Vanini, Giulio Cesare
Giulio Cesare Vanini[1] (Julius Cäsar Vanini), eigentlich Lucilio Vanini (geb. 1585 in Taurisano bei Lecce, Apulien; gest. 9. Februar 1619 in Toulouse), war ein italienischer Freidenker, Philosoph und Universalgelehrter. Er vertrat – wie bereits Giordano Bruno – pantheistische Ansichten und wurde daher wie dieser von der „Heiligen Inquisition“ gefoltert und dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Der als Sohn eines Beamten geborene Vanini bildete sich in Rom, Neapel und Padua zum Universalgelehrten, empfing die priesterliche Weihe, bereiste dann Deutschland einschließlich der Niederlande, hielt sich längere Zeit in Genf und Lyon auf, mußte nach England flüchten (1614) und saß dort 49 Tage in Gefangenschaft. Er lebte dann teils in Paris, teils wieder in Lyon, wo er 1615 sein Werk „Amphitheatrum aeternae providentiae“ herausgab, dem 1616 zu Paris die Schrift „De admirandis naturae arcanis“ folgte, die ihm eine Anklage wegen Atheismus eintrug. Er begab sich nach Toulouse (1617), wo er eine Zeitlang Privatunterricht erteilte, aber im November 1618 verhaftet und, nachdem er nach sechsmonatigem Prozeß wegen „Ketzerei“ und „Gotteslästerung“ verurteilt worden war, bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Damit nicht genug, war ihm zuvor aufgrund einer Anordnung Papst Pauls V.[2] die Zunge herausgerissen worden.
Lehre
Der unter anderem von Pietro Pomponazzi und Andrea Cesalpino beeinflußte Vanini lehrte einen naturalistischen Pantheismus. In seiner ersten Schrift bestimmt er Gott als unendliches, ewiges, überzeitliches Sein, das aus sich heraus die Welt geschaffen hat und in ihr tätig ist, indem er alles in allem ist („ens... aeternum esse adeoque Deum esse, necessarium est“). In der zweiten Schrift bezeichnet er die Natur als die Kraft Gottes („potestas Dei“), ja als Gott selbst („natura recte et sensu sano Dea sive divina dicitur“). Die Welt ist ewig, die einheitliche Materie in ihrer Menge ist konstant, da nur ihre Formen wechseln. Die Natur bewegt sich durch ihre eigenen Kräfte, ohne Einwirken von Geistern. Der Mensch ist ein Mikrokosmos. Die Seele ist die Form der lebendigen Substanz und durchdringt („als Spiritus“) den ganzen Körper.
In seinen Schriften warf Vanini zudem die Frage auf, warum (der jüdisch-christliche) (Schöpfer-)Gott nicht nur der Urheber aller guten, sondern auch aller bösen Handlungen sei bzw. wie sich ein „allmächtiger und allgütiger“ Gott mit dem überall in der Welt existierenden Leid vereinbaren ließe (→ Theodizee, christliche Postulierung der „Gerechtigkeit Gottes“ oder „Rechtfertigung Gottes“). Vanini beantwortete sie mit der für die jüdisch-monotheistischen Religionen und deren Anhänger unweigerlich „ketzerischen“ Feststellung, daß ein Schöpfergott der Urheber und somit auch der Verantwortliche des Bösen ist:
- „Wenn Gott nicht wollte, daß die schlimmsten und nichtswürdigsten Handlungen in der Welt ihr Wesen hätten, so würde er ohne Zweifel mit einem Winke alle Schandthaten aus den Grenzen der Welt verjagen und verbannen; denn wer von uns kann dem göttlichen Willen Widerstand leisten? Wie kann man annehmen, daß die Verbrechen gegen Gottes Willen vollbracht würden, wenn er doch bei der Vollbringung der Sünde den Verbrechern die Kräfte dazu verleiht? Wenn aber der Mensch sich vergeht, ohne daß Gott es will, so ist Gott schwächer als der Mensch, der sich widersetzt und dazu die Macht hat. Hieraus schließt man, daß Gott die Welt so haben will, wie sie ist, denn wenn er eine bessere wollte, so würde er eine bessere haben. [...] Wenn Gott die Sünden will, so ist er es, der sie begeht; wenn er sie nicht will, so werden sie dennoch begangen. Folglich muß man von ihm sagen, daß er entweder nicht vorsehend, oder ohnmächtig, oder grausam ist [...][3]
Zitate zu Vanini
- „Ehe sie den scharfsinnigen und tief denkenden Vanini lebendig verbrannten, haben sie ihm die Zunge ausgerißen; weil er Gott damit gelästert hatte. Ich gestehe, daß wenn ich Dergleichen lese, mich einige Lust anwandelt, diesen Gott zu lästern.“ — Arthur Schopenhauer[4]
Werke
- Iulii Caesaris Vanini: Amphitheatrum aeternae providentiae divino-magicum, christiano-physicum, nec con astrologo-catholicum, adversus veteres philosophos, Atheos, Epicureos, Peripateticos et Stoicos, Lugduni, Apud Viduam Antonii de Harsy, 1615
- Iulii Caesaris Vanini: De admirandis naturae, reginae deaeque mortalium arcanis, libri IV, Lutetiae, Apud Adrianum Perier, 1616
- Luigi Corvaglia, ed.: Le opere di Giulio Cesare Vaninie e le loro fonti, I-II (Mailand), (1933–1934)
- G. C. Vanini: Opere, ed. Giovanni Papuli e Francesco Paolo Raimondi, Galatina, Congedo, 1990
- franz. Übersetzung durch X. Rousselot: Oeuvres philosophiques de Vanini traduites pour la première fois, Paris, Gosselin, 1842
- italienische Übersetzung: Guido Porzio, Le opere di Giulio Cesare Vanini tradotte per la prima volta in italiano con prefazione del traduttore, I-II, Lecce, Bortone, 1912; Francesco Paolo Raimondi – Luigi Crudo, L’Anfiteatro dell’eterna provvidenza, Galatina, Congedo, 1981; Francesco Paolo Raimondi, I meravigliosi segreti della natura, regina e dea dei mortali, Galatina, Congedo, 1990
Literatur
- Wilhelm David Fuhrmann: Leben und Schicksale, Geist, Charakter und Meynungen des Lucilio Vanini. Leipzig 1800
Verweise
- Lucilio Vanini – ein „Ketzer“ und Philosoph aus der Sicht von Arthur Schopenhauer
- „Den Gottverächter schalten sie dich?“ (Gedicht von Friedrich Hölderlin zu Ehren Vaninis)
- Literatur von und über Lucilio Vanini im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek