Stosch, Albrecht von
Albrecht von Stosch ( 20. April 1818 in Koblenz; 29. Februar 1896 in Oestrich) war ein deutscher Offizier, seit Januar 1872 Chef der Kaiserlichen Admiralität mit dem Charakter eines Staatsministers ohne Geschäftsbereich und seit 1875 General der Infanterie, Admiral und erster Chef der Kaiserlichen Admiralität. Eine 1877 bei der A.G. Vulcan in Stettin vom Stapel gelaufene gedeckte Korvette der Kaiserlichen Marine wurde ihm zu Ehren auf den Namen SMS „Stosch“ getauft. Er war von 1872 bis zu seinem Tod Mitglied des Preußischen Herrenhauses. 1888 wurde er Mitglied der Leopoldina.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Albrecht von Stosch wurde geboren zu Coblenz am 20. April 1818 in der Rheinstraße im Hause des Bäckermeisters Lamprecht. Sein Vater war damals Major und Adjutant beim Generalkommando des VIII. Armeekorps, seine Mutter war eine geborene Woltersdorf, die als geschiedene Frau des spätem Majors v. Kräwel seit 1814 in zweiter Ehe mit dem Vater Albrechts von Stosch verheiratet war. Der Großvater Stoschs war Oberhofprediger in Berlin und entstammte einer Predigerfamilie, die in alter Zeit den Adel abgelegt hatte. Der Onkel Stoschs heiratete eine Gräfin Finkenstein, infolgedessen der Adel der Stoschs Allerhöchst erneuert wurde. Stosch besuchte zunächst die evangelische Stadtschule, trat sodann in die Sexta des Gymnasiums ein und fand im Jahre 1829 Aufnahme in der Kadettenanstalt zu Potsdam, wurde aber 1832 nach Berlin versetzt.
1835 verließ er das Korps, 17 Jahre alt, um als Leutnant in das 29. Infanterie-Regiment in Coblenz einzutreten, wo sein Vater zu dieser Zeit zweiter Kommandant war. Das elterliche Haus nahm ihn wieder auf, und da hier seine lebhafte und begabte Mutter einen geistig regen Verkehr unterhielt, so wurde er leicht und sicher schon in jungen Jahren in die große Welt eingeführt und mußte, wollte er in diesen Kreisen Beachtung finden, sich mit den geistigen Strömungen und den Bestrebungen seiner Zeit bekannt machen. Mit einigen Altersgenossen trieb er außerdem, da die Zeit eines Leutnants bei der damals sehr einfachen Ausbildung eines Infanteristen sehr wenig in Anspruch genommen war, Juristerei und Nationalökonomie; einer seiner besten Freunde war der damalige Referendar Möller, zuletzt Oberpräsident von Elsaß-Lothringen. Von 1839—1842 war er in Berlin zur Kriegsakademie kommandiert.
Zurückgekehrt, lernte er noch im gleichen Jahre im Hause seiner Eltern die Tochter des Medizinalrates Dr. Ulrich aus Coblenz kennen und verlobte sich mit ihr. Von 1842—47 war Stosch zum topographischen Bureau abkommandiert, kehrte aber dann, nachdem inzwischen seine Verehelichung stattgefunden hatte, als Frontoffizier nach Coblenz zurück. Sehr enttäuscht über den Ausbleib des Erfolges seiner bisherigen Tätigkeit, trug sich Stosch bereits mit Abschiedsgedanken, als das Jahr 1848 mit seinen neuen Ideen und Pflichten ihm Gelegenheit bot, seine hervorragende Tüchtigkeit zu beweisen. Der Beginn der revolutionären Bewegungen erforderte Dislokationen von Truppenteilen, und zur Bearbeitung von Marschrouten u. s. w. erfolgte Stoschs Kommandierung zum Generalkommando. Hier erregte er durch seinen praktischen Blick und seine gesunde, sichere und zeitgemäße Beurteilung der jeweiligen Verhältnisse die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten. 1852 zum ersten Adjutanten bei der Division in Trier ernannt, erfolgte noch im selben Jahre die Beförderung zum Hauptmann.
1854 erfolgte seine Versetzung in den Generalstab beim Generalkommando in Coblenz. In dieser Stellung kam er zum ersten Male in Berührung mit dem damaligen Prinzen von Preußen, spätem Kaiser Wilhelm L, der in Coblenz als Militärgouverneur für Rheinland und Westfalen Hof hielt. Es erfolgten dann weitere Versetzungen nach Posen und Magdeburg, Aufträge zur Bereisung von Ungarn, Siebenbürgen und Frankreich, Generalstabsreisen unter Moltke. Trotz dieser angestrengten Tätigkeit fand er doch noch Zeit, auch andern geistigen Bestrebungen unseres Volkes Aufmerksamkeit und Interesse zu schenken und unterhielt einen lebhaften Briefwechsel unter anderem mit Gustav Freytag.
Am 18. Mai 1866 zum Oberquartiermeister der zweiten Armee unter dem Befehle des Kronprinzen ernannt, wurde er am 20. Juni zum General befördert. Nach Schluß des Feldzuges durch den Orden pour le merite ausgezeichnet, fand Stosch dann Verwendung als Direktor des Militärökonomie - Departements im Kriegsministerium und erwarb sich hier um die Neuschaffung von Instruktionen für das Etappen- und Feldlazarettwesen, die Post, Eisenbahn und Telegraphie unschätzbare Verdienste. Im Jahre 1868 begleitete er den Kronprinzen auf seinen Reisen nach München, Turin, Florenz, im Jahre 1869 nach Wien, Konstantinopel und Ägypten zu den Eröffnungsfeierlichkeiten des Suezkanals.
Mit dem Ausbruche des französischen Krieges wurde Stosch zum Generalintendanten der Armee ernannt. Die Vortrefflichkeit der von ihm geschaffenen Organisation konnte er, der inzwischen zum Generalleutnant ernannt war, während des Krieges auch tatsächlich beweisen. Das Verpflegungswesen der Armee erwarb sich unter seiner Führung den Ruf des bestorganisierten und wohlgeordnetsten der Welt. In den letzten Phasen des Krieges erfolgte seine Kommandierung zum Chef des Stabes beim Großherzog von Mecklenburg.
Anfang 1872 wurde Stosch zum Chef der Admiralität ernannt und damit begann eine neue Epoche in seinem Leben. Denn in die folgenden 11 Jahre fällt die Haupttätigkeit und das unschätzbare Verdienst dieser kraftvollen, energischen und organisatorisch hochbegabten Persönlichkeit, der es gelang, obwohl mit den Mitteln klüglich haushaltend, die Marine bedeutend zu vergrößern und ihr auch eine feste innere Ordnung zu geben und sie zu einem gewichtigen Faktor in der Politik Deutschlands zu machen. Als sein ganz besonderes Verdienst muß aber noch hervorgehoben werden, daß er, an der Spitze unserer Marine stehend, als erster mit voller Energie zum Bau der Kriegsschiffe die deutschen Werfte heranziehen ließ, die sich den ihnen gestellten Aufgaben trotz der stetig steigernden Anforderungen auch vollständig gewachsen zeigten. Nicht nur die Werfte, sondern auch die gesamte Stahl- und Eisenindustrie sind dadurch in großartiger Weise gefördert und Deutschland für die Ergänzung seiner Flotte vom Ausland völlig unabhängig gemacht worden. Ebenso entschieden trat Stosch für die Verwendung deutscher Kohlen ein, während in der Marine bisher ausschließlich englische Kohle gebraucht worden war. So ist Stosch neben dem Fürsten Bismarck, zu dem er sonst in manchen Fragen im Gegensatz stand, einer der größten Förderer der deutschen Industrie geworden, welche dann auch bei seinem Abgange durch Ueberreichung eines Ehrengeschenkes dieses Verdienst dankbar anerkannt hat.
18S3 trat Stosch, sich nach Ruhe sehnend, von dem Schauplatze seiner Tätigkeit ab und zog sich bis an sein Lebensende in sein geliebtes Oestrich zurück, wo er fortan procul negotiis sich der Pflege seiner Weinberge widmete. Doch auch von hier aus nahm er stets weiter regen Anteil an der Fortentwicklung unserer Flotte, wie sein Briefwechsel mit den leitenden Stellen erkennen läßt. Mit freudiger Anteilnahme verfolgte er die ersten Anfänge des großen Aufschwunges unserer Flotte, die der den höchsten Zielen zustrebende junge Kaiser in's Leben rief und konnte mit dem Bewußtsein die Augen schließen, durch die feste innere Organisation, die er der Marine gegeben hatte, und die den Stempel seiner energischen Persönlichkeit trägt, die deutsche Flotte würdig auf ihre großen Aufgaben vorbereitet zu haben. Stosch starb am 29. Februar 1896 in Oestrich im Rheingau.
Tod
Am 12. August 1895 feierte er sein 60jähriges Dienstjubiläum. Im Oktober 1895 beging er das Fest seiner goldenen Hochzeit. Als er aber im Januar 1896 aus Berlin, wo er dem Kapitel des Schwarzen Adlerordens beigewohnt hatte, nach Oestrich zurückkehrte, fühlte er sich völlig erschöpft. Am 29. Februar ist er dann einem Schlaganfall erlegen.
Familie
Albrecht entstammte einem Zweige des alten schlesischen Adelsgeschlechts Stosch. Er war der Sohn des späteren preußischen Generalleutnants Ferdinand von Stosch (1784–1857) und dessen Ehefrau Karoline, geschiedene Kräwel, geborene Woltersdorf (1785–1848).
Albrecht von Stosch heiratete am 18. Oktober 1845 in Koblenz Johanna Katharina Rosalie Ulrich ( 13. Dezember 1822 in Koblenz; 26. Juli 1902 in Mittelheim). Sie war die Tochter des königlich preußischen Geheimen Medizinalrats Dr. med. August Leopold Ulrich und der Auguste Hoffmann. Aus der Ehe gingen folgende Kinder hervor:
- Albrecht ( 4. September 1847 in Koblenz; 20. September 1852)
- Otto ( 11. Juni 1849 in Koblenz; 26. Juni 1897 in Weibeck), preußischer Major a. D.
- ⚭ 28. April 1873 (Scheidung 20. September 1884) Marie Elisabeth Madelung ( 5. Mai 1853; 16. Juli 1908)
- ⚭ 28. September 1886 Helene Emilie Klara Bräuer ( 4. August 1864; 24. November 1901)
- Max ( 11. August 1852; 3. August 1853)
- Luise Klara Mathilde ( 12. Mai 1854 in Koblenz; 9. März 1927) ⚭ 6. Mai 1874 in Berlin mit Georg von Hollen, deutscher Vizeadmiral
- August Leopold Ulrich ( 10. Dezember 1858 in Posen; 15. Februar 1928 in Eltville), preußischer Hauptmann a. D. ⚭ 1897 Rose Marianne Margarete Steffen ( 23. Juni 1873)
Auszeichnungen (Auszug)
- Pour le Mérite am 20. September 1866
- Erinnerungs-Kreuz für den Feldzug von 1866
- Ehrengroßkreuz des Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens des Herzogs Peter Friedrich Ludwig mit Schwertern am 9. Januar 1871
- Komtur I. Klasse des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens
- Großkreuz des Hausordens Albrechts des Bären am 5. März 1868
- Schaumburg-Lippische Militärverdienstmedaille
- Großkreuz des Belgischen Leopoldsordens
- Großkreuz des Griechischen Erlöser-Ordens 9. November 1869
- Orden der Aufgehenden Sonne I. Klasse
- Großkreuz des Ritterordens der hl. Mauritius und Lazarus am 22. Mai 1868
- Großkreuz des Österreichischen Leopoldsordens
- Großkreuz des Franz-Joseph-Ordens am 23. Oktober 1869
- Alexander-Newski-Orden
- Russischer Orden vom Weißen Adler
- Russischer Orden der Heiligen Anna I. Klasse
- Russischer Sankt-Stanislaus-Orden I. Klasse am 17. August 1869
- Großkreuz des Ordens von Oranien-Nassau
- Spanischer Militärverdienstorden IV. Klasse
- Mecidiye-Orden I. Klasse am 21. November 1869
- Großkreuz des Hausordens vom Weißen Falken
- Kronenorden II. Klasse mit Stern
- Großkreuz des Ordens der Krone von Italien am 11. Januar 1870
- Eisernes Kreuz (1870), II. und I. Klasse
- Kaiserliche Kriegsdenkmünze 1870/71
- Stern der Komture des Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern am 16. Juni 1871
- Großkreuz des Ordens vom Heiligen Michael am 11. Juni 1868
- Großkreuz des Bayerischen Militärverdienstordens am 16. November 1870
- Mecklenburgisches Militärverdienstkreuz I. Klasse am 26. Dezember 1870
- Großkreuz des Sächsischen Verdienstordens mit Kriegsdekoration am 2. Februar 1871
- Großkreuz des Albrechts-Ordens am 30. April 1867
- Großkreuz des Württembergischen Militärverdienstordens am 17. Januar 1871
- Großkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen mit Schwertern am 8. März 1871
- Komtur I. Klasse des Hessischen Ludwigsordens am 26. März 1868
- Großkreuz des Ordens der Wendischen Krone mit der Krone in Gold am 9. Dezember 1871
- Großkreuz des Roten Adlerordens mit Eichenlaub am 18. Januar 1878
- Ritter des Königlich Preußischen hohen Ordens vom Schwarzen Adler mit der Ordenskette am 17. September 1881
- Jubiläums-Eichenlaub „25“ 1870/1895
Literatur
- PDF Paul Koch: Albrecht von Stosch als Chef der Admiralität. Skizzen aus den Akten, 1903 Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- PDF Ulrich von Stosch: Denkwürdigkeiten des Generals und Admirals Albrecht v. Stosch. Briefe und Tagebuchblätter, 1904
- PDF Hans Ferdinand Helmolt: Gustav Freytags Briefe an Albrecht von Stosch, 1913