Kaiser-Wilhelms-Akademie

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Gedenkblatt zur Einweihung des neuen Gebäudes der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen am 10. Juni 1910, u. a. mit Alwin von Coler.

Die Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen (KWA) – vor 1895 Medicinisch-chirurgisches Friedrich-Wilhelms-Institut, vor 1818 Pépinière, von 1934 bis 1945 Militärärztliche Akademie – war von 1895 bis 1919 eine nach Kaiser Wilhelm II. benannte Lehranstalt für angehende Militärärzte der Preußischen Armee und des Deutschen Heeres. Den Sanitätsoffizieranwärtern wurde nicht nur ein umfassendes medizinisches Wissen vermittelt. In den Festsälen und Gesellschaftsräumen erhielten sie zusätzlich gesellschaftlichen Schliff. Sie übten das Tanzen, lernten Billard sowie Bridge spielen, erhielten aber auch Unterricht in Benimmregeln, von den jungen Herren wurden tadellose Tischmanieren und eine tiefsitzende moralische Gesinnung erwartet. Die Studenten nannten sich „Pfeifhähne“, was eine Verballhornung des Wortes Pépinière durch Berliner Gassenjungen war.

Erläuterung

Im Mannschaftspark des Invalidenhauses ließ Kaiser Wilhelm II. am 10. Juni 1905 den Grundstein der kaiserlichen Akademie für das militärärztliche Bildungswesen legen. Beauftragt mit dem Bau waren die Berliner Architekten Cremer & Wolffenstein. Sie mußten sich jedoch bezüglich des Baustils den Vorstellungen des Kaisers fügen. So entstand 1910 ein Prachtbau mit Mansarddach und Sandsteinfassade im friderizianischen Neobarock. Das Gebäude bot 350 Studierenden Platz und ließ keine Wünsche offen. Es verfügte über einen komfortablen Wohnbereich und außerdem über ein Casino, Hörsäle, Lesezimmer, Laboratorien, Gerätesammlungen und eine Bibliothek mit 200.000 medizinischen Fachbüchern.
Gartenseite
Siegelmarke
Nach der Kanonade von Valmy 1792 erkannte der preußische König Friedrich Wilhelm II., dass es um das Können der Wundärzte der Armee nicht zum Besten stand. Um dem abzuhelfen, befahl er, in Berlin eine chirurgische Pépinière, eine „Pflanzstätte“ für Militärärzte, zu errichten. Dort wurde ein volles medizinisches Studium geboten, ergänzt durch militärische Kenntnisse (z. B. Kartenkunde) und Sport. Das Studium war frei und die Studenten hatten Kost und Logis im Institut. Wer privat wohnte, bekam einen Zuschuss. Die Studenten nannten sich „Pfeifhähne“, was eine Verballhornung des Wortes Pépinière durch Berliner Gassenjungen war. Es wurden nur so viele Studenten angenommen wie Militärärzte gebraucht wurden. Der Andrang war groß: Von zehn Bewerbern konnte nur einer genommen werden. Die Ausbildung an der Pépinière dauerte vier Jahre. Für Studenten, die sich verpflichteten, danach für acht Jahre Dienst als Militärchirurgen zu tun (so genannte „Eleven“), erfolgte die Ausbildung auf Staatskosten mit zusätzlichem Sold. Damit gab es erstmals auch für Kinder aus weniger begütertem Hause die Möglichkeit einer chirurgischen Ausbildung. An der Pépinière wurden sämtliche preußischen Militärärzte ausgebildet. Sie wurde 1818 in „Medicinisch-chirurgisches Friedrich-Wilhelm-Institut“ und 1895 in „Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen“ umbenannt. Am 1. Oktober 1934 wurde eine „Militärärztliche Akademie“ im Gebäude der Kaiser-Wilhelms-Akademie wiedereröffnet. Diese unterstand bis zur Verlegung 1944 nach Breslau dem Heeres-Sanitätsinspekteur direkt und gliederte sich in drei Lehrgruppen. In den Lehrgruppen A und B erfolgte die Ausbildung der Sanitätsoffizieranwärter, wobei in der Lehrgruppe A die Ausbildung der Vorkliniker und in der Lehrgruppe B die Ausbildung der Kliniker stattfand. In der Lehrgruppe C waren ab 1938 die medizinischen Forschungsinstitute der Akademie zusammengefasst. Das Gebäude blieb erhalten und wurde nach 1945 Sitz des obersten Gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft der DDR. 1990-1998 fanden im Eichensaal des Gebäudes, dem ehemaligen Fest- und Bankettsaal der Kaiser-Wilhelms-Akademie, Kammerkonzerte des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Berlin und andere Veranstaltungen statt. Seit 1998 beherbergt es das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und ist dessen erster Dienstsitz.[1]

Chronologische Übersicht

  • 2. August 1795: Gründung der „Pépinière“, die in der Stallgasse Ecke Georgenstraße in Alt-Berlin neben einer Kaserne angesiedelt wurde, zur „wissenschaftlich-universitäre Ausbildung von Feldärzten und Chirurgen“. Gründer und erster Leiter war General-Chirurg Johann Friedrich Goercke (1750–1822), Leibarzt Friedrichs des Großen.
    • Durch die „Collegien Medico-Chirurgici“ und durch die zahlreichen Zeitschriften, Handbücher und wissenschaftlichen Abhandlungen, die im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts erschienen sind, ist Kriegsmedizin bzw. „Kriegsarzneywissenschaft“ als wissenschaftliche Disziplin und als „medizin-policeylicher“ Diskurs etabliert worden. Der Siebenjährige Krieg (der einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Medizin darstellte), aber auch der Erste Koalitionskrieg haben Friedrich dem Großen und seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. aufgezeigt, daß, trotz großer akademischer Fortschritte seit dem ersten Quartal des 18. Jahrhunderts und des „Medicinaledicts“ von 1725, welches die Grundlage der zukünftigen Medizineinrichtungen in Preußen bildete,[2] die meisten Soldaten und Zivilisten immer noch an Krankheiten, oder an Verwundungen, die Krankheiten herbeiführten, verstarben. Gewisse Behandlungsmethoden und hygienische Praktiken im Krieg hatten zu positiveren Prognosen geführt. Insgesamt blieben jedoch die „Kriegsarzneykunst“ und das Militärsanitätswesen unverändert und ohne wesentlichen Fortschritt. Die Praktiken der wenigen Wundärzte und Feldchirurgen auf der Wahlstatt waren weitgehend primitiv, unwirksam, trostlos, sogar gefährlich gewesen. Im Grunde bedeutete schwere Verwundung Tod.[3] Die Konvergenz bzw. die Diskrepanz von medizinischer Aufklärung und der ganz offenbar mangelhaften Behandlung von verwundeten Soldaten und Seuchen, der Widerspruch zwischen dem fortschrittlichen Wissensstand und Selbstverständnis der Medizin und einer veralteten und barbarischen Kriegsarzneygelehrtheit führte zur Krise. Dies galt es durch die „Pépinière“ zu ändern.
  • 1797: Ankauf erster Bücher für die Bibliothek
  • 1809: Auflösung des „Collegium medico-chirurgicum“ (Übernahme der Bücherei durch die Pépinière)
    • In den Collegien Medico-Chirurgici in Nürnberg (ab 1592), in der ​Freien und Hansestadt Hamburg​ (ab 1644), aber vor allem in Brandenburg-Preußen (1685 als „Collegium medicum“ gegründet) lehrten auch hochangesehene Persönlichkeiten, die ihren chirurgischen Werdegang über eine nichtakademische Ausbildung genommen hatten. Aus dem preußischen „Collegium medicum“ ging im Jahre 1723/24, unter dem Akademiepräsidenten Jacob Paul von Gundling, das von Friedrich Wilhelm I. gegründete „Collegium medico-chirurgicum“ hervor, welches als Lehrinstitut mit dem „Theatrum anatomicum“ verbunden wurde. Zur chirurgischen Ausbildung sämtlicher Medizinalberufe wurde 1723 ein Anatomieprofessor bestellt. In Preußen standen neben den akademisch ausgebildeten Ärzten und Apothekern die in Zünften organisierten Bader und Barbiere, wie das gesamte Heilpersonal, unter der Aufsicht des Collegium medicum, welches im Jahre 1725 zum „Ober-Collegium medicum“ an der Charité umgestaltet wurde. Am 13. Dezember 1809 wurde das „Collegium medico-chirurgicum“ aufgelöst, selbst wenn 1810 bis zur Aufnahme des Lehrbetriebs an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität noch vereinzelte Lehrveranstaltungen stattfanden.
  • 1811: Gründung einer „Medizinisch-Chirurgischen Akademie für das Militär“
  • 1818: Umbenennung der Pépinière in „Medicinisch-chirurgisches Friedrich-Wilhelms-Institut“
  • 1822–1826: Umbau der Georgischen Sechserhäuser in der Friedrichstraße 140 für das „Medicinisch-chirurgisches Friedrich-Wilhelms-Institut“ unter der Oberbauleitung von August Ludwig Ferdinand Triest[4]
  • 1826: Umzug in die Friedrichstraße
  • 1874: Bau des Lehrgebäudes[5] auf dem Gelände an der Friedrichstraße (später Reichstagufer 17, ungefähr an der Stelle des heutigen Tränenpalastes)
  • 1882: Die Bibliothek erhält ein eigenes Gebäude, ebenfalls auf dem Gelände an der Friedrichstraße
  • 1889: Alwin von Coler wurde Chef der Medizinal-Abteilung im Kriegsministerium und Direktor der militärärztlichen Bildungs-Anstalten der Kaiser-Wilhelm-Akademie; er war maßgeblich für die Schaffung des modernen Militärmedizinalwesens in Deutschland verantwortlich.
  • 1895: Zusammenlegung des „Friedrich-Wilhelm-Instituts“ und der 1811 gegründeten „Medizinisch-Chirurgischen Akademie für das Militär“ zur „Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen“ (KWA)
    • ab 1910 zumeist mit zusätzlichem Bundestrich als „Kaiser-Wilhelms-Akademie“ geschrieben
  • 1905: Otto von Schjerning wurde als Generalstabsarzt Chef des Sanitätskorps und Direktor der Kaiser-Wilhelms-Akademie
  • 1905–1910: Neubau für die Kaiser-Wilhelms-Akademie nach Plänen des Architekturbüros Cremer & Wolffenstein an der Invalidenstraße/Ecke Scharnhorststraße
  • 1919: Auflösung der Kaiser-Wilhelms-Akademie als Auflage des Versailler Vertrages. Kurz danach Sitz des Reichsarbeitsministeriums.
  • 1. Oktober 1934: Wiederbegründung der Militärärztlichen Akademie für die Wehrmacht; Diese unterstand bis zur Verlegung nach Breslau 1944 dem Heeres-Sanitätsinspekteur direkt; die Kommandeure waren:
    • Generalarzt Rudolf Gunderloch (1885–1962), 1. Mai 1934 bis 25. August 1939
    • Generalstabsarzt Richard Hamann (1868–1956), 25. August 1939 bis 1. August 1944
    • Generalstabsarzt Walther Asal (1891–1987), 1. August 1944 bis 1. März 1945
  • 1944: Verlegung der Militärärztlichen Akademie nach Breslau
  • 1945: Schließung der Akademie; nach der Schlacht um Berlin von der Roten Armee als Lazarett genutzt und nach 1949 Sitz des Ministeriums für Gesundheitswesen (bis 1972), des Obersten Gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft der DDR (bis ca. 1970). Der Gebäudeteil in der Scharnhorststraße wurde zum Regierungskrankenhaus der DDR umgebaut.

Triage

Die sogenannte „Triage“ (sprachlich aus dem Französischen; nicht zu verwechseln mit der Kaufmannssprache, in der die Triage die Auslese bzw. den Ausschuß bei Kaffeebohnen beschreibt), die Einteilung der Verwundeten oder Verletzten (im Krieg oder bei einer Katastrophe) im Sanitätswesen nach der Schwere der Verwundungen oder Verletzungen hat seinen Ursprung am Anfang des 16. Jahrhunderts, als der römisch-deutsche Kaiser Maximilian I. (1459–1519) in seiner „Heeres-Sanitäts-Verfassung“ für die Reichs- und Kaiserliche Armee erstmals geordnete Sanitätseinheiten aufstellte, deren Aufgabe unter anderem darin bestand, überlebensfähige Verwundete zu retten und zu versorgen, während die Todgeweihten erst einmal außer acht gelassen wurden sowie in der Militärmedizin der Preußischen Armee Ende des 18. Jahrhunderts, als das „Königlich-Preußischen Feldlazareth-Reglement“ detaillierte Angaben machte, wie Verwundete nach Schweregraden eingeteilt werden sollten. In den Koalitionskriegen erfuhr die Sortierung der vielen Verwundeten eine Erweiterung, die schnellen Klassifikationsmethoden für Amputationen, vor Eintritt des Wundbrandes, erhöhte die Überlebenschancen der Soldaten um ein vielfaches. Die Preußische Armee übernahm 1866 das Prinzip der „Krankenzerstreuung“, dabei wurden die Verwundeten in fünf Stufen eingeteilt, um Ordnung auf überfüllten Verbandsplätzen zu schaffen, später fand es auch bei anderen europäischen Armeen Anwendung.

Bildergalerie

Siehe auch

Literatur

Festschrift 1910
  • Hieronymus Brunschwig: Das Buch der Cirurgia Hantwirckung der Wundartzney (1497)
  • Hans von Gersdorff: Feldtbuch der Wundartzney (1517)
  • Paracelsus: Erster bis dritter Theil der grossenn Wundartzney (1563)
  • Wilhelm Fabry von Hilden: New Feldt Arztny Buch von Kranckheiten und Schäden, so in Kriegen den Wundartzten gemeinlich fürfallen (1615)
  • Raimund Minderer: Medicina militaris (1626)
  • Jan Abraham von Gehema:[6]
    • Wolversehener Feld-Medicus (1684)
    • Der wohlversuchte Feld-Medicus (1689)
    • Der krancke Soldat (1690)
  • Johann Theodor Eller: Nützliche und auserlesene Medicinische und Chirurgische Anmerckungen (1730)[7]
  • Friedrich Casimir: Sammlung von Beobachtungen aus der Arzneywissenschaft (1764–66)
  • August Gottlob Richter: Chirurgische Bibliothek (1771–97)
  • Johann Christian Anton Theden: Unterricht für die Unterwundärzte bey Armeen (1774)
  • Johann Leberecht Schmucker:
    • Chirurgische Wahrnehmungen (1774)
    • Vermischte Chirurgische Schriften (1776–82)
  • Johann Christoph Jäger: Beiträge zur Kriegsarzneywissenschaft welche auf die Erhaltung der Gesundheit der Soldaten; auf die Kriegshospitäler; auf die innerlichen Krankheiten und äusserlichen Verwundungen der Soldaten Bezug haben; für Offizier, Prediger, Aerzte, Wundärzte und Inspektoren, welche im Krieg und Frieden bei den Armeen und in den Lazarethen Deutschlands Kranke besorgen, 3 Bände (1794–96)
  • Johann Christian Gottlieb Ackermann:
    • Handbuch der ausübenden Arzneywissenschaft und Wundarzneykunst bey Armeen im Felde (1797)
    • Handbuch der Kriegsarzneykunde, oder: über die Erhaltung der Gesundheit der Soldaten im Felde, über die Anstalten zur Heilung der Krankheiten derselben, und über die Kenntniß und Kur der wichtigsten Feldkrankheiten (1795)
  • Robert Leventhal: Zur Gründung der ›Kriegsarzneywissenschaft‹: Krieg als medizinisches und bio-politisches Problem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit besonderer Berücksichtigung des Siebenjährigen Krieges (2014)

Verweise

Fußnoten

  1. Kaiser Wilhelms-Akademie für das Militärärztliche Bildungswesen (Pépinière), veikkos-archiv.com
  2. Schon im ersten Quartal des 18. Jahrhunderts beginnt die wissenschaftlich-institutionelle Umwandlung, die die militärische Chirurgie aus den Händen der Barbiere, Bader und Feldscher nehmen sollte, so daß die Chirurgie und Wundarzneykunst zur medizinischen Wissenschaft erklärt und erhoben werden konnte. Als 1713 in Preußen das „Theatrum anatomicum“ aus der ehemaligen Anatomie-Kammer hervorging, Ernst Konrad Holtzendorff (1688–1751) 1716 zum ersten General-Chirurg der Preußischen Armee ernannt und 1723/24 das Collegium medico-chirugicum in Berlin an der Charité gegründet wurden, waren die staatlich-gesellschaftlichen Einrichtungen geschaffen, die den aufklärerischen Reformgedanken der Kriegsarzneykunst und des Militärsanitätswesen der nächsten Jahrzehnte bis zum Siebenjährigen Krieg zugrunde liegen sollten. Durch Holtzendorffs Eingriff wurde die Versorgung von Verwundeten nach allen Berichten entscheidend verbessert. Es sollte jedoch noch bis zu den Befreiungskriege und darüber hinaus dauern, bis sich die neue Kriegsarzneywissenschaft flächendeckend im gesamten Sanitätskorps verbreiten und verankern sollte.
  3. Aber selbst wenn ein Soldat eine Verwundung auf dem Schlachtfeld überlebte und versorgt werden konnte, war er noch lange nicht gerettet. Die medizinischen Möglichkeiten dieser Zeit waren extrem begrenzt. Amputationen waren die mit Abstand häufigsten „Behandlungsmethoden“, Schmerz- oder Betäubungsmittel gab es nicht, ebensowenig wie ein fundiertes Wissen über die Entstehung von Infektionen. Dementsprechend hoch war die Sterblichkeitsrate.
  4. Uwe Kieling: Berliner Baubeamte und Staatsarchitekten im 19. Jahrhundert. Biographisches Lexikon. Gesellschaft für Heimatgeschichte und für Denkmalpflege im Kulturbund der DDR, Berlin 1986, S. 92
  5. Klinisches Jahrbuch, Fünfter Band, S. 9, Hrg. von A. Guttstadt, 1894, Verlag von Julius Springer, Berlin
  6. Jan Abraham von Gehema (1647–1715), der als Hauptmann an elf Feldzügen teilgenommen hatte und seine Stellung als Offizier aufgab, um Medizin zu studieren, gilt als erster moderner Reformer des Militärsanitätswesens. Im letzteren Werk ist nachdrücklich von der Verantwortung der Feldoffiziere für die Versorgung und Verpflegung der kranken oder verwundeten Soldaten von einem wahren Medikus statt eines Feldschers die Rede. Von Gehemas Buch war eine provokative Herausforderung, ein Manifest für die verbesserte Behandlung von verwundeten und kranken Soldaten und die Abschaffung von unwissenden Feldschern. Er forderte schnelleren Transport der Verwundeten: der verwundete Soldat mußte „erstlich etliche Stunden lang in den approchen oder auf der Wahlstatt beliegen bleiben“; er forderte auf, „selbige und alle Schwer-Blessirte, wo immer möglich, nach den nechst gelegenen Kriegs-Hospitalen und Quetschhäusern bringen zu lassen, oder daferne solche nicht in der Nähe weren, in den Dörffern zu logieren.“
  7. Johann Theodor Eller (1689–1760) war Militärarzt unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., Feldmedikus, Professor am 1723 gegründeten Collegium medico-chirurgicum und, mit Georg Ernst Stahl, Urheber des preußischen 1725 erlassenen „Medicinaledicts“, welches die Grundlage der zukünftigen Medizineinrichtungen in Preußen bildete. Er führte eine Staatsprüfung für Ärzte und Wundärzte ein und forderte die Absolvierung anatomischer oder anatomisch-chirurgischer Seminare. In „Nützliche und auserlesene Medicinische und Chirurgische Anmerckungen“ (1730) bemängelte Eller die damalige Ausbildung von Feldchirurgen: „[…] da der Mangel der Gelegenheit die wahre structur des menschlichen Cörpers, oder die Anatomie gründlich zu erlernen, wenigstens unter denen Chirurgis, in gantz Teutschland eingerissen war; so getrauete sich kein gewissenhaffter Mensch von dieser Profeßion auch nur die leichteste Operation fast mehr zu verrichten […].“