Holtzendorff, Franz von

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Prof. Dr. jur. Dr. h. c. mult Franz von Holtzendorff um 1860; der enge Freund Rudolf Virchows war Mitbegründer des Deutschen Juristentages und ein enzyklopädischer Geist auf fast allen Gebieten der Rechtswissenschaft. Seine Bedeutung als Strafrechtslehrer überstieg die als Staats- und Völkerrechtslehrer. Im Brennpunkt seiner rechtspolitischen Bestrebungen stand die Erneuerung des Strafrechts und des Strafverfahrens und hier vornehmlich des Strafvollzuges; insbesondere des Gefängniswesens, wobei ihn sein sicherer Blick für organisatorische Fragen und für die Bedürfnisse der Praxis wie der Theorie besonders befähigten. Er half bei der Gründung und Unterhaltung der Berliner Volksküchen, des Volksbildungsvereins und des Lettevereins zur Förderung der Erwerbsfähigkeit und der höheren Bildung des weiblichen Geschlechts.

Joachim Wilhelm Franz Philipp von Holtzendorff (auch Franz II. von Holtzendorff-Vietmannsdorf; Lebensrune.png 14. Oktober 1829 in Vietmannsdorf bei Templin in der Uckermark; Todesrune.png 4. Februar 1889 in München) war ein deutscher Jurist, Kriminalist, Sozialpolitiker, Strafrechtler und Hochschullehrer sowie Autor, Herausgeber und Übersetzer,[1] ein Meister des Stils im Deutschen, ebenso auch im Französischen, Englischen und Italienischen.

Von Holtzendorff galt als Gelehrter auf den Gebieten des Straf-, Staats- und Völkerrechts, des Strafvollzugs und des Gefängniswesens, Vorkämpfer für eine bessere Rechtsstellung der Frauen im Erwerbs- und öffentlichen Leben, Förderer der mannigfachsten Wohltätigkeitseinrichtungen und Vertreter tieferer Volksbildung namentlich im Dienste der Rechtspflege des modernen Staates.

Leben

Franz von Holtzendorff. Abbildung aus der Zeitschrift Die Gartenlaube (1875).jpg
Franz von Holtzendorff II.jpg

Franz von Holtzendorff, Sohn des Politikers, Publizisten und Rittergutsbesitzer[2] Franz von Holtzendorff auf Vietmannsdorf und Gollin (1804–1871; historisch auch als Franz I. von Holtzendorff geführt) und dessen Gemahlin Charlotte, geb. Häsecke/Häseke (1797–1870) aus Wriezen, wurde auf dem damals der altadeligen Familie der Holtzendorffs der Mark Brandenburg gehörenden Gute Vietmannsdorf in der Uckermark geboren. Er studierte Jurisprudenz an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität Bonn und der Universität Heidelberg. In Bonn war der Korporierte seit 1850 Mitglied des Corps Hansea.[3] 1852 promovierte er dann in Berlin. Nach dem Studium widmete er sich der Gerichtspraxis, bis er sich 1857 an der Friedrich-Wilhelms-Universität habilitierte und Privatdozent wurde. In Berlin erhielt er 1861 eine außerordentliche Professor. 1872 nahm er einen Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität München auf eine ordentliche Professur an.

Wirken als Reformer

Seine Bemühungen als Professor des Strafrechts, Völkerrechts und allgemeinen Staatsrechts waren vornehmlich auf die Reform des Gefängnis- und Strafwesens gerichtet. Dazu machte er ausgedehnte Studienreisen durch ganz Europa.

Jahrhundertfeier der Universität Bologna

Als Delegierter der Universität München wohnte er der achten Jahrhundertfeier der Universität Bologna im Juni 1888, im Dreikaiserjahr bei und feierte er in Bologna in seinem Festlied „Nord und Süd“ die Verbindung Italiens und Deutschlands in den Worten:[4]

Durch Fels und Meer hat sich gefunden,
Was ehemals verfeindet schien.
Wir kennen uns, wir sind verbunden,
Der Rheinstrom grüßt den Apennin.
In brüderlichem Hochgefühl
Sehn wir gemeinsam uns beschieden
Das gleiche Reckt, das gleiche Ziel:
Die heil'ge Freiheit und den Frieden.

Tod

Prof. Dr. jur. Dr. h. c. mult Franz von Holtzendorff verstarb 1889 in München, an der Stätte seines langjährigen Wirkens und wurde, wie er sich das gewünscht hatte, in Großkochberg (früher auch Groß-Kochberg) in Thüringen beigesetzt und ruht an der Seite seiner Mutter, die hier am 2. Dezember 1870 verstorben war.

„Nun ruht er aus von den Kämpfen des Lebens im Herzen Deutschlands, in thüringischer Erde, in Groß-Kochberg, zur Seite der Mutter, die in langem Leben sich eines solchen Sohnes zu freuen wahrlich Anlaß hatte! Und es wird die strenge Richterin alles Menschenwerkes, die Geschichte, den Namen ‚Franz von Holtzendorff‘ auch einer kommenden Generation in die helleren Tage eines von Haß und Aberglauben mehr, als jetzt der Fall, befreiten Menschenthums als leuchtendes Vorbild bewahren.“[5]

Vietmannsdorf

Nach dem Tod Franz (I.) von Holtzendorff im Jahre 1871, der als letzter Holtzendorffscher Gutsbesitzer in Vietmannsdorf seine letzte Ruhe fand, bot sein Sohn der Gemeinde die Stiftung einer umfangreichen Bibliothek für die Dorfschule an. Im Gegenzug sollte die Gemeinde die Grabpflege übernehmen. Die Gemeinde stimmte dem zu und benannte den Lehrer Seile als Bibliothekar.

Familie

Prof. Dr. Franz von Holtzendorff heiratete 1857 in Hamburg seine verlobte Pauline Binder (1831–1912), Tochter des regierenden Bürgermeisters von Hamburg (seit 1855) Dr. iur. Nicolaus Binder (1785–1865). Aus der Ehe sind acht Kinder entsprossen, zwei Söhne und sechs Töchter.

Mitgliedschaften[6]

  • Ehrenmitglied des juristisch-staatswirtschaftlichen Doctoren-Kollegiums der Universität Wien
  • Ehrenmitglied des Schriftstellervereins der Universität Wien
  • Ehrenmitglied des Vereins deutscher Strafanstaltsbeamten
  • Ehrenmitglied des Vereins schweizerischer Strafanstaltsbeamten
  • Ehrenmitglied der italienischen Gesellschaft für Strafrechtsreform zu Rom
  • Ehrenmitglied des Vereins für Verbreitung griechischer Sprachstudien in Athen
  • Ehrenmitglied der philologischen Gesellschaft zu Konstantinopel
  • Ehrenmitglied der Massachusetts Historical Society in Boston
  • Ehrenmitglied des Instituto di diritto internazionale zu Mailand
  • Auswärtiges Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Rom
  • Auswärtiges Mitglied der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Brüssel
  • Auswärtiges Mitglied der Gesellschaft für Künste und Wissenschaften zu Utrecht
  • Auswärtiges Mitglied der medizinisch-psychologischen Gesellschaft in Berlin
  • Korrespondierendes Mitglied der Academie des sciences Morales et politiques zu Paris
  • Korrespondierendes Mitglied des Reale Istituto lombardo di scienze e lettere zu Mailand
  • Korrespondierendes Mitglied der rechtswissenschaftlichen Akademie zu Madrid
  • Korrespondierendes Mitglied der englischen National Association for the promotion of Social Science
  • Korrespondierendes Mitglied der VS-amerikanischen American Social Science Association
  • Korrespondierendes Mitglied der Howard Association in London
  • Korrespondierendes Mitglied der National Indian Association in London
  • Korrespondierendes Mitglied der Association de législation comparée zu Paris
  • Korrespondierendes Mitglied der Société générale des prisons zu Paris
  • Korrespondierendes Mitglied der New York Prison Association[7]
  • Mitglied und zeitweilig Präsident des völkerrechtlichen Institutes
  • Vizepräsident des ständigen Ausschusses des internationalen Gefängniskongresses

Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)

„Handbuch des Gefängnisswesens“ (zwei Bände), herausgegeben von Prof. Dr. Franz von Holtzendorff und Dr. Friedrich Max Ludwig Eugen von Jagemann[8]

Werke (Auswahl)

  • Die Deportationsstrafe im römischen Altertum. Hinsichtlich ihrer Entstehung und rechtsgeschichtlichen Entwicklung dargestellt. Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1859
  • Die Deportation als Strafmittel. in alter und neuer Zeit und die Verbrechercolonien der Engländer und Franzosen in ihrer geschichtlichen Entwickelung und criminalpolitischen Bedeutung. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1859
  • Das irische Gefängnisssystem.[9] insbesondere die Zwischenanstalten vor der Entlassung der Sträflinge. Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1859, S. 1–141
  • Französische Rechtszustände. insbesondere die Resultate der Strafgerechtspflege in Frankreich und Zwangscolonisation von Cayenne, 2 Vorträge. Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1859
  • Die Kürzungsfähigkeit der Freiheitsstrafen und die bedingte Freilassung der Sträflinge. in ihrem Verhältnis zum Strafmasse und zu den Strafzwecken. Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1862
  • Der Brüderorden des Rauhen Hauses uns sein Wirken in den Strafanstalten. Verlag von A. Charisius Lüderitz'sche Buchhandlung, Berlin 1862
  • Kritische Untersuchungen über die Grundsätze und Ergebnisse des irischen Strafvollzugs. C. G. Lüderitz'sche Verlagsbuchhandlung A. Charisius, Berlin 1865
  • Die Reform der Staatsanwaltschaft in Deutschland. J. Guttentag, Berlin 1864
  • Die Umgestaltung der Staatsanwaltschaft vom Standpunkt unabhängiger Strafjustiz (Berlin 1865)
  • Die Verbesserungen in der gesellschaftlichen und wirthschaftlichen Stellung der Frauen. C. G. Lüderitz'sche Verlagsbuchhandlung A. Charisius, Berlin 1867
  • Die Prinzipien der Politik. C. G. Lüderitz'sche Verlagsbuchhandlung A. Charisius, Berlin 1869
  • Die britischen Colonien. In: Rudolf Virchow, Franz von Holtzendorff (Hrsg.): Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge. 5. Heft 119. C. G. Lüderitz'sche Buchhandlung Carl Habel, Berlin 1871
  • Eroberungen und Eroberungsrecht. C[arl] G[ottfried] Lüderitz'sche Buchhandlung Carl Habel, Berlin 1871
  • Das deutsche Reich und die Constituirung der christlichen Religionsparteien auf der Herbstversammlung 1871. Ein Vortrag. Robert Oppenheim, Berlin 1872
  • Das Verbrechen des Mordes und die Todesstrafe. Criminalpolitische und psychologische Untersuchungen. C. G. Lüderitz'sche Buchhandlung Carl Habel, Berlin 1875[10]
  • Der Priester-Cölibat. C. G. Lüderitz'sche Buchhandlung Carl Habel, Berlin 1875
  • Ein englischer Landsquire Cotta, Stuttgart 1877
  • Wesen und Werth der Öffentlichen Meinung. Festgabe zum Doctorjubiläum d. J. C. Bluntschli. 1. Auflage. M. Rieger'sche Universitätsbuchhandlung Gustav Himmer, München 1879
  • Wesen und Werth der Öffentlichen Meinung. 2. Auflage. M. Rieger'sche Universitätsbuchhandlung Gustav Himmer, München 1880
  • Die Auslieferung der Verbrecher und das Asylrecht, 1881
  • Die Idee des ewigen Völkerfriedens. Habel, Berlin 1882

Herausgeber

Von 1861 bis 1873 gab von Holtzendorff die Allgemeine deutsche Strafrechtszeitung, seit 1866 mit Rudolf Virchow die Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, seit 1871 das Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege des Deutschen Reichs, seit 1872 mit Wilhelm Oncken die Zeit und Streitfragen heraus.

Seit 1870 gab er die Encyklopädie der Rechtswissenschaft heraus, die umfangreichste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtswissenschaft seiner Zeit, 1885 dann das Standardwerk „des Völkerrechts – Auf Grundlage europäischer Staatspraxis“.

Fußnoten

  1. Bekannt ist vor allem das von ihm ins Deutsche übertragene „Lehrbuch der römischen Rechtsgeschichte“, aber auch John Miltons Abhandlung „The doctrine and discipline of divorce“ (Ueber Lehre und Wesen der Ehescheidung, Berlin 1855), ferner Macaulays Essay über Samuel Johnson (biographische Skizze, Berlin 1857).
  2. Im Jahre 1857 wurde das Gut von Franz von Holtzendorff an Felix Freiherr von Stein-Kochberg veräußert. Er war der Ehemann von Anna Katharina von Holtzendorff, diese war die Tochter Franz I. von Holtzendorff und die Schwester Franz II. von Holtzendorff.
  3. Kösener Corpslisten 1930, 13, 14
  4. Vgl. Alexander Tille: „Aus den Ehrentagen der Universität Bologna“, Leipzig 1888, S. 51
  5. Albert Teichmann: Holtzendorff, Franz von, Allgemeine Deutsche Biographie
  6. Vgl.: Amtliches Verzeichnis des Personals der Lehrer, Beamten und Studierenden an der königlich bayerischen Ludwig-Maximilians-Universität zu München, 1885, Seite 10
  7. Die Prison Association of New York wurde 1844 gegründet.
  8. Von Jagemann war promovierter Jurist, Kämmerer, Ministerialrat im badischen Justizministerium, Wirklicher Geheimer Rat und Honorarprofessor sowie Gesandter von Baden am preußischen Hof und stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat. Als Anhänger der Einzelhaft förderte er im gesamten Vollzugssystem Badens den Bau von Einzelzellen, legte aber der Aus- und Fortbildung der Vollzugsbeamten noch größere Bedeutung bei und richtete z. B. Lehrkurse ein. Er richtete das Zuchthaus Bruchsal nach dem „pennsylvanischen System“ (Vereinzelung) ein.
  9. Gefängnis wurde früher (offiziell bis 1901) Gefängniss oder Gefängniß geschrieben.
  10. Im Jahre 1875 beschäftigte sich von Holtzendorff mit der Frage, ob die Unterscheidung zwischen „Mord“ und „Totschlag“ im deutschen Recht angemessen ist. Dabei diskutiert er die verschiedenen Motivationen und Arten von Tötungsdelikten, etwa politische Morde oder Morde aus religiösem Fanatismus, aber erörtert auch kritisch die Todesstrafe.