Frontbuchhandlung
Frontbuchhandlung war eine Einrichtung im Zweiten Weltkrieg, die von Oktober 1939 bis 1945 Bücher an den deutschen Soldaten und deutsche Übersetzungen an Einheimische verkaufte. Sie wurde in Gemeinschaftsarbeit durch den Börsenverein, die DAF, das OKW, RMVP und die Reichsschrifttumskammer getragen.
Inhaltsverzeichnis
Einrichtung
Wie sehr dem Soldaten das Buch als geistiges Erlebnis Bedürfnis war, zeigte der Umsatz des Frontbuchhandels: bei dieser funktionierenden Organisation wurden einige Millionen Bände an die deutschen Soldaten verkauft. Einige Millionen Bände: das heißt, Riesenbibliotheken wie die Preußische Staatsbibliothek in Berlin wären vollkommen ausverkauft. So groß war der Lesehunger der Feldgrauen. Wie aber brachte man die Bücher an die Soldaten heran? Hier standen grundsätzlich zwei Wege offen:
- Die motorisierte Frontbuchhandlung, die in Form großer, geländegängiger Wagen die Front abfuhr.
- Eine stationäre Buchhandlung, die ortsfest den Buchhandel für die Soldaten nach Art des Sortiments betrieb.
Idee
Der Gedanke der Frontbuchhandlung bestand schon im Ersten Weltkrieg. Zu der Zeit versuchten schon Verleger wie Hillhger und Georg Stielke, Bücher an die Front zu bringen. Völlig der Privatinitiative überlassen, mußte die Versorgung aus „Kriegsbücherwagen“ freilich viele Mängel aufweisen; erst 1916 wurde diese Art des Buchhandels auf die Bedürfnisse der einzelnen Armeen abgestimmt. Im Zweiten Weltkrieg sollte dieses Durcheinander von vornherein vermieden werden. Schon nach Abschluß des Polenfeldzuges wurde die Idee des Frontbuchhandels von Wilhelm Baur, dem Leiter des deutschen Buchhandels und Vizepräsidenten der Reichsschrifttumskammer[1], aufgenommen, die Vorfragen im Zusammenwirken mit dem Oberkommando der Wehrmacht und den zuständigen Stellen des Reichspropagandaministeriums geklärt und schließlich der Leiter des Verlages der Deutschen Arbeitsfront, Hesse, mit der Durchführung dieser Aufgabe betraut.
Die motorisierte Buchhandlung
Im September 1939 wurde der Auftrag erteilt[2] und noch am 23. Dezember des gleichen Jahres rollte die erste Frontbuchhandlung zum Westwall, wo sie mit lautem Jubel empfangen wurde. Als motorisierte Frontbuchhandlung dienten 12 große Omnibusse mit Anhängern, die Dr. Robert Ley für Gebirgsfahrten hatte bauen lassen. Diese Wagen wurden im Inneren völlig umgestaltet. Aus dem Motorwagen wurde eine richtige Buchhandlung; an den Wänden standen in Regalen wohlgeordnet in langen Reihen, gegen Erschütterungen geschützt, die Bücher. Die Soldaten kamen und stöberten die Regale durch, bis sie das gefunden haben, was ihren Neigungen entsprach. Bevorzugt wurde von ihnen die gute Unterhaltungsliteratur, Kitsch und Schund waren von vornherein ausgeschlossen. Aber auch schwere Kost wurde bisweilen verlangt, wenn auch philosophische Abhandlungen als Lesestoff nicht gerade am begehrtesten waren. Der Buchhändler konnte so ziemlich jeden Wunsch befriedigen. Vom Atlas bis zum knappen, einbändigen Lexikon hin, vom Wörterbuch bis zu Goethes „Faust“ und zur Moderne war alles in den Regalen vertreten. Der Anhänger diente dem reisenden Buchhändler und dem Fahrer als Wohn- und Schlafstätte. Zwei klappbare Betten, Waschbecken mit fließendem Wasser, ein kleiner mit Kohle geheizter Ofen, nichts fehlte in diesem Anhänger, ein wahres Wunder der Raumausnutzung darstellendes Gefährt, um das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Die motorisierten Frontbuchhandlungen versorgten zunächst den Westwall, die Marine und die Feldflugplätze und Luftgaukommandos. Als im Westen der Sturm losbrach, gingen die rollenden Buchhandlungen mit über die Grenze. Sie fuhren tief nach Holland, Belgien und Frankreich hinein, immer hinter der kämpfenden Truppen her und stießen bis an den Atlantik und bis an die Pyrenäen vor. Überall waren sie gleich willkommen. Der Soldat schätzte das Buch als guten Kameraden auch im fremden Land. Es brachte ihm Spannung, Belehrung, Erholung und Erschütterung, alles das, was die deutsche Seele brauchte, um leben zu können. Auch bis in den hohen Norden hinauf, bis nach Narvik hin und darüber hinaus, wurden die Soldaten mit Lektüre versorgt. Sogar in Nordafrika, in der Cyrenaika wurde eine rollende Buchhandlung eingesetzt, die die Schätze deutschen Geistes auch durch die Wüste zu den Söhnen der Heimat trüg.
Überall, wo deutsche Männer mit der Waffe in der Hand das Vaterland verteidigten, traf nach kurzer Zeit die Frontbuchhandlung ein. Aber auch die Polizei- und SS-Truppen und die Organisation Todt wurde betreut und mit geistiger Kost in dem gewünschten Maße versorgt.
Die stationäre Buchhandlung
Neben den motorisierten Frontbuchhandlungen haben sich auch die stationären Frontbuchhandlungen, die fest an einem Orte saßen, bewährt. Auf sie hatte sich sogar das Schwergewicht im Frontbuchhandel verlagert. Die erste dieser Frontbuchhandlungen entstand in Brüssel, die zweite in Paris in der beschlagnahmten englischen Buchhandlung von „Smith & Son“ in der Rue de Rivoli an der Place de la Concorde; als dritte folgte Antwerpen. Von diesen Zentralen aus breitete sich ein ganzes Netz von Buchhandlungen über das besetzte Gebiet aus. In Frankreich zählte man ca. 40 und in Belgien ca. 16 stationäre Frontbuchhandlungen. In Paris und Brüssel waren zugleich große Auslieferungslager eingerichtet, die die motorisierten und stationären Buchhandlungen immer wieder neu mit Büchern speisten. Im Osten wurde in Warschau ein Auslieferungslager eingerichtet, im Norden erfüllte Riga diese Aufgabe, im Südteil der Front war Lemberg dafür ausersehen. Die südlichste Frontbuchhandlung befand sich in Catania auf Sizilien. So kämpfte an allen Fronten nicht nur der deutsche Soldat, sondern auch das deutsche Buch den deutschen Kampf mit. Es gab dem Kämpfer Kraft, wies ihm Ziel und Richtung des Kampfes und band ihn immer neu an den ewigen Quell deutschen Geisteslebens.
Literatur
- Hans-Eugen Bühler: Der Frontbuchhandel 1939–1945 – Organisationen, Kompetenzen, Verlage, Bücher. 2002
- Franz Hinze: Frontbuchhandlung Paris – Erinnerung eines Beteiligten. 1999
- Günther Stöve: Besuch in einer Frontbuchhandlung. In: Bücherkunde. Heft 7. 1941. S. 204f.