Ladoga-Schlachten
Die Ladoga-Schlachten drei militärische Unternehmen südlich des Ladoga-Sees in den Jahren 1942/1943 im Zweiten Weltkrieg, als die Rote Armee versuchte, die deutsche Blockade von Leningrad (8. September 1941 bis 27. Januar 1944) durch die Wehrmacht zu durchbrechen. Der Ladogasee ist der größte Süßwassersee Europas. Er liegt in Nord-West-Rußland, in der russisch-finnischen Grenzregion Karelien. Entwässert wird der See durch die nur 74 km lange Newa. Trotz ihrer geringen Länge ist die Newa eine Wasserstraße von Weltbedeutung. Sie ist die Wiege der Stadt St. Petersburg und ermöglicht der Schiffahrt eine Verbindung von der Ostsee bis zum Weißen Meer oder nach Süden zum Kaspischen und Schwarzen Meer.
Inhaltsverzeichnis
Die Schlachten
Die blutigen Kämpfe zogen sich jeweils über mehrere Monate hin:
- Erste Ladoga-Schlacht (27. August 1942 bis 2. Oktober 1942)
- Zweite Ladoga-Schlacht (12. Januar 1943 bis 5. April 1943)
- Dritte Ladoga-Schlacht (22. Juli 1943 bis 25. September 1943)
Geschichte (Auszug aus der zweiten Schlacht)
- „Im Herbst 1941 glaubte Hitler noch, Leningrad aushungern zu können, aber schon im Frühjahr 1942 mußte er erkennen, daß dies ein verhängnisvoller Fehler gewesen war. Die Stadt kapitulierte nicht. Nun erhielt Generalfeldmarschall von Manstein den Befehl, mit seiner 11. Armee, die gerade Sewastopol erobert hatte, auch Leningrad zu Fall zu bringen. Die Mahnungen der obersten deutschen Führung, die 11. Armee im Süden zu belassen, trafen bei Hitler auf taube Ohren. Er wollte Leningrad haben. Feldmarschall von Manstein entwickelte einen genialen und zugleich einfachen Platz. Mit drei Korps wollte er von Süden her die sowjetischen Stellungen überrennen, am Stadtrandanhalten und mit zwei Korps nach Osten eindrehen, die Newa überschreiten, um so dann Leningrad einzudrücken. Dieser Plan wurde durch den Spionagering ‚Rote Kapelle‘ nach Moskau verraten, und Stalin handelte sofort. Er konzentrierte an der Wolchow-Front alle Verbände: sechzehn Schützendivisionen, neun Brigaden und fünf Panzerbrigaden. Mit dieser gewaltigen Streitmacht trat er zum Gegenangriff an. Am 27. August 1942 stürmten seine Divisionen gegen den deutschen ‚Flaschenhals‘ von Schlüsselburg. Zwölf Kilometer tief kämpften sich die sowjetischen Divisionen nach Westen vor und kamen bis dicht an die Kirow-Bahn heran. Der ‚Flaschenhals‘ war damit bis zur Mitte eingeschnürt. Angesichts dieser Lage blieb Manstein nichts anderes übrig, als seine Leningrad-Offensive abzubrechen und der hart bedrängten 18. deutschen Armee zu Hilfe zu kommen. In überaus harten Kämpfen gelang es Mansteins Verbänden schließlich, die Russen zurückzuwerfen. Der September und der Oktober vergingen. Im November zeichnete sich bereits die Tragödie von Stalingrad ab. Mansteins Armee fehlte nun im Süden. Ohne daß Manstein seine Aufgabe vor Leningrad hätte erfüllen können, berief Hitler ihn und seine Armee ab. Der Feldmarschall verließ die Bühne Leningrad und verschwand südwärts. Zurückblieb Generaloberst Lindemanns 18. Armee, die sich eingrub, wahre unterirdische Städte erbaute und im übrigen darauf wartete, was nun seitens der Russen geschehen würde. Daß sich diese nach dem Abzug Mansteins die Chance, erneut operativ zu werden, nicht entgehen lassen würden, darüber war sich Lindemann klar. Und so kam es auch. Am 12.Januar 1943, bei arktischer Kälte und Schneesturm, griff der Oberkommandierende der Wolchow-Front, General Goworow, den ‚Flaschenhals‘ von Schlüsselburg zum zweiten mal an. Ein Trommelfeuer aus über 4000 Rohren eröffnete die zweite Ladoga-Schlacht. Während die 2.russische Stoßarmee von Osten her antrat, stürmten die Divisionen der 67. Roten Armee über den Ladogasee und über die Newa gegen die deutschen Verteidiger an. Fünf Schützendivisionen und eine Panzerbrigade allein im Raum Marino-Gorodok gegen eine einzige deutsche Division, die 170. ID.
- Generaloberst Lindemann, ein illusionsloser Armeeführer, sah sich in diesem kritischen Moment gezwungen, seine einzige Reserve, die kampferprobte 96. ID – die freilich nur aus 5 Bataillonen bestand –, ins Gefecht zu werfen. Schweres feindliches Artilleriefeuer, das Tag und Nacht hindurch anhielt, und die schwierigen Geländeverhältnissemachten jedoch einen sofortigen Gegenstoß unmöglich und verzögerten diesen um ganze 24 Stunden. Anstatt schon am 12. Januar in den Kampf einzugreifen, mußte die 96. ID bis zum Morgen des 13. Januar warten. Über dem Sumpf-, Wald- und Steppengebiet südlich von Leningrad liegt das undurchdringliche Dunkel der Januarnacht. Ununterbrochen knirschen die Räder der Lastautos und die eisernen Reifen zweirädriger Pferdewagen über die holprigen Wege und Nachschubstraßen. An den Kreuzungen stehen vermummte, vor Kälte schlotternde Verkehrsposten und winken schweigend mit ihren kleinen, abgedunkelter Laternen. Wie schon einmal, rollen auch heute wieder Artillerie, Infanterie und Panzer aus dem Raum Leningrad zur Newa-Front. Über Glatteis und durch metertiefe Schneeverwehungen quälen sich riesige Transportlastwagen, gepanzerte Mannschaftswagen, verhüllte Geschütze, modernste Flak (Fliegerabwehrkanonen), gedrungene T-34 Panzer und, an die Laster angekoppelt, kleine Pak (Panzerabwehrgeschütze). Immer wieder entstehen kilometerlange Stauungen. Offiziere eilen herbei, fluchen, kommandieren. Motoren heulen auf, Peitschenschläge knallen, und auf geheimnisvolle Weise entwirrt sich die endlose Schlange wieder, strebt an bestimmten markierten Punkten in verschiedene Richtungen auseinander.
- In dieser turbulenten Bewegung von Menschen, Motoren und Waffen ist eine Energie zu spüren, die sich schon bei der ersten Belagerung von Leningrad in fast übermenschlicher Ausdauer manifestierte. Dieselben Truppenbewegungen unter nicht minder harten Witterungsbedingungen vollziehen sich zur Stunde auch im Osten der Wolchow-Front und auf dem meterdicken Eis des Ladogasees.Insgesamt drei voll- und neu ausgerüstete, mit den modernsten Waffenausgestattete Sowjetarmeen marschieren auf, um zwischen Schlüsselburg, Lipka und Sinjawino den sogenannten deutschen Flaschenhals zu durchstoßen und die deutsche 18. Armee zu vernichten. Nach Stalins Willen soll den Deutschen eine vernichtende Niederlage zuteil werden. Der Zeitpunkt hierfür ist so günstig wie noch nie zuvor. Überall im Osten ist die deutsche Front überdehnt und besteht – man schreibt den 11. Januar 1943 – aus mehr oder minder zusammengekratzten Verbänden, die zu werfen nach Ansicht des sowjetischen Oberkommandos jetzt die Stunde gekommen ist.
- Das Ziel der zweiarmigen sowjetischen Offensive war das gleiche wie das der ersten: Durchstoß bis zur Kirow-Bahn und Einkesselung der 18. deutschen Armee. Im Mittelpunkt dieser Kämpfe standen in erster Linie die Regimenter der 170. und 227. Infanteriedivision. Die russische Infanterie wurde schonungslos und in Massen eingesetzt, aber alle Versuche, die schwache deutsche Verteidigungsfront zu durchbrechen, waren vorerst zum Scheitern verurteilt. Zu Tausenden blieben die Sowjets im MG-Feuer der Deutschen tot oder verwundet liegen. Schwache deutsche Bataillone kämpften bis zum Umfallen gegen einen haushoch überlegenen Feind, und es sah schon fast so aus, als müßte General Goworow erneut eine furchtbare Niederlagehinnehmen. Da geschah das Unglück. Bei Marino, an der Nahtstelle zwischen der AA 240 und dem II./GR 401, gelang den Russen der entscheidende Durchbruch in die deutsche HKL (Hauptkampflinie). Generalmajor Duchanow, der Oberbefehlshaber der 67. russischen Armee, erkannte die sich ihm bietende Chance und pumpte alles, was er an Kräften freimachen konnte, in die Durchbruchslücke. Im ‚Flaschenhals‘ von Schlüsselburg drohte das Chaos auszubrechen. Gelang es Duchanow, die Stellungen der deutschen 170. ID zu durchstoßen, dann stand er vor den beherrschenden Sinjawino-Höhen, und der Weg zur Kirow-Bahn und ins rückwärtige Gebiet der 18. deutschen Armee war für ihn frei. […]
- Sie rennen weiter, fanatisch und gehorsam, bis auch sie der Tod erteilt. Die Unterschätzung des Gegners und die Überschätzung des eigenen Artilleriefeuers kosten die Sowjets an diesem Morgen des 12. Januar 1943 Tausende von Toten und Verwundeten. Ein kleines Häuflein deutscher Landser, bestehend aus den Resten der Grenadier-Regimenter 391 und 401 und der Aufklärungsabteilung 240 bei Gorodok, stoppt die rote Flut. Die in der vergangenen Nacht vom Gegner mit großer Kühnheit durchgeführten Minenräumungen sind umsonst gewesen. Nicht eine Angriffswelle erreicht das deutsche Ufer. Nur ein paar ganz verwegene Rotarmisten arbeiten sich bis zu den Drahthindernissen durch, aber auch sie geraten ins Punktfeuer der deutschen Schützen und verbluten zwischen durchgeschnittenen Drahtrollen und aus dem Schnee gebuddelten Minen. Nachdem die dritte, die vierte und auch die fünfte Angriffswelle im Räume Gorodok und Marino zusammengeschossen ist, erlahmt die Kraft der sowjetischen Sturmregimenter zusehends. […] Zu spät erkennen die Russen, daß sie in eine tödliche Falle gerannt sind. Wutentbrannt schießen, hauen und stechen sie um sich. Sie sterben zu Hunderten im MG-Feuer der Deutschen, fallen im gnadenlosen Nahkampf. Die Gräben füllen sich mit den Leibern der Toten. In weniger als fünfundzwanzig Minuten wird beispielsweise das II. Bataillon Gardeschützenregiment 333 fast völlig aufgerieben. Die 4. Kompanie dieses Bataillons besteht nur noch aus siebenunddreißig Mann. Der Kompanieführer, Oberleutnant Konjukow, liegt mit einem Brustschuß im Schnee. Schon vom Tod gezeichnet, rafft er sich auf und versucht seine Gardeschützen anzuspornen. Es ist umsonst. Die Rotarmisten, von Entsetzen und Grauen geschüttelt, mit Maschinenpistolenfeuer und Handgranatenwürfen eingedeckt, weichen zurück. Ein ganzes Bataillon gerät in Verwirrung und Panikstimmung. Die Überlebenden laufen zurück, jagen durch die von der Artillerie zertrommelten Gräben. Weit kommen sie allerdings nicht. Hauptmann Sipjadom, der Bataillonskommandeur, stellt sich ihnen in den Weg. Doch zu diesem Zeitpunktstarten die deutschen Grenadiere aus der Tiefe des Verteidigungsraumes herauseinen Gegenstoß. Es sind nicht viele, aber es handelt sich um erfahrene Grabenkämpfer. Mit der blanken Waffe stürmten sie heran. In erbitterten Nahkämpfen drängten sie die Russen noch ein weiteres Stück in Richtung Newa-Ufer zurück. Über eine Stunde lang müssen sich die Gardeschützen, die sich in drei Kampfständen festgesetzt haben, verzweifelt und unter großen Verlusten der wütend vorgetragenen Angriffe der Deutschen erwehren. Als sich die deutschen Grenadiere schließlich zurückziehen, zählt Sipjadoms Bataillon noch ganze sechzig Mann.“[1]
Literatur
- Georg Lindemann: Kämpfe am Ladoga-See – Gefechtsberichte der Armee vor Leningrad[2]
- Zahlreiche Geschichten zu den Ladoga-Schlachten in verschiedenen Ausgaben von „Der Landser“