeführt. Die Durchschnittslast pro Träger lag zwischen 25 und 30 kg, auf dem Kopf getragen. Sie waren das wahre Rückgrat der Truppe. Den Askari und Trägern der deutschen Schutztruppe Deutsch-Ostafrikas gewidmet, steht noch heute ein imposantes Denkmal in der jetzt 1,5 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Daressalam. Es zeigt einen Askari in deutscher Uniform in Angriffsstellung mit aufgepflanztem Seitengewehr, darunter die mehrsprachige, von Lettow-Vorbeck selbst für seine geschätzten „Reichsneger“ entworfene Inschrift:
- „IM GEDENKEN AN DIE EINGEBORENE KÄMPFENDE TRUPPE, AN DIE TRÄGER, DIE FÜßE UND HÄNDE DIESER TRUPPE WAREN, AN ALLE ANDEREN MÄNNER,
- DIE IN DEUTSCH-OSTAFRIKA 1914-1918 STARBEN. EURE SÖHNE WERDEN EURE NAMEN IN EHREN HALTEN."
Pflicht und Bestrafung
Der britische Afrikaforscher des 19. Jahrhunderts Henry Morton Stanley, der im amerikanischen Sezessionskrieg zuerst für den Süden, dann für den Norden kämpfte und später für beide Seiten als Deserteur galt, pflegte, ggf. aus der Not und Gefahr heraus, einen harten Umgang mit seinen Trägern – wer bei ihm anheuerte, mußte gehorchen. Stanleys Bücher über Afrika enthalten sehr viele Details.[8] In „Durch den dunklen Weltteil“ gibt es über hundert Zeichnungen, unter anderem Pläne afrikanischer Häuser, Pläne typischer Dörfer, Zeichnungen von Schlachten und vergleichende Darstellungen verschiedener afrikanischer Kanupaddel. Tabellen informieren über die Luft- und Wassertemperatur, die Tiefe der verschiedenen Seen oder über den Preis eines Huhnes. Er führte auch diszipliniert und akribisch Tagebuch, darin notierte er beispielsweise die Bestrafung von Trägern: „Die beiden Betrunkenen zu 100 Peitschenhieben verurteilt, danach 6 Monate in Ketten.“ Gegenüber Deserteuren kannte Stanley keine Gnade und konnte auch keine erlauben. Sie erwartete die Nilpferdpeitsche, oder sie wurden in die Sümpfe getrieben.[9]
Träger in Ostafrika im Ersten Weltkrieg
Die Träger in Ostafrika im Ersten Weltkrieg ermöglichten durch ihre Leistung erst eine Kriegsführung mit europäischen Methoden. Um auf britischer und belgischer Seite rund 130.000 Soldaten zu versorgen, waren weit über eine Million Träger notwendig.
Der Begriff „Träger“ gibt die Tätigkeit allerdings nur unzureichend wieder. „Träger“ gruben auch Schützengräben, bauten Straßen, reparierten Eisenbahnstrecken und hielten Telegraphenleitungen instand. Unter ihnen gab es Übersetzer, bewaffnete Späher, Militärpolizisten, Agenten, Dockarbeiter, Techniker und Tiertreiber. Andere dienten als Köche oder Diener.
Viele der Träger aus Deutsch-Ostafrika waren ursprünglich von den Deutschen angeworben oder, da es um das nackte Überleben ging, zwangsverpflichtet und dann von den Briten, auch gegen ihren Willen, einverleibt worden. Sie waren in vielen Fällen nur kurzfristig tätig, die Träger aus dem britischen Protektorat Ostafrika dienten dagegen häufig zwei Jahre und länger. Insgesamt kamen die afrikanischen Soldaten und Träger der britischen Streitkräfte aus einem Gebiet, das heute von fünfzehn afrikanischen Staaten abgedeckt wird. Die vier wichtigsten waren:
Soldaten | Träger | |
---|---|---|
Deutsch-Ostafrika | 2.000 | 321.567 |
Nyasaland | 15.000 | 196.914 |
Protektorat Ostafrika | 10.500 | 173.539 |
Uganda | 10.000 | 182.246 |
Summe aller Gebiete | 58.000 | über eine Million |
Die Geschichte der Träger auf deutscher und portugiesischer Seite ist bislang kaum erforscht. Durch Deutsch-Ostafrika verliefen lediglich zwei Eisenbahnlinien, die Usambarabahn im Norden und die Mittelland- oder Tanganjikabahn im Zentrum der Kolonie. Mit dem deutschen Rückzug nach Süden nahm daher die Bedeutung der Träger für die ostafrikanische Schutztruppe deutlich zu. Dies galt um so mehr, da der deutschen Seite kaum motorisierte Fahrzeuge zur Verfügung standen, für die Ende 1916 zudem der Treibstoff zur Neige ging. Der Historiker Horst Gründer schätzt, daß alleine im Mündungsdelta des Rufiji-Flusses rund 12.000 Träger im Einsatz waren.[10] Während auf Seiten der Gegner etwa zehn Träger auf einen Soldaten kamen, waren es auf deutscher Seite in der Regel weniger. Vom Kommando der Schutztruppe erging der Befehl, daß ein Europäer nicht mehr als 100 Kilogramm Trägerlast auf den Marsch mitnehmen durfte. Da eine Trägerlast im Durchschnitt etwa 25 Kilogramm betrug, kam ein Deutscher auf bis zu vier Träger. Diese Zahl sank später aufgrund von Trägermangel auf drei bzw. zwei Träger. Hinzu kamen jedoch Träger für den Krankentransport, beim Troß, bei Stabs- oder Verwaltungsstellen und ähnlichem. Ein deutsches Feldlazarett verfügte etwa über 240 Träger, eine Bataillon-Stablast über 80 und eine Waffenmeisterei über 25 Träger.[11] Nach den Berichten des deutschen Zeitzeugen und Regierungsarztes Ludwig Deppe litten zahlreiche Träger, besonders in Sumpfgebieten, unter Geschwüren und Entzündungen. Auf deutscher Seite starben etwa 7.000 Träger im Fronteinsatz im Kugelhagel des Feindes. Die Verluste in der Etappe und auf dem Marsch lagen aber wesentlich höher.[12] So schrieb Deppe:
- „Wenn jetzt viele Träger davonlaufen, um in ihre Heimat zurückzukehren, so dürfen wir nicht vergessen, daß wir unter dem Druck des Feindes oft in schonungsloser Weise die Träger zusammenholen mußten, wo wir sie fanden. Hunderte, ja Tausende sind am Wege liegengeblieben oder unter den Strapazen oder sonst als Opfer des Krieges gestorben.“ — Charlotte und Ludwig Deppe in Um Ostafrika – Erinnerungen[13]
Träger in Indien
Für den Transport von Forschern, Expeditionsteilnehmern und ihrer Ausrüstung zu Lande wurden wie in Afrika auch in Indien in großem Umfang Träger eingesetzt.
Träger bei Mount-Everest-Expeditionen
Der Mount Everest wird im Expeditionsstil bestiegen und erforscht.[14] Die erste Expedition im Jahre 1932 scheiterte früh an der Mitarbeit der Träger, da diese schlecht ausgerüstet waren und, im Gegensatz zu den Briten, nicht über Sauerstofflaschen verfügten. Somit fielen am Anfang mehrere Träger aus. Am 7. Juni wurden die Träger oberhalb von Lager III von Mallory, Somervell und Crawford durch die Flanke des Nordsattels geführt. Die 17 Männer hatten vier Seilschaften gebildet, wobei die europäischen Bergsteiger alle in der ersten Seilschaft gingen und die Spur traten. Auf halber Strecke löste sich plötzlich ein Schneebrett. Mallory, Somervell und Crawford wurden nur leicht verschüttet und konnten sich schnell befreien. Die Gruppe hinter ihnen wurde jedoch etwa 30 m weit mitgerissen, während die übrigen neun Träger der restlichen zwei Seilschaften in eine Spalte fielen. Zwei der Träger konnten lebend, sechs weitere nur noch tot geborgen werden. Einer der Toten wurde nicht gefunden. Dieses Unglück bedeutete das Ende der Expedition. Bereits am 2. August waren alle Expeditionsteilnehmer zurück in Darjiling. Tibeter und Sherpas beteten in den Bergen zu Buddha, und die meisten Träger sprachen nur wenig Englisch. Auch diese Expedition zeigte, daß ohne gute und versorgte Träger jedes Forschungsabenteuer zum Scheitern verurteilt ist.
Bei der zweiten Expedition im Jahre 1924 wurde vor allem die Rolle der Träger im Vorfeld der Expedition neu überdacht. Die Ausrüstungsgegenstände wurden vor allem von etwa 150 neu angeworbenen Trägern vom Basislager zu den Hochlagern transportiert. Sie bekamen für ihre Arbeit etwa einen Schilling pro Tag. Allerdings verschwanden viele der Träger nach kurzer Zeit, da sie auf ihren Feldern arbeiten mußten. Vor dem ersten Besteigungsversuch wurden 15 Träger ausgewählt, die sich als besonders geeignet für das Bergsteigen erwiesen hatten. Diese Elitegruppe bekam die Bezeichnung „the tigers“ (die Tiger). Erst im Jahre 1933 wurde eine erneute Expedition entsandt – nach den Todesfällen der Sherpas (die als Träger und Führer fungiert hatten) 1922 und der Briten 1924 hatte der Dalai Lama weitere Expeditionen nicht genehmigt. Auch waren Regelverletzungen der Engländer bekannt geworden, z. B. im Rongpu-Tal keine Tiere jagen zu dürfen.
Träger der Moderne
Auch im 21. Jahrhundert sind viele Expeditionen in Afrika ohne Träger nicht möglich, Forschungsreisen in den Kongo sind von Trägern abhängig. Der Niederländer Ramon Stoppelenburg bietet beispielsweise Kilimandscharo-Expeditionen für Europäer an. Zu den Aufgaben der Träger liest man 2013 auf seiner Netzpräsenz:
- „Am ersten Tag treffen sich alle am Machame Gate, der Eingang zum Nationalpark des Kilimanjaros und der Start der Machame Route. Hier werden die Gepäckträger von den Führern ausgewählt, Ihnen vorgestellt und das Gepäck wird gewogen. Die Träger werden je 60 Kilogramm tragen. [...] Die Gepäckträger werden Ihnen täglich Trinkwasser bereitstellen. Am ersten Tag wird es Wasserflaschen geben, aber danach werden Sie aufbereitetes Wasser zu trinken bekommen. Sie sollten jeden Tag mindestens drei Liter Wasser trinken. Die Träger werden das Frühstück, das Mittagessen und ein deftiges, gesundes, mehrgängiges Abendessen für Sie kochen. [...] Zusätzlich zu Ihrem Gepäck trägt ein Träger die Vorräte beim Aufstieg: das Essen, das Wasser, die Zelte, die Küche und seine eigenen Sachen. Jeden Morgen werden die Träger Ihre Sachen wieder einpacken und Sie beim Aufstieg begleiten. Wenn Sie an den nächsten Campingplatz kommen, wird alles schon für Sie vorbereitet sein. Ihr Gepäck wird schon in dem aufgestellten Zelt liegen und heißer Kaffee wird für Sie schon gekocht sein. [...] Jeden Morgen wird Wasser für Sie von den Trägern gekocht, damit Sie sich frisch machen können. Fällt Müll an, händigen Sie diesen bitte den Trägern aus. Der Restmüll wird verbrannt und der Kunststoffmüll muß wieder mitgenommen werden.“[15]
Literatur
- Anders Sparrman (Andreas Sparrmann): Reise nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung, den südlichen Polarländern und um die Welt, hauptsächlich aber den Ländern der Hottentotten und Kaffern ..., Haude & Spener, 1784
- Francois Levaillant: Reise in das Innere von Afrika, vom Vorgebirge der guten Hoffnung aus. In den Jahren 1780-1785, Fleischer, 1790
- William George Browne: Reisen in Afrika, Egypten und Syrien, Industrie-Comptoir, 1800
- Henry Morton Stanley: Wie ich Livingstone fand. Reisen, Abenteuer u. Entdeckungen in Central-Afrika, Leipzig 1879, ISBN 3-522-60480-6