Fahnenweihe
Eine Fahnenweihe (Weihe aus dem althochdeutschen „wîhen“ = heiligen) ist die Einweihung (früher Einsegnung) einer Truppenfahne eines neu entstandenen Bataillons, vorwiegend eines Regimentes.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Die Fahnenweihe als Tradition des Kriegswesens geht zumeist mit der feierlichen Fahnennagelung (früher vorwiegend der Befestigung der Fahne an der Fahnenstange mit kleinen Nägeln durch hochgestellte, somit geehrte Persönlichkeiten, z. T. auch das Markieren der Fahne mit einem Stocknagel[1]) einher. Die Weihe findet auch zu besonderen Gelegenheiten statt, nachdem sich ein Truppenteil im Gefecht bewährt hat und das Feldzeichen somit gesondert geehrt werden soll.
Ursprung
Die Fahnenweihe, deren Geschichte auf die Banner- oder Fahnenweihen der Feld- oder Lehenszeichen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zurückgeht, ist ebenfalls die zumeist priesterliche Segnung der Fahnen von Bürgerwehren und Vereinen, insbesondere Schützenvereinen.
Deutschland
In Deutschland fanden z. B. Fahnenweihungen und -nagelungen der Preußischen Armee u. a. vor dem Berliner Schloß, im Lustgarten des Potsdamer Schlosses oder in der „Ruhmeshalle der brandenburgisch-preußischen Armee“ im Berliner Zeughaus, zuweilen auch in der Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam statt.
Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 (am 16. Juli 1871 erhielten alle am Feldzug beteiligten Einheiten das Eiserne Kreuz in die Spitze ihrer Fahnen verliehen) wurde hierzu gerne der Sedantag als Weihetag bestimmt. Bei der Fahnenweihe werden ggf. auch die ersten Fahnenbänder übergeben und an der Fahne befestigt.
Befreiungskriege
Die Fahnenweihe in Paris, u. a. mit dem Eisernen Kreuz an der Spitze für die siegreichen Schlachtenteilnahmen gegen Napoleon, wenige Wochen nach der Besetzung der französischen Hauptstadt infolge des Sommerfeldzuges von 1815, ist für das Deutsche Volk von großer und vorbildhafter Bedeutung.
Fahnenweihe 1894
Die „Neueste Mittheilungen“ aus Berlin (verantwortlicher Herausgeber: Karl Homann) berichtete in der Freitagsausgabe am 19. Oktober 1894 zur Fahnenweihe:
- „Ein Markstein in der Geschichte der Entwicklung des deutschen Heeres sind die Festtage, die in Berlin soeben gefeiert worden sind. Galt es doch, den neu formierten Truppenteilen Feldzeichen zu verleihen, die bestimmt sind, in die Reihe der alten Fahnen zu treten, die in mancher Schlacht zu Preußens und Deutschlands Ehre geweht haben. Die Fahne ist das Heiligtum des Soldaten, sie vertritt ihm die Person seines höchsten Kriegsherrn, auf sie schwört er diesem Treue, ihr folgt er in den Kampf, für sie geht er in den Tod. So ist denn, entsprechend der hohen Bedeutung der Fahne eine Fahnenweihe auch stets als ein feierliches Ereignis begangen worden, und die jetzige Feier ruft die Erinnerung zurück an die große Fahnenweihe der Armee, die am 3. September 1815 in Feindesland auf dem Marsfelde bei Paris stattfand, und an jene andere, die König Wilhelm im Jahre 1861 nach Durchführung der großen Armeereorganisation in Berlin an derselben Stelle vornehmen ließ, wo auch diesmal die Feier stattfand, dort wo Friedrich der Große in Erz gegossen herabblickt.
- Der eigentlichen Fahnenweihe ging am 17. Oktober 1894 die Feierlichkeit der Fahnennagelung voraus. Außer dem Kaiserpaar nahm hieran eine große Zahl deutscher Fürsten und Generale teil sowie von jedem Truppenteil, dem eine neue Fahne verliehen werden sollte, der Kommandeur, ein Leutnant und ein Unteroffizier. Die Feier wurde in der Ruhmeshalle vorgenommen. Kurz vor zehn Uhr erschien die Kaiserin, ihr folgten außer den drei ältesten kaiserlichen Prinzen, die bereits dem Armeeverbande angehören, auch der vierte der kaiserlichen Söhne, Prinz August Wilhelm. Punkt zehn Uhr erschien, von brausendem ‚Hurrah‘ der versammelten Menschenmassen begrüßt, der Kaiser in offenem Wagen, in Begleitung des Prinzen Heinrich. In dem Kuppelsaale und den angrenzenden Feldherrnhallen, jenen Räumen, die zum Ruhme Preußens und Deutschlands und seiner Herrscher und Helden mit herrlichen Wandgemälden und Büsten geschmückt sind, lagen auf 132 mit purpurnen Samtdecken bedeckten Tischen – für jede Fahne ein Tisch – die neuen Feldzeichen, und zwar so, daß zwischen den einzelnen Tischen etwas Raum blieb Die Fahnen waren armeekorpsweise in sich nach der Nummer geordnet, und jede Fahnenstange wurde am unteren Ende von einem Leutnant des betreffenden Regiments gehalten, dem ein Unteroffizier zur Seite stand. Die Kommandeure der Regimenter und Truppenverbände standen bei den zu ihrem Befehlsbereich gehörigen Fahnen. Jeder Regimentskommandeur hatte für seine Fahne einen Hammer erhalten. Der Kaiser schlug bei jeder Fahne, zunächst bei der des 4. Bataillons des 1. Garderegiments z. F., den ersten Nagel ein, den zweiten die Kaiserin, danach der Kronprinz, und die anderen Fürstlichkeiten. Bei den Fahnen, deren Landesherr anwesend war, schlug dieser unmittelbar nach dem Kaiser die Nägel für sich und die Mitglieder seines Hauses ein. Es folgten dann die übrigen militärischen Gäste nach ihrem Range.
- Am folgenden Tage, dem 18 Oktober, versammelte sich schon früh am Morgen Unter den Linden und am Opernplatz eine große Menschenmenge, die geduldig harrte. Vor dem Denkmal Friedrich des Großen war ein Altar aufgerichtet, neben dem zwei Geschütze und Trommelpyramiden aufgestellt waren. Dann rückten die Truppen der Berliner Garnison im Paradeanzug an. Es war genau 10 Uhr, als der Kaiser das Schloß verließ und die Truppen vor ihrem allerhöchsten Kriegsherrn das Gewehr präsentierten. Vor dem Zeughaus stand die Leibkompagnie des 1. Garderegiments zu Fuß mit den Fahnen, die die Weihe erhalten sollten. Der Kaiser ritt die Front der aufgestellten Truppen ab, begrüßte dann die Fürstlichkeiten und grüßte auch nach der Rampe des Palais Kaiser Wilhelms I. hinauf, von wo aus die Kaiserin mit König Alexander von Serbien, der als Gast des Kaiserpaares in der deutschen Hauptstadt weilte, der Feier zusahen. Sie wurde durch einen Choral eingeleitet, sodann ergriff Militäroberpfarrer D. Frommel das Wort. Er wies auf die Bedeutung des Tages hin, betonte, daß die Siege Preußens und Deutschlands durch Gottes Gnade erfochten seien, erinnerte an den alten Wahlspruch ‚Gott mit uns‘ und wandte sich dann an die Soldaten mit der Aufforderung, Gott, dem Kaiser und Reich von Neuem den Treuschwur zu leisten. ‚Mächte der Gottlosigkeit und Zuchtlosigkeit – so sagte der Redner unter Andern – haben sich aufgemacht, an die Wurzel des Baumes unseres Volkes die Axt zu legen, und nicht bloß unserem deutschen Volke, sondern der ganzen Menschheit den Krieg erklärt. Soll Gott nicht wider uns sein in äußeren und inneren Kämpfen, und uns nicht wieder preisgeben in erneuter Schmach und Schande, dann mache dich auf, deutsches und preußisches Volk und Heer, zu deinem alten Gott und Herrn, und zu deinem alten Heiland, dessen Kreuz auf deinen Fahnen leuchtet!‘ Er schloß mit dem Wunsch, daß die neuen Feldzeichen der alten würdig werden möchten.
- Dann erdröhnten vom Lustgarten her 32 Salutschüsse, die neuen Fahnen senkten sich, und unter dem Donner der Geschütze sprach der Geistliche das Weihegebet über sie. Dann erklang noch einmal feierliche Musik. Nachdem hierauf die Geschütze verstummt und die Präsentiermärsche der Truppen verklungen waren, übergab der Kaiser die Fahnen an die Kommandeure der Regimenter mit einer Ansprache, worin er des Geburtstages des Kaisers Friedrich, der letzten großen Fahnenweihe vom Jahre 1861 [Anm.: Anläßlich des erneuten Heeresreform in Preußen], der ruhmreichen Tage von 1870/71 gedachte und die Kommandeure aufforderte, ‚unter den neuen Feldzeichen die ruhmvolle Tradition fortzupflanzen, mit Hingabe bis zum Tode in unbedingtem Gehorsam zum Kriegsherrn gegen äußere und innere Feinde. Möge der Segen des Allerhöchsten, der das Heer bisher behütet, die Blicke des Heimgegangenen auf dem Thron und den neuen Feldzeichen immerdar schützend ruhen lassen! Mit Gott für König und Vaterland!‘
- Sodann präsentierten sämtliche Truppen das Gewehr als erstes Honneurs [Anm.: Ehrerweisung] für die neuen Fahnen, und General-Feldmarschall von Blumenthal ritt zum Kaiser und dankte ihm im Namen der Armee. Dann brachte General von Hahnke ein dreifaches Hurrah für den Kaiser aus, das brausend und vieltausendstimmig erschallte, während die Musikkorps die Nationalhymne spielten. Die Truppen ordneten sich darauf zum Parademarsch vor dem Kaiser, der vor den neuen Fahnen Aufstellung nahm. Die Parade verlief in glänzender Weise, und darauf wurden die Fahnen wieder abgebracht. Bei allen Teilnehmern hinterließ die großartige und erhebende Feier einen tiefen Eindruck.“
Fahnenverbleib
Die prachtvollen Truppenfahnen der Alten Armee (1806 bis 1914) bzw. des Kaiserlichen Heeres (bis 1918) mit ihren Ehrenzeichen können heute im Wehrgeschichtlichen Museum Rastatt besichtigt werden.