Deutsches Schutzgebiet Kamerun
Kamerun war von 1884 bis 1919 eine deutsche Kolonie (auch Schutzgebiet) mit dem Verwaltungszentrum Duala. Die Kolonie hatte anfangs eine Fläche von 495.600 km², nach der Angliederung Neukameruns im Jahre 1911 hatte sie eine Fläche von 790.000 km² und war damit etwa 1,3 mal so groß wie das Mutterland.[1] Die deutschen Konzessionsgesellschaften teilten das Land in zwei Konzessionsgebiete, namentlich „Südkamerun“ und „Nordwestkamerun“.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Deutsche Kolonie „Kamerun“
1868 wurde durch die Errichtung von Handelsniederlassungen des Hamburger Handelshauses Woermann an der Mündung des Wouri der deutsche Einfluß auf Kamerun immer stärker. Am 14. Juli 1884 schloß der deutsche Generalkonsul Gustav Nachtigal als Kaiserlicher Kommissar mit mehreren Anführern (Headmen) der Duala und anderen regionalen Herrschern Schutzverträge ab und proklamierte damit die sogenannte deutsche „Schutzherrschaft“ über Kamerun als Deutsche Kolonie. Die faktische Inbesitznahme des Hinterlandes und die vor allem kooperative Integration der dortigen Gesellschaften vollzog sich allerdings erst in den folgenden 30 Jahren und war bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch nicht endgültig abgeschlossen.
Die ersten größeren Expeditionen in das Binnenland unternahmen in den Jahren 1888 bis 1891 die Offiziere Richard Kund, Hans Tappenbeck und Curt Morgen im Hinterland der Batangaküste und der Forscher Eugen Zintgraff im Grasland Westkameruns, wo er die Station Baliburg gründete. Kund und Tappenbeck gründeten 1889 die Forschungsstation Jeundo, als deren Bezeichnung sich bereits kurze Zeit später „Jaunde“ einprägte und aus der die heutige Landeshauptstadt hervorgegangen ist. Sie bildete bis zum Ersten Weltkrieg das Rückgrat der deutschen Herrschaft in Zentral- und Südostkamerun.
Im Jahr 1911 erfolgte im Marokko-Kongo-Abkommen auf Kosten der französischen Kolonien in Zentralafrika eine bedeutende Vergrößerung der Kolonie (Neukamerun). Die hierdurch angeschlossenen Territorien gingen allerdings durch den Versailler Vertrag wieder verloren.
Im Ersten Weltkrieg konnte sich die zahlenmäßig und materiell stark unterlegene Schutztruppe nur zwei Jahre in Kamerun halten. 1916 ergab sich die letzte Garnison in Mora (Nordkamerun) der britischen Kolonialarmee.
Dennoch gilt die Verteidigung Kameruns gegen die eindringenden südafrikanischen, britischen, französischen und belgischen Truppen durch die Schutztruppe unter Major Zimmermann als militärhistorisches Beispiel einer hinhaltenden Verteidigung gegen überlegene Kräfte (ca. 19.000 Soldaten und ca. 30.000 Träger), wobei aber Zerstörungen in der Kolonie möglichst vermieden wurden.
Flaggenhissung
Die offizielle Inbesitznahme des Gebietes wurde durch eine Flaggenhissung der kaiserlichen Kriegsflagge am 21. Juli 1884 besiegelt. Gezeigt wurde ebenfalls die National- und Handelsflagge, die auch von privater Seite verwendet werden konnte. Die Kriegsflagge sowie die Nationalflagge waren die in den Anfangsjahren ausschließlich verwendeten Flaggen, die das Deutsche Kaiserreich repräsentieren sollten.
Schutztruppe
1898
- 1 Kommandeur
- 6 Offiziere
- 2 Ärzte
- 16 Unteroffiziere
- 311 farbige „Reichsneger“
- Den deutschen Militärpersonen unterstehende Polizeitruppen befanden sich in den einzelnen Stationen.
1912
Die Schutztruppe für Kamerun wurde in 12 Kompanien und ein Artilleriedetachement untergliedert:
- 2 Stabsoffiziere
- 16 Hauptleute
- 44 Oberleutnante und Leutnante
- 17 Sanitätsoffiziere
- 2 Zahlmeister
- 10 Unterzahlmeister
- 3 Oberfeuerwerker und Feuerwerker
- 8 Büchsenmacher
- 70 Unteroffiziere
- 28 Sanitätsunteroffiziere
- 1.550 farbige Soldaten
Erster Weltkrieg
Die aufgestockte deutsche Schutztruppe in Stärke von 900 Weißen und 14.000 schwarzen Soldaten und Trägern trat im Januar 1916 den Marsch nach der benachbarten spanischen Rio-Muni-Kolonie an, wo sie am 14. Februar entwaffnet und unter spanischen Schutz gestellt wurde. Der Truppe folgten 40.000 Eingeborene. Als die Kameruner Schutztruppe Mitte Februar 1916 während des Ersten Weltkrieges in die Internierung ging, bestand sie noch aus 550 deutschen Angehörigen sowie ca. 6.000 treuen Negersoldaten und 12.000 Familienangehörigen.
Die Deutschen, die nicht nach Spanien übergeführt wurden, sondern vorher in französische Gefangenschaft geraten waren, wurden zusammen mit den Togo-Deutschen in das berüchtigte Lager von Dahomey gebracht. Im Norden hielt sich noch westlich des Logoneflusses auf der Station Mora die 3. Kompanie unter Hauptmann von Raben. Am 18. Februar 1916 ergaben sich die Deutschen, da ihnen die Munition ausgegangen war.
Im März 1916 kam es zum Abschluß eines Geheimvertrages zwischen Frankreich und Großbritannien über die Teilung Kameruns. Nach diesem wurde bereits während des Ersten Weltkrieges Kamerun in ein kleineres, an Nigerien grenzendes englisches und in ein weit größeres französisches Verwaltungsgebiet aufgeteilt. Diese Teilung wurde auch nach Unterstellung Kameruns unter Mandatsverwaltung beibehalten, jedoch wurde Neukamerun dem französischen Kolonialreich unmittelbar einverleibt.
Verlust der Kolonie
Durch den Versailler Vertrag von 1919 ging Kamerun offiziell in den Besitz des Völkerbundes über, der wiederum ein Mandat zur Verwaltung an die Briten und Franzosen gab. Daraufhin wurde Kamerun in ein Britisch-Kamerun und ein Französisch-Kamerun aufgeteilt.
Weitere Entwicklung
- 1960: Französisch-Kamerun wird unabhängig
- 1961: Zusammen mit Britisch-Kamerun wird die „Bundesrepublik Kamerun“ gegründet
- 1972 Umwandlung in die „Vereinigte Republik Kamerun“
Liste der Gouverneure
Die Leitung der Verwaltung lag bei einem Gouverneur und war, im Gegensatz zu den Kolonien Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika, stets in den Händen von Zivilbeamten. Erster Leiter der Zentralverwaltung vor Ort war der interimistische Kaiserliche Kommissar Max Buchner vom 14. Juli 1884 bis 17. Mai 1885. Die Reihe der Gouverneure war folgende:
- Julius Freiherr von Soden (26. Mai 1885 bis 14. Februar 1891)
- Eugen von Zimmerer (15. April 1891 bis 13. August 1895)
- Jesko von Puttkamer (13. August 1895 bis 9. Mai 1907)
- Theodor Seitz (9. Mai 1907 bis 27. August 1910)
- Otto Gleim (28. August 1910 bis 29. Januar 1912)
- Karl Ebermaier (29. Januar 1912 bis 1916/19)
Karl Ebermaier trat während des Ersten Weltkrieges im Februar 1916 mit dem größten Teil der Schutztruppe auf neutrales spanisches Gebiet (Rio Muni) über und führte in Madrid bis 1919 eine Interniertenverwaltung. In den Planungen der nationalsozialistischen Kolonialpolitik war Bernhard Ruberg als Gouverneur Kameruns vorgesehen. Der Verlauf des Zweiten Weltkrieges verhinderte jedoch seinen Amtsantritt.
Bekannte Personen (Auswahl)
- Hermann Detzner
- Philipp Engelhardt
- Ernst von Raben
- Hermann Schaefer
- Franz von Stephani
- Karl Zimmermann (1864)
- Eugen Zintgraff
Siehe auch
Literatur
- Deutsche Kolonien – Viel besser als ihr Ruf, Compact Geschichte Nr. 18 (erschienen 2023), Vorstellung und Bezugsnachweis
- Claus Nordbruch: Deutsche Kolonialleistungen gegen die Kolonialschuldlüge, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig – Richtigstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 1, Grabert Verlag, Tübingen 2006, S. 101–113
- Bruce Gilley:[2] Verteidigung des deutschen Kolonialismus, Edition Sonderwege bei Manuscriptum, 2021, darin ein Kapitel zu Kamerun (S. 77–89)
- August Seidel: Deutsch-Kamerun – wie es ist und was es verspricht, historisch, geographisch, politisch, wirtschaftlich, Verlag von Hermann J. Meidinger (1906)
- Hermann Detzner: Kamerun-Boundary - Die nigerische Grenze von Kamerun zwischen Yola und dem Croß-Fluß, in: „Mitteilungen aus den Deutschen Schutzgebieten“, Heft 4, 1913, S. 317–338
- Hans Surén: Kampf um Kamerun – Garua, Scherl, Berlin 1934
- Heinrich Schnee:
- Die koloniale Schuldlüge, Knorr & Hirth, München 1924 (HTML-Version)
- Die deutschen Kolonien vor, in und nach dem Kriege, Quelle und Meyer, Leipzig 1935
- Ewald Banse: Unsere großen Afrikaner. Das Leben deutscher Entdecker und Kolonialpioniere, Spenersche Verlagsbuchhandlung 1943
- Walther Hubatsch: Die Schutzgebiete des Deutschen Reiches 1884-1920: Auszug aus Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945, Bd. 22: Bundes- u. Reichsbehörden. Marburg/Lahn: J.-G.-Herder-Inst., 1984