Olympische Spiele 1920
Die Olympischen Spiele 1920 (offiziell Spiele der VII. Olympiade genannt) fanden vom 20. April bis 12. September 1920 in Antorf, Belgien statt.
Wissenswertes
Nacht lag über Europa – nicht das milde Dunkel jenseits des hellen Tages, in dem die Natur leise ihre Werke schafft, sondern die Nacht des Hasses und der Vergiftung. Der Erde entstieg der Dampf des Blutes aus dem Völkerringen und verschleierte den geistigen Horizont. Tief sank der olympische Gedanke hinab, fast erdrückt von den Schwaden der kranken Geistesströmungen der Zeit. Wild pochte in den Adern der Menschen das Blut, durchbebt und erfüllt von dem übermenschlichen Erlebnis des Weltenbrandes. Nichts blieb rein und frei. Durch die Wände der Sitzungsräume des olympischen Komitees drängte sich der böse Hauch wie ein schleichendes Gas. Antorf, die belgische Festung, wurde zum Schauplatz der Kämpfe bestellt. Düsteres Licht flutete über die olympischen Tage. Stockholm hatte den sonnigen Festesglanz der Spiele mit echtem Leben durchtränkt, nun versanken Freude und Harmonie, Ritterlichkeit und Sportkameradschaft in den Fluten eines anderen Lebens. In den Speichern und Schuppen der Stadt stauten sich die Güter der Welt zu mächtigen Haufen und Bergen, Einlaß heischend in das ausgehungerte Europa.
Verzweifelt arbeitete eine kleine Gruppe belgischer Sportsleute an der Bewältigung der Aufgabe. Bar jeder Unterstützung des Volkes, im Kampf mit Unverstand und Gleichgültigkeit, gelingt nicht mehr als ein rohes Gerüst, die Spiele in den Angeln zu halten.
Seltsam spielte das Schicksal in seinen krassen Gegensätzen. Über Antorf wehte erstmalig die olympische Fahne mit den fünf Ringen, die die Verbundenheit der Erdteile wie die Glieder einer Kette darstellen. Auf dem weißen Atlas leuchteten die buntgestickten Zeichen, aus deren Farben sich damals die Flaggen aller Länder zusammenstellen ließen. Baron Coubertin hatte schon im Juli 1914 in genialer Schöpfung die Flagge erdacht. Das Symbol des Friedens wurde in der schwülen Atmosphäre des nahenden Unheils geboren und unter dem Dunkel des abziehenden Unwetters eines furchtbaren Krieges an den Masten gehißt.
Die Spaltung der Welt in feindliche Gruppen überschattete die Austragung der Kämpfe. Die Mittelmächte sahen sich ausgeschlossen aus dem Kreis der Völker, und ein schwerer Schlag gegen den olympischen Gedanken war getan. England, das Mutterland des europäischen Sports, hatte ein feines Gefühl für die Verletzung der Lauterkeit sportlicher Gesinnung und beschränkte die Teilnahme auf eine kleine Gruppe. Es war darin mehr die Absicht, eine Verbindung nicht abreißen zu lassen als durch eine kraftvolle Beteiligung die Gutheißung der eingeschlagenen Bahnen kundzutun.
Den stärksten Ausbruch des antiolympischen Geistes aus dem Geschehen der Tage gab es beim Fußballturnier. Der Endkampf zwischen Belgien und der Tschechoslowakei mußte unvollendet abgebrochen werden. Belgien führte 2:0, aber unter den Kämpfern herrschte nicht der ritterliche Geist einer echten Sportkameradschaft, sondern leidenschaftlicher Haß, entflammt von der Gier nach Erfolg um jeden Preis, zerschlug die sportliche Gesittung und schäumte in wilden Wogen gegen die Gesetze der Menschlichkeit. Aus den Zuschauermassen strömte eine gleiche Welle fanatischer Entartung und begrub in einem turbulenten Skandal die Schande eines dunklen und unseligen olympischen Tages.
Das junge finnische Volk, beseligt durch die köstliche Freiheit aus dem russischen Joch, warf seine jubelnde Kraft in die sportliche Welt. Der Veteran von Stockholm, Hannes Kolehmainen, krönte den finnischen Traum von der Herrschaft über die langen Strecken durch seinen Sieg im Marathonlauf. Wie ein Komet aus weiter Ferne im Blickkreis der Erdenwelt, so erschien Nurmi am Sternenhimmel der sportlichen Heroen. Neunmal flatterte die weiße finnische Flagge mit dem blauen Kreuz an höchster Stelle in den Wettkämpfen der Leichtathletik, und Amerika vermochte noch gerade den Schritt des kleinen Riesen mitzuhalten.
In dem Amerikaner Paddock verkörperte sich erstmalig die Elite höchster menschlicher Schnelligkeit, deren Kämpfe sich mehr und mehr zu einem faszinierenden Höhepunkt in dem bunten Kranz der Wettbewerbe verdichteten. Wie die Kolben einer Maschine hämmerten die Beine über die kurzen Laufstrecken und trommelten ein Lied von unvergeßbarem Rhythmus in die Ohren der Zuschauer. Im Schwimmbecken erreichte Amerika das Ziel von 1904. In den 16 Kämpfen schlug elfmal eine amerikanische Hand an den Balken des Sieges. Aus dem Willen war eine Tat geworden. Den Männern gleich schossen die amerikanischen Ladies als erste Siegerrinnen in vier neuen Frauenwettbewerben durchs Wasser. Die aktiven Kämpfer hatten die Fackeln des olympischen Feuers ergriffen und trugen sie siegreich durch das Dunkel der Zukunft der Zeit.
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