Muhs, Hermann
Hermann Muhs ( 16. Mai 1894 in Barlissen; 13. April 1962 in Göttingen) war ein deutscher Offizier des Deutschen Heeres, Jagdflieger der Fliegertruppe, Jurist und Politiker (NSDAP), Gauleiter der NSDAP, Regierungspräsident in Hildesheim, SS-Oberführer, Staatssekretär im Reichskirchenministerium und, nach dem Tod von Hanns Kerrl, geschäftsführender Reichsminister für die Kirchlichen Angelegenheiten.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Muhs wuchs als Sohn des Bauern Wilhelm Muhs und dessen Gattin Maria in einem südniedersächsischen Dorf auf. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er das Realgymnasium in Göttingen, wo er 1914 die Reifeprüfung ablegte. Im August 1914 meldete er sich, erfaßt von der verbreiteten Kriegsbegeisterung, als Kriegsfreiwilliger beim Feldartillerie-Regiment 46 in Wolfenbüttel. Nach kurzer Ausbildung wurde er mit seinem Regiment an die Kriegsfront verlegt, später diente er in den Feldartillerie-Regimentern 254 und 43. 1917 wechselte er zu einem Fliegerverband. Muhs stieg bis zum Leutnant der Reserve auf und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. 1918 geriet er als Flugzeugführer mit der Jagdstaffel 12 (Jagdgeschwader II) in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst im Frühjahr 1920 entlassen wurde.
Im Sommersemester 1920 begann er, an der Universität Göttingen Volkswirtschaft zu studieren, wechselte dann jedoch zum Studium der Rechtswissenschaft und promovierte 1922 über „Das Notverordnungsrecht nach Landstaatsrecht“ an der Universität Göttingen zum Doktor der Rechte. Er erhielt die Zulassung als Rechtsanwalt, 1922 war er Referendar und schon 1926, nach der großen juristischen Staatsprüfung, war er Gerichtsassessor beim Amtsgericht in Hannover und 1927 Rechtsanwalt in Göttingen, wo er eine Anwaltskanzlei eröffnete und 1932 auch Notar wurde.
Ab 1933 war Muhs Regierungspräsident in Hildesheim und danach Staatssekretär im Reichs- und Preußischen Ministerium für die kirchlichen Angelegenheiten, dessen Leitung er, wenn auch ohne formelle Ernennung, bis Kriegsende inne hatte. Außerdem stand er der Reichsstelle für Raumordnung vor.
Maßgeblich vorangetrieben hat Muhs den Bau der damals weltweit längsten Wasserleitung vom Harz bis zur Stadt Bremen und die Technik der Holzgasverbrennung. Vermutlich hat er auch bei der Entscheidung, das Volkswagen-Werk am Standort Wolfsburg zu errichten (wodurch erst die eigentliche Stadt Wolfsburg entstanden ist), mitgewirkt. 1934 erhielt er für seine Verdienste die Ehrenbürgerschaft der Stadt Hildesheim.
NSDAP
Am 1. September 1929 wurde er Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 152.594). Vor 1933 zählte er zu den aktivsten Propagandisten des Nationalsozialismus in Niedersachsen. Innerhalb der Partei übte Muhs zahlreiche Ämter und Funktionen aus. 1929 wurde er als Verordneter in das Stadtparlament von Göttingen gewählt. Hier amtierte er als Fraktionsführer der NSDAP und als Bürgervorsteher. 1930 ernannte die Parteiführung ihn zum Bezirksleiter der NSDAP für Südhannover und zum stellvertretenden Gauleiter des Gaues Südhannover-Braunschweig. Gleichfalls 1930 erhielt er als Nachrücker für den Wahlkreis 16 (Süd-Hannover) einen Sitz im Preußischen Landtag. Dem Landtag gehörte er bis zu dessen Auflösung im Oktober 1933 an.
Als der Gauleiter Bernhard Rust (1883-1945) im Juli 1932 zum Landesinspekteur der NSDAP für Niedersachsen (Gaue Westfalen-Nord und Westfalen-Süd, Weser-Ems, Osthannover, Südhannover-Braunschweig) ernannt wurde, übernahm Muhs am 17. August 1932 dessen Amtsgeschäfte in der Funktion des Gauleiters des Gaues Südhannover-Braunschweig. Dieses Amt mußte er nach Auflösung der Landesinspektion und der Rückkehr seines Vorgesetzten im Dezember 1932 wieder aufgeben. Er blieb jedoch als stellvertretender Gauleiter in der Nähe Rusts. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme im Januar 1933 rückte Muhs in den Kreis der neuen politischen Elite auf. Im März 1933 wurde er zum Regierungspräsidenten in Hildesheim ernannt, daneben übernahm er zahlreiche weitere Ämter, u. a. als Fraktionsführer der NSDAP im Provinziallandtag der Provinz Hannover, als Bevollmächtigter der Provinz Hannover im Reichsrat und als Vorsitzender des Landesverkehrsverbandes Weserbergland.
Kirche, Wehrmacht und SS
Am 1. Juni 1931 trat Muhs als Anwärter in die SS ein (Mitgliedsnummer 54.402). Innerhalb der SS durchlief Muh in kurzer Zeit die ehrenamtliche Hierarchie bis zum Rang eines Oberführers (10. Juni 1933: SS-Mann; 9. November 1933: SS-Truppführer; 1. Januar 1934: SS-Sturmführer; 20. April 1934: SS-Hauptsturmführer; 20. April 1937: SS-Sturmbannführer; 31. Dezember 1937: SS-Obersturmbannführer; 20. April 1938: SS-Standartenführer; 11. September 1938: SS-Oberführer).
Aufgrund seiner Kirchenmitgliedschaft wurde er überdies nach den Kirchenwahlen im Juli 1933 zum Mitglied des deutsch-christlichen Kirchensenates der hannoverschen Landeskirche berufen. In Militär und NS-Organisationen stieg Muh rasch auf. 1936 wurde er, im Anschluß an eine militärische Übung, zum Oberleutnant der Reserve der Wehrmacht befördert.
Die Übernahme des Amtes durch Muhs erfolgte kommissarisch am 19. November 1936. Am 19. April 1937 wurde er zum Staatssekretär im Reichs- und Preußischen Ministerium für die kirchlichen Angelegenheiten ernannt. In der folgenden Zeit fiel die faktische Geschäftsleitung des Ministeriums immer mehr an ihn. Seit Frühjahr 1937 gestaltete und repräsentierte Dr. Muhs als zentraler Amtsträger die Kirchenpolitik der Reichsregierung. Seine Bemühungen, nach dem Rücktritt des Reichskirchenausschusses im Februar 1937 auch die Landes- und Provinzialkirchenausschüsse zur Beendigung ihrer Arbeit zu nötigen, verwickelte ihn allerdings in vielfache Auseinandersetzungen.
Eine Unterbrechung seiner Amtstätigkeit trat ein, als Muhs nach Kriegsausbruch kurzfristig zum Militärdienst eingezogen wurde. Ende 1940 war er bei einem Feldgericht in Holland eingesetzt. Erst im Frühjahr 1941 kehrte Muhs an seine Dienststelle im Ministerium zurück.
Nach dem unerwarteten Tod Kerrls am 15. Dezember 1941 übernahm er die Leitung ganz (eine formelle Ernennung zum Reichsminister wurde nie ausgesprochen) und übte sie bis Kriegsende aus (die entsprechende Beauftragung erfolgte am 16. Januar 1942). Auch Kerrls Funktion als Leiter der Reichsstelle für Raumordnung ging kommissarisch an Muhs über.
Nachkriegszeit
Nach der Besetzung durch die alliierten Invasoren wurde Muhs drei Jahre lang von den VS-Amerikanern unter menschenunwürdigen Bedingungen interniert. Muhs kehrte 1948 nach Niedersachsen zurück und wirkte in der Nachkriegszeit ab 1952 als Rechtsanwalt in Göttingen.
Auszeichnungen (Auszug)
- Eisernes Kreuz (1914), II. Klasse
- Militär-Flugzeugführer-Abzeichen (Preußen)
- Flieger-Erinnerungsabzeichen (1914)
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
Literatur
- Das Deutsche Führerlexikon, Otto Stollberg G.m.b.H., Berlin 1934