Präventivkrieg
Ein Präventivkrieg (spätlateinisch praeventio = das Zuvorkommen) ist ein Verteidigungskrieg, mit welchem die betreffende Gegenseite beabsichtigt, der real existierenden Gefahr eines zeitnah bevorstehenden Angriffskrieges eines Aggressors vorzubeugen. Wenngleich er in strategischer Hinsicht einem Angriffskrieg ähneln kann, ist der Präventivkrieg in seinem Wesen ein Akt der Notwehr. Völkerrechtlich ist eine solche Notwehrmaßnahme durch den Briand-Kellogg-Pakt gedeckt, da sie eine Verteidigung bedeutet.
Selbst wenn Präventivkriege durch umfangreiche historische Quellen belegbar sind, behauptet die feindliche schwarze Propaganda regelmäßig unter Verweis auf (für den unbedarften Leser nicht ohne weiteres als solche erkennbare) wissenschaftlich unzuverlässige Quellen, es hätte sich in Wirklichkeit um aggressiven Angriffskriege gehandelt. Freilich werden in solch einem Falle die wissenschaftlich fundierten Quellen, die den Präventivkrieg belegen, vom Feinde möglichst unter Verschluß gehalten.
Ein bekanntes Beispiel für einen Präventivkrieg ist der Einmarsch Friedrichs des Großen in Sachsen 1756, der Auslöser für den Siebenjährigen Krieg war. Friedrich fand in Dresden ausreichend Belege für die gegen ihn geschmiedete Koalition. Das Gegenstück zum Präventivkrieg stellt der Angriffskrieg dar, der zumeist einen ideologischen oder imperialistischen Hintergrund besitzt.
Inhaltsverzeichnis
Erster Weltkrieg
Die Siegermächte des Krieges waren sich bewußt, daß am Anfang lediglich eine diplomatische Auseinandersetzung zwischen Österreich-Ungarn und Serbien hinsichtlich der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand stand und Rußland mit der Mobilmachung vom 31. Juli 1914 zuerst militärisch eingriff. Die Nachkriegszeit ab 1918 bewies dann erneut die Gültigkeit des Spruchs Der Sieger schreibt die Geschichte – und setzt das Recht.
Die Internationalisierung des Rechts, hier die Definition des Angreifers, wurde vorangetrieben in den Artikeln 16 der Satzung des Völkerbundes und 2 des Locarnovertrages, der Resolution des Völkerbundes vom 24. September 1927 und dem Briand-Kellogg-Pakt vom 27. August 1928.[1] Aus dieser Internationalisierung des Kriegsvölkerrechts ergab sich der Versuch einer Ächtung des Krieges als Werkzeug nationaler Politik. Hingegen sollte der Krieg als Mittel internationaler Zwangsvollstreckung weiter gepflegt werden.[2] Gedacht war an einen Angreifer in Vertretung mehrerer Staaten gegen das Böse oder besser noch an eine parlamentarische Kriegführung mehrerer Staaten gegen den Bösen, der schon dadurch auf der falschen Seite stand, weil er isoliert war und damit nicht zur Völkergemeinschaft gehörte.
Von Nachteil für den Bösen war weiter, daß sich das Völkerrecht nicht entsprechend weiterentwickelte und die parlamentarisch, also gemeinschaftlich auftretende Kriegspartei kein Völkerrechtssubjekt in Form eines Staates verkörperte. Auch wenn das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg zur Koalition der Mittelmächte und im Zweiten Weltkrieg zu den Achsenmächten gehörte, konnte dieses Hemmnis gemeinschaftlicher Kriegsführung durch den geschichtsschreibenden Sieger umgangen werden – man definiert den Bösesten unter den Bösen und führt so eine Individualisierung zum Völkerrechtssubjekt herbei. 1919 war es die Alleinschuld Deutschlands am Weltkrieg und 1946 die Jagd auf die Hauptkriegsverbrecher in den vier Besatzungszonen. Internationale Kriegsführung zur Vermeidung nationaler Verantwortung fand nach 2000 Höhepunkte in der Koalition der Willigen im Irakkrieg 2003 oder der EU im Mali 2013.
Zweiter Weltkrieg
Der deutsche Rußlandfeldzug im Zweiten Weltkrieg stellte einen Präventivkrieg im Sinne eines Notwehraktes des deutschen Volkes dar; denn der sowjet-bolschewistische Diktator Stalin hegte unmittelbare Angriffsabsichten gegen Deutschland und Europa. Über diese militärischen Absichten fanden sich ausreichend Belege, die von der Wehrmacht zum Beweis ihrer Selbstverteidigung einer internationalen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden. Hitler selbst begründete den Angriff auf die Sowjetunion unter anderem mit Verweis auf den Aufmarsch ungeheurer russischer Kräfte an der Grenze.[3]
2008 deckte der russische Staatssender Russia Today auf, daß Stalin noch vor Beginn des Polenfeldzuges Frankreich und England das Angebot gemacht hatte, Deutschland mit 1 Million Soldaten anzugreifen. Dies soll auch nicht der erste diesbezügliche Versuch gewesen sein, Stalin habe dies bereits 1934/35 versucht. Siehe dazu auch die Geheimrede Josef Stalins vom 19. August 1939.
Die offizielle Geschichtsschreibung behauptet jedoch nach wie vor, es gebe nicht genügend zuverlässige Indizien für einen Präventivkrieg, weshalb sie hier wiederholt von der Präventivkriegsthese spricht. Demnach sei der Krieg aus rein ideologischen Gründen geführt worden mit dem Ziel, das Gebiet zu erobern, die Bevölkerung zu ermorden bzw. zu versklaven und das Sowjetgebiet bis zum Ural hin zu germanisieren. Die wissenschaftliche Unzuverlässigkeit rasch zusammengeraffter und improvisierter Pseudobelege für diese Sichtweise wird allerdings eher dem kritischen Forscher als dem unbedarften Leser auffallen.
Der dem Krieg gegen die Sowjetunion vorausgegangene Polenfeldzug wird ebenso ausschließlich als imperialistischer Angriffkrieg propagiert, obwohl die Tatsachen dafür sprechen, daß die Notwehrmaßnahme des deutschen Volkes gerechtfertigt war.
Pervertierung des Präventivkriegsbegriffs
Die Vereinigten Staaten haben zur Verschleierung nahezu weltweiter Angriffskriege den Notwehrcharakter eines militärischen Präventivschlages z. B. dadurch pervertiert, daß sie insbesondere den Afghanistan- und den Irakkrieg als angebliche Präventivkriege deklarierten. Die massenmediale Deutung der Umstände der Anschläge am 11. September 2001 waren diesbezüglich wegbereitend. Unterdessen fehlt es an Belegen, wonach Afghanistan oder Irak die ernsthafte Absicht bzw. Potenz gehabt hätten, die USA existentiell zu bedrohen, geschweige denn in diese einzumarschieren. Auch die wiederholten Bekundungen über ein angebliches Vorhandensein bedrohlicher irakischer Massenvernichtungswaffen wurden im nachhinein vielerorts als Propagandalüge der USA zur Rechtfertigung ihrer imperialistischen Kriegsziele enttarnt.
Der Sechstagekrieg wurde mit einem angeblichen Präventivschlag der israelischen Luftstreitkräfte gegen ägyptische Luftwaffenstützpunkte eröffnet, um einem befürchteten Angriff arabischer Staaten zuvorzukommen. Da es für die Absicht bzw. Machbarkeit eines derartigen arabischen Angriffes auf Israel an belastbaren Belegen mangelt, ist der israelische Militärerstschlag mangels ernsthafter Bedrohung nicht Ausgangspunkt eines Präventiv-, sondern eines Angriffskrieges.
Zitate
- „Das Ziel dieses Präventivkrieges könnte nur das sein, daß wir nach seiner glücklichen Beendigung auf eine längere Periode des Friedens hoffen könnten, als wir heutzutage zu hoffen imstande sind.“ — Leo von Caprivi[4]
- „Wenn das Unternehmen Barbarossa nicht als Präventivkrieg eingestuft werden kann, hat der Begriff Präventivkrieg seinen Sinn überhaupt verloren.“ — Stefan Scheil[5]
Siehe auch
Verweise
- Richard Tedor: Stalins geheime Kriegspläne – Warum Hitler in die Sowjetunion einmarschierte
- Martin Lichtmesz: Präventivkrieg im besetzten Gelände, Sezession, 23. Mai 2011
Literatur
- Stefan Scheil: Präventivkrieg Barbarossa. Fragen – Fakten – Antworten. Edition Antaios, Schnellroda 2011, ISBN 9783935063968
- Bernd Schwipper:
- Die Aufklärung der Bedrohung aus dem Osten. Band 1 & 2: Die Prävention durch die Wehrmacht. Druffel & Vowinckel Verlag, 2021, ISBN 978-3806112801 [1120 S.]
- Deutschland im Visier Stalins: Der Weg der Roten Armee in den europäischen Krieg und der Aufmarsch der Wehrmacht 1941 – Eine vergleichende Studie anhand russischer Dokumente, Druffel & Vowinckel Verlag, 2015, ISBN 978-3806112498 [552 S.]
- Viktor Suworow / Dmitrij Chmelnizki: Überfall auf Europa: Plante die Sowjetunion 1941 einen Angriffskrieg? Neun russische Historiker belasten Stalin, Pour le Merite, ISBN 978-3932381539