Olympische Spiele 1900
Die Olympischen Spiele 1900 (offiziell Spiele der II. Olympiade genannt) fanden zwischen dem 14. Mai und dem 28. Oktober 1900 in Paris statt.
Wissenswertes
Dankbarkeit ist eine der lautersten Eigenschaften in dem Spiegelbild menschlicher Charakteristik. Die Idee der sportlich-heroischen Kämpfe wäre unvollkommen ohne den Ausgleich in dem gefühlserfüllten Bereich der Seele. Das tiefe Erlebnis der Olympischen Spiele zu Athen war unverlöschbar eingegraben in das Denken der Teilnehmer. Es wirkte aus innerer Kraft auf die Gestaltung der Zukunft.
Pierre de Coubertin, der Franzose, war der Vorkämpfer gewesen, nur Paris konnte nach dem Gesetz der Ritterlichkeit der Schauplatz der zweiten Austragung sein. Paris, dessen faszinierende Glorie noch strahlend verstärkt schien durch das Schauspiel einer Weltausstellung, war berufen, das Erbe Athens anzutreten. In den Köpfen der kühnen Träumer malten sich die phantastischen Möglichkeiten, die aus einer Verbindung dieser großen Quellströme im Leben der Völker emporwachsen mußten. Paris erfüllte die hochgespannten Erwartungen nicht. Die äußeren und inneren Voraussetzungen schlossen das Gelingen aus. Der Sport besaß noch nicht die wirtschaftliche Kraft, um so gewaltige Anlagen zu schaffen, die für den äußeren Rahmen eine Notwendigkeit waren. Auf den verschiedenen Kampfstätten zersplitterte sich unter einer schwerfälligen Abwicklung das sportliche Geschehen. Der Besucherstrom der Ausstellung und das Weltstadtbürgertum von Paris empfanden kein inneres Verhältnis zum Sport. In der großstädtischen Perspektive von 1900 rangierte die sportliche Betätigung unter den leichten Sonderheiten, die außerhalb des Gesichtskreises des normalen Menschen standen. Die Wellen des vermeintlichen Lebens schlugen über den ersten Spitzen einer neuen Kultur zusammen und verdeckten sie.
Das äußere Bild berührte nicht den Kern der Zukunft. Der Fortschritt der sportlichen Entwicklung war deutlich und unverkennbar. Die technische Ausarbeitung der verschiedenen Übungen hatte in vier Jahren in aller Stille eine ungemeine Steigerung erfahren. Sinngemäße und durchdachte Arbeit hatte überall Wurzel gefaßt, und ruckweise schnellte die Rekordziffer auf Leistungen, die nicht mehr aus dem Zufall und einer glücklichen Begabung zu meistern waren. Unter der instinktsicheren Führung Amerikas erfolgte in allen Ländern die Einstellung auf die geraden Bahnen technischer Durchdringung.
Wie aus der Erde gestampft traten aus der Masse der Kämpfer die scharfen Konturen wahrhaft olympischer Gestalten hervor. Eine lächerlich kleine Zuschauermenge von vielleicht 2.000 Personen wurde Zeuge großer olympischer Leistungen, deren echte Würdigung erst die Nachwelt vornehmen sollte. Das Schicksal hatte diese modernen Sparrpioniere zwei Jahrzehnte zu früh auf die Erde gestellt.
In dem Deutschamerikaner A. C. Kraenzlein hatte die Natur erstmalig die verschwenderische Fülle ihrer Spannkräfte summiert, um sie in einem vierfachen olympischen Sieg ausspielen zu lassen. 60 Meter, 110 Meter und 200 Meter Hürden sowie der Weitsprung waren die Siegesmarken. 1913 begann er in Deutschland als Sportlehrer zu wirken, bis der Krieg seine Tätigkeit beendete. Eine einzigartige Erscheinung war der Amerikaner Raymond Ewry, der Nurmi unter den Springern. In seinen Beinmuskeln steckte eine phänomenale Schnellkraft, die sich bei den Sprüngen aus dem Stand, die damals noch im olympischen Programm vorhanden waren, auswirkte. In vier Olympischen Spielen von 1900 bis 1908 ersprang er sich zehn Siege. Die Zahl ist imposant, aber es ruht auf diesen Leistungen nicht das Gewicht sonstiger olympischer Triumphe. Die Gleichartigkeit der Übungen war zu groß, ihr Eindruck nicht nachhaltig genug, um ihren Träger in die Schar der Erlesenen einzureihen. Noch ein Name mag aus dem Dunkel hervortreten. Der Sieger über 400 Meter in 49,4 Sekunden M. W. Long. An ihn knüpfte sich später erstmalig das ungläubige Staunen, das die alte Welt den amerikanischen Nachrichten erreichter Leistungsgrenzen entgegenbrachte. Auf einer geraden 400-Meter-Bahn legte er die Strecke in 47 Sekunden zurück. Erst mehr als drei Jahrzehnte später schwand von einer solchen Leistung der trügerische Schein.
Die Ausrichtung der Kämpfe in Paris war kein Ehrenblatt der damaligen französischen Sportverbände. Eine unglaubliche Platzanlage und eine mangelhafte Vorsorge für die Kämpfer fanden ihren Abschluß in einer Preisverteilung, die mehr Bitterkeit als Freude bereitete. Die Distanz der Zeit hat über diese Angelegenheit einen humoristischen Schimmer verbreitet. Damals wurden Olympiasieger mit Regenschirmen und Spazierstöcken aus einem billigen Bazar als bleibende Erinnerung bedacht. Zeit und Menschensinn werden ihren inneren Wert vergoldet haben.
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