Nibelungenlied
Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos, das zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf Mittelhochdeutsch niedergeschrieben wurde. Es handelt sich dabei um eine Vermischung von Heldenepik mit der im Hochmittelalter vorherrschenden höfischen Haltung. Es stellt die bekannteste Bearbeitung des Stoffes der Nibelungensage dar und gilt als deutsches Nationalepos.
- „Wenn man das Nibelungenlied, das eine glorreiche Welt darstellt, große Menschen mit einer vaterländischen, männlichen Gesinnung, wenn man ein solches Werk zum ‚Hauptbuch bey der Erziehung der deutschen Jugend‘ macht, dann wird es auch gelingen, kraftvolle Männer zu erziehen und die Einheit des Reiches wieder herzustellen.“ — August Wilhelm von Schlegel
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Das Nibelungenlied besteht aus mehr als 2.000 Strophen, die ihrerseits in 39 Aventüren gegliedert sind. Möglicherweise wurde das Lied damals zu einer heute nicht mehr bekannten Melodie vorgetragen, was aber in der Forschung umstritten ist. Das Nibelungenlied zählt inzwischen zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.[1]
Der Dichter des Nibelungenliedes verwendete zwar den neumodischen Endreim, es werden jedoch viele Wörter verwendet, die zum Entstehungszeitpunkt bereits nicht mehr aktuell waren. Ebenso ist der Satzbau als Anlehnung an die alte nordische Heldendichtung stark parataktisch aufgebaut. Dies und weitere Details (etwa das Tragen von Langschwertern) sollen das Werk gezielt archaisch wirken lassen.
Handschriften
Vom Nibelungenlied liegen neben 23 Fragmenten elf Handschriften vor, die allerdings nicht alle vollständig überliefert sind. Die drei ältesten, die Hohenems-Münchener (Handschrift A), die Sankt Gallener (Handschrift B) und die Donaueschinger Handschrift (Handschrift C), gehen auf die Mitte bzw. das Ende des 13. Jahrhunderts zurück. Besonders die als Fassung C bezeichnete Handschrift weicht dadurch ab, daß einige Passagen so umgeschrieben wurden, daß Kriemhilt in einem besseren Licht gezeigt wird. Hagen wird dadurch schlechter dargestellt.
Die Hohenems-Laßbergsche Handschrift C
(benannt nach ihrem Entdecker Joseph von Laßberg)
Kurzgefaßte Inhaltswiedergabe
In Worms am Rhein wächst Kriemhilt als Schwester der drei mächtigen burgundischen Könige Gunther, Gernot und Giselher auf. Eines Tages erscheint Siegfried von Xanten, der Sohn eines ebenso mächtigen Königs in Niederland und will mit Gunther um dessen Reich kämpfen. Den Burgundern gelingt es jedoch, ihn von diesem Vorhaben abzubringen und als Gast am Hof aufzunehmen. Siegfried bleibt somit am Hof und unterstützt die Burgunder im Krieg gegen die aufbegehrenden Sachsenkönige als auch bei Gunthers Brautwerbungsfahrt nach Island, wo er mittels der Tarnkappe dem König zum Sieg über Brünhilt verhilft. Als Dank für die Unterstützung gewährt Gunther dem Recken aus Niederland, Kriemhilt zur Frau zu nehmen. Es kommt zu einer großen Doppelhochzeit in Worms, allerdings muß Siegfried Gunther noch einmal beistehen, da Brunhilt sich weigert mit Gunther zu schlafen und ein magischer Gürtel ihr übermenschliche Kräfte verleiht, welchen der König nicht gewachsen ist.
Wieder mit Hilfe der Tarnkappe gelingt es Siegfried, ihr den Gürtel zu nehmen, welchen er später Kriemhilt als Geschenk gibt. Anschließend kehrt Siegfried mit seiner Gemahlin zurück an den Hof seines Vaters. Als sie später wieder einmal Worms aufsuchen, kommt es vor der Kathedrale zu einem Streit zwischen Kriemhilt und Brünhilt, wobei Siegfrieds Gattin den Gürtel vorzeigt. Brünhilt fühlt sich darum betrogen, auch wenn Siegfried Gunther einen falschen Eid schwört, daß nichts an der Sache wahr sei. Brünhilts Verhalten bleit am Hof jedoch nicht unbemerkt und Hagen von Tronje schafft es schließlich Gunther davon zu überzeugen, daß Siegfrieds Tod der einzige Ausweg aus der verzwickten Lage ist. Hagen ermordert Siegfried schließlich während einer Jagd in einem Waldgebiet. Den Nibelungenhort läßt Hagen zusammen mit seinem Bruder im Rhein versenken, damit Kriemhilt nicht weiter das Volk in Worms gegen die Mörder ihres Mannes aufhetzen kann.
Einige Zeit später tauchen Boten des mächtigen Hunnenkönigs Etzel am Hofe Gunthers auf. Dessen Frau ist vor kurzem gestorben und der Herrscher möchte nun um Kriemhilt werden, nachdem er vernahm, daß diese inzwischen zur Witwe wurde. Trotz der Bedenken Hagens wird Kriemhilt mit dem Hunnen vermählt und zieht in das Land der Hunnen, wo sie Etzel auch einen Sohn zur Welt bringt. Jahre später erreicht die Burgunder eine Einladung Kriemhilts, sie an Etzels Hof zu besuchen. Hagens Bedenken, daß dies ein Racheplan sei, werden nicht geteilt und so brechen die Könige bald mit großem Gefolge auf. Unterwegs stößt Hagen auf Meerfrauen, welche ihm verkünden, daß die Burgunder die Reise nicht überleben werden, womit er seine Befürchtungen bestätigt sieht. Am Hofe Etzels werden die Gäste freundlich aufgenommen, schließlich kommt es jedoch zum Kampf zwischen beiden Völkern, jeder Vermittlungsversuch scheitert. Auslöser hierfür ist, daß nach einigen Versuchen Kriemhilts, die Hunnenkrieger zum Kampf zu bewegen, Hagen dem gemeinsamen Sohn Etzels und der Königin bei Tisch mit dem Schwert den Kopf abschlägt.
Die Burgunder verschanzen sich schließlich in der Großen Halle am Hof, wo sie ausharren. Am Ende gelingt es Dietrich von Bern schließlich, die beiden einzigen Überlebenden Gunther und Hagen gefangen zu nehmen und vor Etzel zu bringen. Kriemhilt läßt Gunther den Kopf abschlagen und fordert von Hagen den Aufenthalt des Hortes gesagt zu bekommen. Hagen weigert sich jedoch, woraufhin sie ihn mit dem Schwert Siegfrieds aus Rache enthauptet. Die Anwesenden zeigen sich entsetzt darüber, daß eine Frau einen Helden erschlug und der alte Waffenmeister Hildebrand schlägt Kriemhilt daraufhin mit dem Schwert in Stücke. Die Überlebenden des Kampfes betrauern anschließend die große Zahl der Toten.
Illustrierte deutsche Litteraturkunde
Kurze Inhaltsangabe:[2]
Personen
- Blödelin
- Brünhilt (Prünhilde)
- Dankwart (Dancwart)
- Dietrich von Bern
- Etzel
- Gernot (Gêrnôt)
- Giselher (Gîselher)
- Gunther
- Hagen von Tronje (von Tronege Hagene)
- Hildebrant
- Krimhielt
- Nibelung
- Ortlieb
- Rüdiger
- Schilbung
- Siegfried (Sîvrit)
- Sieglinde (Siglint)
- Siegmund (Sigmunt)
- Ute (Uote)
- Volker
Entstehungsthorien
Die Germanistik hat sich immer wieder darüber Gedanken gemacht, wie das Nibelungenlied entstanden sein könnte. Dabei werden drei Kernthesen ausgemacht:
- Das Nibelungenlied existierte bereits längere Zeit in mündlicher Form und wurde dann um das Jahr 1200 herum schriftlich festgehalten.
- Das Nibelungenlied stellt ein Werk dar, in welchem verschiedene zuvor existierende Texte verschmolzen wurden
- Das Nibelungenlied stellt ein Werk dar, das in einem Stück entstanden ist und auf keinen Vorgängern basiert.
Die Forschung ist sich inzwischen einig, daß es keine Vorgänger des Nibelungenliedes gibt und es sich um eine Neuschöpfung auf Grundlagen alter Sagenstoffe handelt.
Die älteste Darstellung des Entstehungsprozesses stellt die dem eigentlich Lied gerne angehängte „Klage“ dar, in welchem die Handlung nochmals rekapituliert wird. Dort ist es ein Geistlicher im Gefolge des Bischofs Pilgrim zu Passau, welcher sich die Ereignisse schildern läßt und diese in lateinischer Sprache festhält. Die Urfassung des Nibelungenliedes wäre demnach eine lateinische Version, welche sich nicht erhalten hat. Jedoch ist die dort geschriebene Schilderung nicht als Wiedergabe tatsächlicher Ereignisse zu weren und daher für die Forschung unbedeutend.
Übersetzungen
Immer wieder wurde versucht, den mittelhochdeutschen Text in ein gleichwertiges Neuhochdeutsch zu übertragen, was sich jedoch als schwierig erwies. Im Laufe der Zeit entstanden somit verschiedene Übersetzungen mit unterschiedlicher Ausrichtung: Die einen versuchen, den Text möglichst genau zu übersetzen, andere durch freiere Übersetzung gute Lesbarkeit zu erzeugen, während wiederum auch versucht wurde, bei manchen Übersetzungen Versmaß und Reimschema des Originals beizubehalten. Die bis heute wohl bekannteste Übertragung ist die von Karl Simrock.
Übersetzungen liegen vor von:
Übersetzer | Jahr | Beschreibung | Übersetzung der Anfangsstrophe |
---|---|---|---|
Karl Simrock | 1827 | Die Übersetzung versucht, dem Aufbau sowie der Wortgewalt des Originals treu zu bleiben. Bereits vom Nibelungendichter bewußt eingesetzte antiquierte Wörter werden beibehalten. Wörter, welche im Neuhochdeutschen längst eine andere Bedeutung haben, etwa das mittelhochdeutsche juncvrouwe wurden beibehalten, um dem Original treu zu bleiben, was jedoch den heutigen Leser ohne sprachgeschichtliches bzw. etymologisches Vorwissen zu falschen Annahmen führen kann. | Viel Wunderdinge melden die Mären alter Zeit Von preiswerten Helden von großer Kühnheit, Von Freud ' und Festlichkeiten von Weinen und von Klagen, Von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen. |
Gustav Pfizer | 1842 | ... | ... |
Helmut Brackert | ... | Prosaübersetzung, Form des Originals wird nicht beibehalten. Die Übersetzung ist bemüht, den Inhalt des Originals möglichst nahe wiederzugeben. | In alten Geschichten wird uns vieles Wunderbare berichtet: von ruhmreichen Helden, von hartem Streit, von glücklichen Tagen und Festen, von Schmerz und Klage, vom Kampf tapferer Recken: Davon könnt auch Ihr jetzt Wunderbares berichten hören. |
Helmut de Boor | ... | ... | Viel Wundersames melden uns Mären alter Zeit Von preiswerten Helden, Von Kampfesmüh und -leid, Von frohen Festeszeiten, von Weinen und von Klagen Von kühner Recken Streiten könnt ihr hier Wunder hören sagen. |
Felix Genzmer | ... | ... | ... |
Siegfried Grosse | ... | ... | ... |
Bearbeitungen
1755 machte J. H. Obereit auf das Nibelungenlied aufmerksam. In der Folge wurde es von Johann Jakob Bodmer (1757) und – erstmals vollständig – von C. H. Myller (1782) veröffentlicht.
Dramen
Dramatische Bearbeitungen des Stoffes finden sich bei Hans Sachs (Tragedia, 1557), Friedrich Baron de la Motte Fouqué (Der Held des Nordens, 1808-1810), Richard Wagner (Der Ring des Nibelungen, 1853), Emanuel Geibel (Brunhild, 1857) sowie bei Friedrich Hebbel (Die Nibelungen, 1861).
Jugendbücher
Vor allem als Jugendbuch fand das Nibelungenlied in nacherzählter Form weite Verbreitung, jedoch wurden dort meist Elemente der Saga miteinbezogen, so etwa die Jugend Siegfried, welche im Nibelungenlied nicht behandelt wurde. Ebenso wird der Drachenkampf meist geschildert, obwohl dieser im Nibelungenlied lediglich nur in einer Bemerkung Hagens erwähnt wird.
Verfilmung
Die erste Verfilmung des Nibelungenliedes stellt der 1924 von Fritz Lang produzierte Stummfilm „Die Nibelungen“ dar. Eine zweite Verfilmung erfolgte mit dem gleichnamigen Zweiteiler von 1967. 2004 erfolgte mit „Der Ring der Nibelungen“ eine weitere Produktion, welche jedoch weniger mit dem Nibelungenlied an sich zu tun hatte, da man noch vieles aus der Sage einbaute sowie ein völlig neues Ende für die Handlung schrieb.
Literatur
- Carl Rümpler:„Der Nibelunge Liet: Vollständigste Ausgabe nach dem durch Dr. Holtzmann als wirklich ältesten nachgewiesenen Texte des Frhrn. v. Lassberg unter Berücksichtigung der übrigen bis jetzt bekannten Lesarten, namentlich der Wallersteiner Handschrift“ (1855) (PDF-Datei)
- Franz Joseph Mone: „Einleitung in das Nibelungen-Lied: zum Schul und Selbstgebrauch“ (Berlin, 1821) (PDF-Datei)
- Friedrich Zarncke: Das Nibelungenlied (PDF-Datei, 17MB)
- Joseph Maria Christoph Freiherr von Lassberg: „Die Klage sammt Sigenot und Eggenliet“, 1839 (PDF-Datei)
- Ottmar Friedrich Heinrich Schönhuth: Der Nibelungen Lied nach dem Abdruck der ältesten und reichsten Handschrift des Freiherrn Joseph von Lassberg (1834); PDF-Datei
- Emil Engelmann: Das Nibelungenlied für Das Deutsche Haus (1885); (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Adolf Bachmeister: Das Nibelungenlied für die Jugend bearbeitet (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Friedrich Heinrich von der Hagen:
- „Nordische Heldenromane“ (PDF-Dateien):
- Albrecht von Kemenaten: Heldenbuch: Altdeutsche Heldenlieder aus dem Sagenkreise Dietrichs von Bern und der Nibelungen (PDF-Datei)
- Auguste Lechner: „Die Nibelungen - Parzival - Dietrich von Bern“
- Wolfgang Golther: „Das Nibelungenlied“ (1923) (PDF-Datei)
- Gotthard Oswald Marbach: „Das Nibelungenlied: Nebst einführender Abhandlung“, Leipzig 1866 (Datei)
- Fredrik Sander: „Das Nibelungenlied; Siegfried der Schlangentöter und Hagen von Tronje. Eine mythologische und historische Untersuchung“, 1895 (Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Julius Dieffenbacher: Deutsches Leben im 12. Jahrhundert, kulturhistorische Erläuterungen zum Nibelungenlied und zur Kudrun (1899) (PDF-Datei)
- Friedrich Ranke: Der Dichter des Nibelungenliedes, in: Willy Andreas / Wilhelm von Scholz (Hg.): Die Großen Deutschen. Neue Deutsche Biographie. Propyläen Verlag, Berlin, 4 Bde. 1935–1937, 1 Ergänzungsbd. 1943; Erster Band, S. 168–181