Wilde Jagd

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Johann Wilhelm Cordes: „Die Wilde Jagd“ – Skizze zum Gemälde 1856/57

Die Wilde Jagd (anord. Odensjakt) oder das Wilde Heer (auch: Wütendes Heer) bezeichnet das Umherstreifen der Verstorbenen, die „vor der Zeit“ verstorben sind, also vor dem Ende des normalen Lebensalters.

Erläuterung

Ursprünglich ist die Wilde Jagd sowohl mit der Ahnenverehrung, als auch mit der Fruchtbarkeit verbunden. Vergleiche hierzu auch die Rauhnächte, auch die Zwölften genannt, die zwischen dem 21. Dezember, der Wintersonnenwende und dem 2./3. Januar liegen (vgl. auch Julzeit).

Führer der Wilden Jagd ist in der Regel Wodan (nordger. Odin), lokal (im Harz) auch Helljäger oder wilder Jäger genannt. Im Alpenraum tritt Perchta an seine Stelle, zuweilen auch Berchthold (wohl eine Zusammensetzung aus Percht und Holda) und im Norden auch Holla oder Frau Holle. Es kommen auch Wodan und Holla gemeinsam in der Wilden Jagd, als Führer der Seelen der Verstorbenen, vor. Mythos und Brauch sind über ganz Deutschland, die Alpenländer sowie in ganz Skandinavien verbreitet und besitzen zahlreiche lokale Ausprägungen.

Die weitverbreiteten Sagen vom „wilden“ oder „wütenden“ Heer gehen auf ein reales Umzugsbrauchtum zurück, auf „Läufe“, die zu bestimmten Zeiten des Jahres, vor allem in den bereits genannten zwölf Rauhnächten, von Angehörigen von Männerbünden durchgeführt wurden, die, maskiert oder mit geschwärzten Gesichtern, das Heer der wiederkehrenden Toten darstellten.[1] Überlieferte Berichte über das Erscheinen des „Wilden Heeres“ bzw. der „Wilden Jagd“ gibt es vom frühen Mittelalter an; sie sind meist von Geistlichen, später von – oft bedeutenden – Gelehrten (wie Klaus Magnus oder Melanchthon) geschrieben worden. Hierbei ist eigentümlich und auffallend, daß alle Berichterstatter das Geschehene zwar als durchaus reale Erscheinung beschreiben, dabei aber fest davon überzeugt sind, daß es sich um einen Zug von Verstorbenen, Geistern, Gespenstern oder Dämonen handle. Wie in Urzeiten nahmen sowohl die Zuschauer als auch die „Laufenden“ selbst die im Umzug vollzogene „Verwandlung“ durchaus ernst.[2]

Mythos

Die Wilde Jagd berührt sich aufs engste mit der Walhallvorstellung. Für eine Entwicklung der Wallhallvorstellung aus der Wilden Jagd und ihrer Ursprünglichkeit sprechen einige Gründe: Die Entwicklung der Walkürenvorstellung von schauringen Leichendämonen (Hermann) zu „eleganten Bediensteten des Kriegerparadieses“ (Simek) oder auch die die Einherjervorstellungen, die eine gewisse Fragwürdigkeit im logischen Konzept der Endzeitvorstellungen der Ragnarök hinterlassen.

Inhalt des Mythos

Nach Otto Höfler[3] stellt die Wilde Jagd einen Kernmythos des germanischen Heidentums dar. Er unterscheidet zwischen der „Wilden Jagd“ und dem „Wilden Heer“.

Das Wilde Heer

Für die Unterscheidung sprechen verschiedene „handfeste“ Brauchtümer sowie spirituelle Bezugspunkte die sich über viele Jahrhunderte bewahrt haben. Das „Wilde Heer“ stellen Menschen in Verkleidung dar, zumeist junge Männer die zu den Rauhnächten und dann zum beginnenden Frühling in wilden Umzügen in Masken und Verkleidungen die Leute erschrecken und allerlei Unsinn anstellen. In den Perchtenumzügen hat sich der Brauch im süddeutschen Raum, hierbei vor allem in Österreich und der Schweiz in gewisser Weise erhalten. Dort ist der Brauch allerdings durch die christlichen Umbildungen zu einer „bösen Percht“ zum Teil dämonisiert und entspricht nicht mehr ganz dem heidnischen Original wie es aus volkskundlichen Quellen herauszulesen ist. Vom Anfang des 20. jahrhundert stammt der folgende Bericht:

„Im weltabgeschiedenen Lötschental verkleiden sich noch heute die Burschen, die älter als zwanzig Jahre sind, am Sonntag vor Fastnacht mit Pelzen, Schellengürteln und Holzmasken und stürmen, während Weiber, Kinder und die jüngeren Burschen sich um ein Uhr mittags in die Häuser einsperren, unter lautem Gebrüll durch die Straßen. Ihre Wildheit wird von den Gewährsmännern als etwas ‚Grauenerregendes‘ geschildert. Man gibt ihnen Fleisch und Sahne.“[4]

Das Wüten gegen Mensch und Tier, die Verfolgung, das Kratzen und Hämmern an die Tür und die gleichzeitige Mahnung, in der Zeit, wenn die Wilde Jagd umherzieht (in den Zwölften), nicht aus dem Haus, in den Wald zu gehen oder zu reisen, Fenster und Türen zu verriegeln, ist ein häufiger Zug in den Sagen. Der Bericht über das Lötschental deutet wieder auf die Zeit der Fasnacht. Dem stellt Höfler einige Parallelen zur Seite die von Werwölfen handeln, aber in Wirklichkeit in Felle verkleidete Menschen sind, die sich durch emphatische Trance in die Tiere „verwandelten“.

„Der Maskentragende ist mit dem Dämon oder dem Tiere, das er darstellt, vollkommen identisch. Er selbst ist davon restlos überzeugt, er ist geradezu ‚besessen’ und auch die Zuschauer glauben restlos an die Einheit des Darstellers und des Dargestellten.“[5]
„Wie Vuk Stephanovic erzählt, sind besonders im Winter zur Weihnachtszeit die vlkodlaci (Werwölfe) häufig zu sehen“ (!)‚ und in der russischen und rusinischen Weihnachtsfeier spielen Vermummungen in Wölfe durch umgehängte Wilcuren (d. i. Wolfspelze) und ein Herumrennen in denselben durch die Gassen eine Hauptrolle." [6]

Ähnliche Verwandlungsszenarien kennt man auch bei Skythen und Hellenen.

Bereits Jacob Grimm hat die Sagen vom Wilden Heer mit den Angaben Tacitus über die Harier in Zusammenhang gebracht. Der Zug der Seelen, das Toben des Heeres im Brauchtum und die alte Angabe des römischen Schreibers verschmelzen bei Höfler zu einem Kontext, den schon Ninck und de Vries wohlwollend aufgriffen. Der Ursprung des Brauchtums orientiert sich an der Erscheinung der Wilden Jagd. Doch die in dem Zusammenhang genannten, zu Werwölfen verwandelten Menschen deuten darüber hinaus auf eine kultische Form archaischer Bünde, die sich ursprünglich aus einem Initiationsritual für junge Krieger spies.

Der Warner

Der Warner, der dem Zug des wilden Heeres vorausgeht, ist meist namenlos, manchmal nennt er sich Eckhard. So wird in Schwaben wiederholt berichtet, daß dem Zug einer vorausschreitet, der ruft: „Äussern Weg, aussem Weg / Dass Niemand beschödigt werd“, oder „Äussern Weg! / Dass Niemand was g‘scheh!“ Diese Tradition wird auf sehr alte Zeit zurückgehen, denn schon bei Ordericus steht, wie oben angegeben, dass der Keulenträger beim Priester bleibt, bis der Zug eingetroffen ist, und ihm kein Leid zufügt. Bei den Brüdern Grimm ist die Sage „Frau Holla und der treue Eckart“ aufgezeichnet.

Die Wilde Jagd

Die Wilde Jagd ist gegenüber dem Wilden Heer das religiöse Äquivalent als der Umzug der Verstorbenen. Mit in der Jagd ziehen gefallene Krieger und ungetaufte Kinder, sowie „alle Ekstatiker, deren Seelen ausschweiften und nicht mehr in den Körper zurückkehrten“. Es sind Getötete oder „die lieben Seelen die durch Unfall, Krieg oder durch schlimme Nachrichten vor Schreck umkamen‚ vor ihrem gesetzten Ziel.“[7] Sie ziehen zusammen mit Holle oder Woden in der besagten Julzeit zwischen der Wintersonnenwende und ausgehendem Winter durch die Luft.

Das Erscheinungsbild der Wilden Jagd ist gewöhnlich, daß sie wild umherstürmt und einen ungeheuren Lärm macht: Pferde wiehern, Hunde bellen, Glocken schellen und es ist ein großes Geschrei. Die Zimmernsche Chronik schildert den Heerzug folgendermaßen (ein fränkischer Adliger von Seckendorf wird desselben am frühen Morgen gewahr):

„Wie er (der Seckendorfer) einen kleinen Weg ins Holz ritt, hörte er ein wunderbarliches Geschrei, Getöse, Klingeln und Jammern mit einem großen Gepolter, als ob alle Bäume im Wald entzwei brächen und umfielen. Dem Seckendorfer war es dabei nicht geheuer, denn er konnte nicht wissen, was das für ein Wesen sei, doch hörte er wohl, dass es sich näherte. Er ritt deshalb auf die Seite und versteckte sich zwischen den Bäumen. Da sah er eine wunderlichen Reiterei vorbeikommen; die einen hatten keinen Kopf, die anderen nur einen Arm, die Rosse etwa nur zwei Füße, oder auch ohne Haupt, viele Fußgänger liefen mit, von denen hatte der eine nur einen Schenkel, ein anderer nur eine Hand, viele waren ohne Kopf oder halb verbrannt, manche hatten auch bloße Schwerter durch den Leib“.

Zu Beginn des Jahres 1091 schildert ein christlicher Priester aus Bonneval in der Normandie die Familia Herlechini, ein Erlebnis, das er dem Ordericus Vitatis anvertraut und der es in seiner Kirchengeschichte niedergelegt hat:

„Der Priester vernahm nachts auf seinem Rückweg von einem Kranken, weit von menschlichen Behausungen entfernt, zunächst ungeheuren Lärm, den er einem menschlichen Heer zuschrieb. Er schwankte, ob er fliehen solle, und versteckte sich unter einigen Bäumen. Es kam ein riesiger Mann, der eine mächtige Keule trug, und zwang den Priester zum Stehenbleiben, und so erwarteten sie beide das vorüberziehende Heer. Erst kam eine gewaltige Schar zu Fuß, die Vieh, Gewänder, allerlei Hausgerät und Gebrauchsgegenstände über den Schultern schleppten, wie es Räuber zu tun pflegen, und die sich gegenseitig zur Eile mahnten. Es folgte eine Menge Krieger, denen sich der Keulenträger plötzlich anschloß. Es wurden etwa 50 Bahren von Trägern getragen, worauf zwerghaft kleine Menschen saßen, mit Köpfen so groß wie Fässer. Es kamen Kleriker und Würdenträger vorbei, die der Priester im Himmel wähnte, und nun nahte ein riesiges Heer von Kriegern, farblos, schwarz, feuersprühend, die saßen voll bewaffnet auf ihren Pferden, als eilten sie in die Schlacht. Der Priester denkt: ‚Ohne Zweifel ist das die Herlekinsschar. Viele haben erzählt, daß sie sie einst sahen. Doch ich verlachte ungläubig die Erzählungen, weil ich keinen Beweis sah.‘ Daraufhin versucht der Priester eines der reiterlosen Pferde mitzunehmen. Er faßt ein schwarzes Tier am Zügel, aber es reißt sich los, ein anderes stößt eine Dampfwolke aus, der Fuß im Steigbügel wird glühend heiß, die Hand am Zügel eiskalt. Da eilen vier Reiter herbei und wollen ihn zur Strafe für den Pferderaub mitnehmen. Doch er wird von seinem Bruder, der auch in dem Zug ist, befreit.“

Das wilde Heer ist häufig beritten. Pferde und Hunde spielen immer wieder eine bedeutende Rolle. Zuweilen – so in der Schweiz – wurde die Wilde Jagd auch als ein Rudel schwarzer Rosse ohne menschlichen Führer vorgestellt. Ein Sagenbericht aus dem Odenwald erzählt, dort „gieng ein schwarzer Hund; der gab laut, und die Leute sagten, dieser sey der wilde Jäger.“ Der griechischen Hekate folgen ebenfalls Hunde und sie selbst wird in eine Hündin verwandelt vorgestellt. Der Hund löst mit der Zeit den Wolf ab. Nach nordischer Tradition sind zwei Wölfe die Begleiter Wodans (nordger. Odin), doch noch Hans Sachs, der im 16. Jahrhundert das Schembartlaufen überliefert, nennt die Wölfe „Jagdhunde Gottes“.

Einen sehr ähnlicher Bericht ist von Johannes Agricola aus dem Jahr 1592 erhalten (hier in allgemeinverständlicher Sprache überführt):

„Ich habe neben anderen gehört, von dem würdigen Herrn Johan Kennerer, Pfarrherr zu Mansfeld, seines Alters über achtzig Jahr, daß zu Eisleben und im ganzen Land zu Mansfeld das wütend Heere (so haben sie es genannt) vorüber gezogen sei, in jedem Jahr zu Fasnachts Donnerstag. Und die Leute sind zugelaufen und haben darauf gewartet nicht anders, als sollte ein großer mächtiger Kaiser oder König vorüberziehen. Vor dem Haufen ist ein alter Mann hergegangen, mit einem weißen Stabe, der nannte sich selbst den treuen Eckhard. Dieser alte Mann warnte die Leute, aus dem Weg zu gehen, und manche, daß sie nach Hause gehen sollten, weil sie sonst Schaden nehmen könnten. Nach diesem Mann kamen etliche geritten und gegangen und dabei sind Leute gesehen worden, die letztens an den Orten gestorben waren, oder die teils noch lebten. Einer ritt auf einem Pferd mit zwei Füssen, der andere lag auf einem Rad gebunden und das Rad mit ihm umgelaufen. Der dritte hatte einen Schenkel über der Schulter und ist doch schnell gelaufen . Ein anderer hat keinen Kopf gehabt und ähnlich gab es sehr viele. In Franken ist das noch letztens geschehen, und zu Heidelberg am Neckar hat man’s oft im Jahr gesehen, wie man mir berichtet hat.“

Die Schilderungen der Zimmernschen Chronik und die des Ordericus schildern die Jagd als einen „Dämonenzug“ der Verstorbenen, wobei bei letzterem der Zug als eine durch einen christlichen Priester gefärbte Erzählung bereits latent als Strafangelegenheit vorgestellt ist. Der Unterschied zur Erzählung Agricolas liegt zum einen darin, daß er einen menschlichen Umzug schildert, der sich benimmt, als wäre er die Wilde Jagd, außerdem ist hier die Jahreszeit zu Fasching, bei Ordericus zu Beginn des Januars, also in den Zwölften, den Rauhnächten festgemacht. Die zeitliche Gebundenheit zur Weihnachtszeit und zum Fasching wird durchgängig bestätigt, so auch bei Johannes Prätorius, der erklärt „... Am heil. Weyhnachten zeugt die Diana herüm mit ihrem wütenden Kriegsheer.“ An anderer Stelle heißt Diana: Frau Holle.

Der Wilden Jagd als Seelenzug entspricht das Wilde Heer als menschliches Pendant. Der nächtliche Zug der Seelen Verstorbener ist eine wahrgenommene Erscheinung. Doch der Ursprung des Wilden Heeres erklärt sich nicht allein aus imitatorischem Verhalten. Hier zieht Höfler weitere Berichte heran, die sich zeitlich und inhaltlich an die Wilde Jagd angliedern.

Tod und Fruchtbarkeit

Wodans Beziehung zur Wilden Jagd und besonders in Nordwestdeutschland, Dänemark und Südschweden zur Ernte, werden von mehreren Forschern dafür angeführt. Das Opfer eines Grasbüschels für Wodans Pferd, wie das in der schwedischen Landschaft. Während Sitte war, hatte sogar noch im 19. Jahrhundert seinen Sinn nicht verloren: wer das verabsäumte, wurde ja mit einer schlechten Heuernte bestraft.“[8]

Die Beziehung zum Wind und zur Wilden Jagd war vor allem naturmythologischen Deutungen förderlich, die in Göttern und anderen Wesen bestimmte Naturvorgänge personifiziert sahen.

„Der Wind führt den männlichen Blütenstaub befruchtend den weiblichen Blüten zu. Darum gilt der Landstrich im kommenden Sommer als ganz besonders fruchtbar, über den die Wilde Jagd gezogen ist. Wenn das Guetis Heer schön singt, gibt es im Aargau ein fruchtbares Jahr. Der schwäbische Bauer, der nur um Sonnenschein, nicht auch um Wind bittet, bekommt kein Korn. ‘Ohne Wind verscheinet das Korn’ sagt ein Sprichwort, und eine alte Bauernregel lautet ‘Viel Wind, viel Obst.’ Fast in ganz Deutschland ließen die Schnittter bei der Ernte auf dem Acker einen Busch Ähren für Wodan stehen, damit er ihn als Futter für sein Pferd gebrauchte. Erntewod hieß diese letzte Garbe, die Ernte in Bayern bis zum 18. Jahrhundert die Waudlsmähe (Waude - Woude -Wuote); das Opfer für seine Hunde hieß von Passau bis Breslau Waudfutter. Dann traten die Schnitter mit entblößtem Haupte um die blumengeschmückte Wode in einen Kreis und riefen unter dem Schwingen der Hüte und dem weithin schallenden Streichen der Sicheln zu dreien Malen mit überlauter Stimme den Gott im Gebet an. Man bat Wodan, die geringe Gabe gnädig anzunehmen und sie als Futter für sein Roß zu holen; an ihrer Kleinheit und Wertlosigkeit sie nur die heurige schlechte Ernte schuld; würde sie im nächsten Jahre besser ausfallen, so solle er auch reichlicher von ihnen bedacht werden: Wode, hole deinem Roß nun Futter.“[9]

Diese Zeugnisse hat die naturmythologische Schule als Beleg genommen, um in Wodan einen Wind- und Sturmgott zu sehen, dessen Verehrung aus der Fruchtbarkeit erwachsen sein soll. „Ob ein Bauer das Rasen des Orkans für etwas Förderliches hält, das ist mir unbekannt“, schreibt Höfler, und in der Tat dürfte wohl der Wind, doch nicht der Sturm die Fruchtbarkeit begünstigen. Ein überlieferter Spruch aus Ottenhöfen (Mittelbaden) sagt: „Der Wind isch e altes Männle und het e schlappigs Hütle uf.“ [10]

Die Zeugnisse der Wilden Jagd sprechen aber immer vom wüsten Toben der Jagd. Ein Bericht aus der Werragegend erklärt:

„’zeigt sich das wütende Heer recht wild, so gibt es ein gutes Jahr’, und: ‚wo es herzieht, sind besonders fette Streifen in der Saat und Wiese’

Hier ist der Parallelismus mit dem österreichischen Perchtenlauf ganz offenkundig: denn auch die Felder, über die die Perchten laufen, werden am fruchtbarsten, und je wilder die Perchten sind, um so besser ist es für die Ernte. Auch beim verwandten schweizerischen Brauch des Posterlijagens sagen die jungen Leute: ‚wir machen, daß das Gras wächst.’“[11]

Stellen wir hier das Brauchtum an die Seite der Sage. In den Zwölften kommt in Mecklenburg auch Frau Gaur, die hier „Gauden, Waur, Wode“ vertritt, auf einem von Hunden gezogenem Schlitten zu einem Bauern:

„Eines Abends kommt Fru Gaur zu einem Bauer in Spornitz, steigt auf seinen Boden und wirft alle zum Fest gebackenen Brote herunter, welche die Hunde schnell verzehren. Der Bauer steht furchtsam dabei, er wagt es nicht, das Vorhaben der Frau zu hindern. Als die Hunde alles Brot aufgefressen haben, sagt Fru Gaur zu dem Bauer, er solle ihr nun sein größtes Stück Acker zeigen. Der Bauer denkt: ‚Das alte Weib ist nicht klug, was will sie von meinem Acker wissen?’ Weil er sich aber fürchtet und wünscht, sie sobald als möglich los zu werden, führt er sie in den Hof (Garten) und zeigt ihr gerade sein kleinstes Ackerstück. Fru Gaur tobt (!) nun mit ihren Hunden auf diesem Stück und darauf verschwindet sie. Als nun die Erntezeit kommt, da gibt des Bauern Hofstück zehnmal so viel Roggen als sonst. Da ärgert sich der Bauer, denn er weiß nun, daß es Fru Gaur gewesen, und er sie zu dem größten Stück hätte führen müssen.“[12]

Deutlich wird hier das do ut des Motiv („geben und bekommen“) das sich im „Toben über das Feld“ ausdrückt und das die Fruchtbarkeit des Bodens befördert. Wesentliches Motiv des Wilden Heeres ist der Wind, das der Wilden Jagd die magische Wirkung der Toten, die emphatisch verbunden in der wilden Jagd durch das Feld geht.

Dem entspricht wiederum das Brauchtum:

„Wie außerordentlich fest die Vegetationsmagie des Perchtenlaufes in manchen Gegenden auch heute [um 1930] noch verwurzelt ist, geht u.a. daraus hervor, daß man ihn trotz verschiedenster polizeilicher Verbote immer weiter beibehielt, weil die Bauern unter keinen Umständen ihre Ernte aufs Spiel setzen wollten! Ist es doch noch vor einigen wenigen Jahren im Salzburgischen vorgekommen, daß die obrigkeitlich verbotenen Perchten ihren Lauf über die Felder ausführten, dabei verfolgt von Gendarmen, die ihnen quer über die Äcker nachsetzten, um sie einzufangen... Schon durch diese Tatsache, deren Kenntnis ich R. Wolfram, Wien, verdanke, wird die ungebrochene Lebendigkeit des Brauches wohl genügend bezeugt.“[13]

Der Schlüssel zum Verständnis der Verbindung der oben genannten Totenschiffe, der Schiffswagenumzüge und der freudigen Begrüßung liegt darin, so Höfler: „daß die Toten über die Fruchtbarkeit gebieten.“

Der Name des nordischen Totenbereichs und der späteren Totengöttin Hel kommt von „verhehlen“ (verbergen),. Damit hängt auch der Name Frau Holles zusammen der von „verhüllen“ abgeleitet ist. Den gleichen Hintergrund besitzt auch der Name Perchta, den Mogk von pergan (verbergen) ableitet.[14] Das Verhüllende, Verbergende zeichnet die weiblichen Gestalten als Totengöttinnen aus und im wesentlichen entsprechen sich sicher Holle und Perchta; sie weisen nur wenige, lokal bedingte Unterschiede auf. So führt auch Holle die Schar der Huldren an und das sind Naturgeister: das Huldrevolk, identisch mit Landwichten. Die menschlichen Perchten oder Huldren im Umzug sind wiederum die Verwandelten, die Ahnenseelen und Naturgeister darstellen. Bei der Figur des Kobolds (der „Kobe“, d. h. der, der dem Haus, der Hütte „hold“ ist liegt die vielleicht älteste Verbindung zwischen Ahnen- und Naturgeistern.

Birger Pering vermutet zum Kobold in seinem Werk „Heimdall“, daß die Verschmelzung von Ahn- und Hausgeist sich mehr auf das Land bezieht, auf dem das Haus steht, als auf das Haus selbst. Diese Landgeister sind aber wiederum auf engste mit der Fruchtbarkeit und dem Gedeih des Hofes und der Menschen verbunden.

Sagen

Siehe auch

Literatur

  • Jacob Grimm: Deutsche Mythologie; Göttingen 1835, insb. Kap. XXIV
  • Otto Höfler: Kultische Geheimbünde der Germanen, Frankfurt 1934
  • Kris Kershaw: Odin der einäugige Gott und die indogermanischen Männerbünde; insb. Kap. 3
  • GardenStone: Göttin Holle
  • Arno Martin: Die Nacht der Hullefrauen - Der Wilde Lauf ins Neue Jahr, Dresden 1999, ISBN:3-934291-00-7
  • Lily Weiser: Altgermanische Jünglingsweihen und Männerbünde. Bühl 1927
  • Plischke, Hans: Die Sagen vom wilden Heere im deutschen Volke. Eilenburg 1914 (Dissertation)
  • Ninck, Martin: Wodan und germanischer Schicksalsglaube. Darmstadt 1967
  • Paul Hermmann, Deutsche Mythologie
  • Christian Brüning Herdfeuer Nr. 16: Die Wilde Jagd, ISSN:1611-4604

Verweise

Fußnoten

  1. Vgl. hierzu: Otto Höfler: Kultische Geheimbünde der Germanen. Frankfurt a. M.1934
  2. Britta Verhagen: Die uralten Götter Europas. S. 103, Grabert-Verlag, Tübingen 1999, ISBN 3-87847-168-8
  3. Durch seine Annäherung an den Nationalsozialismus und seine Mitarbeit in der der SS angegliederten Forschungsinstitution „Ahnenerbe“ wurde Höfler nach dem Zweiten Weltkrieg durch das von den alliierten Besatzern installierte BRD-System geächtet. Doch schon Martin Ninck, der 1935 ebenfalls wichtige Beiträge zum Thema bereitgestellt hat, sprach sich positiv über die Forschungen Höflers aus, gleichfalls die Koryphäe der altgermanischen Religionswissenschaft Jan de Vries 1957, so daß Kris Kershaw 2007 schreibt: „...daß es unmöglich ist, weiterhin Höflers Funde zu verwerfen. Die gesamte Forschung hat sie nicht nur bestätigt, sondern dieselben Phänomene im ganzen indogermanischen Raum nachgewiesen, wo auch immer Informationen über Kulte und Mythen überliefert sind.
  4. Höfler S. 25
  5. Lily Weiser S. 21
  6. Höfler S. 27-30
  7. Ninck. S. 77f.
  8. deVries I S.76
  9. Paul Hermmann: Deutsche Mythologie, S.245
  10. Meyer: Bad. Volksl. S. 368; in HdA 9, S. 634
  11. Höfler S. 287
  12. Paul Herrmann S. 245
  13. Höfler S. 288
  14. Eugen Mogk, in HdA 6, S. 1479 f.