Köpp, Gabriele

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Gabi Köpp als junges, unschuldiges Mädel – sie ahnte bei dieser Aufnahme noch nicht, welche unbeschreibliche Nachtmahr ihr bevorstand.

Gabriele „Gabi“ Köpp (Lebensrune.png 24. Juni 1929 in Schneidemühl, Posen-Westpreußen; Todesrune.png 6. August 2010 in Berlin) war eine promovierte und habilitierte deutsche Professorin und Autorin. Nach der Vertreibung aus ihrer angestammten westpreußischen Heimat durch die einfallenden Truppen Stalins landete sie in Hamburg, wo sie später Physik studierte. Seit 1966 war sie am Lehrstuhl für Theoretische Physik der Technischen Hochschule Aachen als Dozentin tätig, wo sie von 1986 bis 1994 eine außerplanmäßige Professur innehatte, die sie bis 1999 als Emerita ehrenamtlich fortführte.

Die Flucht

Im Januar 1945 überrollte die Rote Armee in einer militärischen Offensive Ostdeutschland und zwang die deutsche Zivilbevölkerung zur Flucht aus ihrer Heimat. Als Gabi Köpp mit ihrer Schwester Juliane aus ihrem Heimatort Schneidemühl in der damaligen Grenzmark Posen-Westpreußen fliehen mußte, war sie fünfzehn Jahre alt. Ihr Ziel: Berlin. Dort würden die beiden Mädchen mit ihrer Mutter zusammentreffen. Doch die Flucht verlief ganz anders als geplant.

Freiwild für bolschewistische Soldateska

Der Zug, der die Schwestern von Westpreußen in den Westen bringen sollte, geriet unter feindlichen Beschuß. Juliane überlebte den Angriff nicht, Gabi rettete sich in ein Gehöft, wo sich bereits Flüchtlinge vor den Feinden verstecken. Ein Alptraum begann für das blonde Kind. Zusammengepfercht auf engstem Raum, waren die Vertriebenen der barbarischen Allmacht der russischen Soldaten ausgeliefert. Diese plünderten, randalierten und töteten – in blinder Wut und Rausch. Gabi wurde ihre jugendliche Schönheit zum Verhängnis.

„In der Küche und dann auf dem Hof wimmelt es von Russen. Als sie den Grobian mit seiner Beute sehen, reagieren sie voll Schadenfreude. Der bugsiert mich zu seiner Scheune auf der anderen Hofseite, unserem Haus gegenüber. Schubst und stößt mich grob durchs Scheunentor. ‚Da ist auch noch ein zweiter‘, schrieb ich nach der Flucht. Sonst nichts von dem, was mir geschehen ist, bevor ich zurück in unser Zimmer gekommen bin. Doch vergaß ich nie, mit welch angewidertem Zorn ich mich gegen das gierige Reißen, mit welcher Wut auch gegen das Hineinkrallen in meine Brust wehrte. Und die Gewalt danach ... Zwei Bestien waren es.“

Soldaten der Roten Armee vergewaltigten und schändeten das Mädchen immer wieder auf brutalste, unbegreiflichste Art, ihre Leidensgenossinnen lieferten sie zudem immer wieder freiwillig den betrunkenen und übelriechenden Soldaten aus, um selbst verschont zu werden. Was sie erlebte, was Millionen andere deutsche Frauen erlebten, vertraute Gabi Köpp damals nur ihrem Tagebuch an, ein Ritual, das ihr wenige Stunden am Tag Erlösung brachte. Erschütternde Aufzeichnungen eines Kindes, das nicht aufgeklärt worden war, gerade erst ihre Periode bekommen hatte:

„Dann ein Versuch, den plumpen Körper abzuwehren – ich schaffe es nicht. Wann werden die mich endlich in Ruhe lassen? Ich habe bisher bestimmt alles versucht und meine ganzen Kräfte zusammengenommen; jetzt kann ich einfach nicht mehr. Auch innerlich nicht. Mir ist schon bald alles egal. Wenn doch irgendwie Schluß wäre.“

Sie schrieb in einen hellblauen Taschenkalender einen Brief an ihre Mutter, obwohl sie gar nicht wußte, wo die Mutter war:

Gabi Köpp – geschätzt und verehrt bis zum letzten Tage
„Es ist doch keiner da, der mir beisteht. Wenn Du doch nur da wärest. Ich habe schon immer solche Angst, weil ich mein Unwohlsein nicht habe. Es sind jetzt schon bald 10 Wochen. Du könntest mir sicher helfen. Wenn nur der liebe Gott mir das nicht antun möchte … Ach Mutti, wäre ich doch bloß nicht ohne Dich gefahren.“

Gabi Köpp hatte ihrer Mutter den Brief zeigen wollen, als sie sie endlich im Sommer 1946, nach 15 Monaten Flucht, in Hamburg aufgespürt hatte. Doch die Mutter hatte nicht mehr mit ihr gerechnet, hielt ihr kühl eine Wange für einen Begrüßungskuß hin, mußte innerlich gebrochen ihr eigenes Trauma während der Flucht verarbeiten. Ausdrücklich bat die Mutter sie, über alles zu schweigen, was sie auf der Flucht erlebt habe. Sie könne es ja aufschreiben. Das tat Gabriele Köpp, 16 Jahre alt war sie da. Sieben Jahre lang sollte Gabis Menstruation ausbleiben, „Russen-Krankheit“ nannten einige Gynäkologen dieses weitverbreitete Phänomen und versicherten, das würde auskurieren. Die zerbrochene Seele heilte dagegen nie.

Ein Opfer bricht sein Schweigen

Aus diesen Notizen des unvorstellbaren Entsetzens und Schreckens, die sie später dem Haus der Geschichte in Bonn übergeben hatte, schuf Gabriele Köpp ein ergreifendes, tabubrechendes Buch, das 2010 unter dem Titel „Warum war ich bloß ein Mädchen“ erschien. Sie veröffentlichte unter ihrem kindlichen Rufnamen „Gabi“, denn es war das Mädchen mit seinen Erinnerungen und Tagesbucheinträgen, welches das Buch schrieb, nicht die abgeklärte erwachsene Akademikerin.

Endlich Seelenfrieden

Am 6. August 2010 starb Professor Dr. Gabriele Köpp, ihre letzte Ruhestätte des Friedens fand diese mutige Deutsche in Berlin.

Werke

  • Warum war ich bloß ein Mädchen. Das Trauma einer Flucht 1945, Herbig, 2010, ISBN 978-3776626292
    • mit einem wissenschaftlichen Nachwort der Historikern Dr. Birgit Beck-Heppner, ausgewiesene Expertin zum Thema „Massenvergewaltigung“ und „Völkerrecht“

Siehe auch

Verweise