Enzensberger, Hans Magnus

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Dr. phil. Hans Magnus Enzensberger mit 90 Jahren

Hans Magnus Enzensberger (Lebensrune.png 11. November 1929 in Kaufbeuren; gest. 24. November 2022 in München) war ein deutscher Lyriker, Essayist, Übersetzer und einflußreicher Herausgeber. Für einen Autor des gehobenen Anspruchs gilt Enzensberger als singulär produktiv. Neben vielbeachteten Essays und Gedichten veröffentlichte er Kinderbücher, Feuilletons, Libretti, Hörspiele, Filmdrehbücher, autobiographische Texte und ein Buch mit „Lieblings-Flops“, einen Band mit seinen gescheiterten Schriftstellerideen.

Leben

Enzensberger wuchs mit drei jüngeren Brüdern[1] in Bayern auf. Sein Vater war in der Stadt als Oberpostdirektor tätig. Zuvor hatte er als Ingenieur für Fernmeldetechnik gearbeitet – er war der erste Radiosprecher Bayerns. Die Mutter Leonore Enzensberger, geb. Ledermann (1905–2008), arbeitete anfänglich als Erzieherin. Er ging in Nürnberg zur Schule, wurde nach kurzem Gastspiel in der Hitlerjugend als Querulant ausgeschlossen und besuchte ab 1942 Gymnasien in Gunzenhausen und Oettingen, bis er sich Ende 1944 im Rahmen des Endkampfes um Deutschland dem Volkssturm entzog.

Nach der Kapitulation der Wehrmacht schlug er sich mit Schwarzhandel durch und verdingte sich als Dolmetscher bei den US-amerikanischen und britischen (Royal Air Force) Besatzern, bevor er das Gymnasium in Nördlingen abschloß (Abitur 1949). Von 1949 bis 1954 zog Enzensberger für ein Studium der Literaturwissenschaft, Sprachen und Philosophie nach Erlangen, er hatte ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes erhalten. Weitere Stationen seiner Studienjahre waren Freiburg, Hamburg und Paris (Sorbonne). Zurück in Deutschland, promovierte Enzensberger 1955 „Über das dichterische Verfahren in Clemens Brentanos lyrischem Werk“.

1955 bis 1957 arbeitete er als Hörfunkredakteur in der von Alfred Andersch begründeten „Radio-Essay“-Redaktion. Mit seiner frischvermählten Frau, der Norwegerin Dagrun Averaa, zog er in deren Heimat, wo er an weiteren Essays und Gedichten schrieb, darunter auch an Kindergedichten für seine Tochter. Enzensberger nahm bereits als junger Autor an mehreren Tagungen der Gruppe 47 teil. Alfred Andersch, Gründungsmitglied der Gruppe 47 und Mentor von Enzensberger, bezeichnete ihn als den „zornigen jungen Mann“, der einer Generation Sprache verliehen habe.

1963, also im Alter von 33 Jahren, erhielt er den Georg-Büchner-Preis. Mit seiner zweiten Ehefrau, Mascha, zog Enzensberger Ende der 1960er in die USA. Eine Dozentur an der Wesleyan University (Connecticut)[2] brach er 1968 nach nur drei Monaten – unter Protest gegen die US-Außenpolitik – ab und ging für ein Jahr nach Kuba. Seine tief ernüchternden, ja schockierenden, Erlebnisse dort verschwieg Enzensberger „aus politischer Solidarität“ mit seinen linken Freunden hier und in der Karibik. Erst viele Jahre später sprach er deutlich von seiner damals stattgefundenen Abkehr von der sozialistischen Utopie. Die Ehe überlebte die turbulenten Zeiten nicht.

Von 1965 bis 1975 gab Enzensberger die Zeitschrift „Kursbuch“ heraus, deren Fortführung er deren Mitbegründer Karl Markus Michel überließ. 1980 gründete Enzensberger – gemeinsam mit dem Alt-Achtundsechziger Gaston Salvatore – das Kulturmagazin „TransAtlantik“ (einen damals einzigartigen Publikationsort für Langreportagen), das er 1982 wieder verließ. Seine dritte Ehefrau wurde Katharina Kaever, Redaktionsassistentin bei Enzensbergers Zeitschrift „TransAtlantik“. Von 1985 bis 2007 gab er zusammen mit dem Verleger Franz Greno die Buchreihe „Die Andere Bibliothek“ heraus.

Dieses Projekt begann mit der wehmütig-nostalgischen Erinnerung an den Bleisatz als Versuch, einen Verlag ohne Lichtsatzverfahren zu etablieren. Kennzeichnend war aber auch die – zeituntypisch – betont geschmackvolle, ganz individuelle Gestaltung der mehreren hundert erschienenen Bände. Mit der „Anderen Bibliothek“ bewies Enzensberger seine einzigartige Kennerschaft in den Literaturen der europäischen Sprachen. So erschienen in der „Anderen Bibliothek“ auch zwei Bände von Maurice Joly (1829–1878), darunter dessen berühmtes „Streitgespräch in der Hölle“ (zwischen Machiavelli und Montesquieu), das als eine Vorlage für „Die Protokolle der Weisen von Zion“ gilt.

Mit seinen Essays – oftmals in hoher Auflage im „Spiegel“ erschienen – setzte Enzensberger einen stilistischen Maßstab. Seine Spezialität war die distanzierte Ironie als ein wirksames Mittel, die Grotesken des öffentlichen und gesellschaftlichen Lebens zu schildern. 2003 gehörte Enzensberger (als sogenannter „Bellizist“) zu den wenigen deutschen Intellektuellen, die den US-geführten Angriffskrieg gegen den Irak verteidigten.

Zitate von Enzensberger

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke (Auswahl)

  • Brentanos Poetik. 1961 [Druckfassung der Dissertation, Erlangen 1955]
  • Einzelheiten. Essays, 1962
    • Band 1: Bewußtseins-Industrie
    • Band 2: Poesie und Politik
  • Politik und Verbrechen. Essays, 1964
  • Deutschland, Deutschland unter anderm. Äußerungen zur Politik. 1967
  • Staatsgefährdende Umtriebe. Rede zur Verleihung des Nürnberger Literaturpreises, 1968
  • Palaver. Politische Überlegungen 1967–1973. Essays, 1974
  • Politische Brosamen. Essays, 1982
  • Ach, Europa! Wahrnehmungen aus sieben Ländern. Suhrkamp, 1987
  • Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen. Suhrkamp, 1988, ISBN 3-518-38300-0
  • Die Große Wanderung. Essays, 1992
  • Aussichten auf den Bürgerkrieg. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1993, ISBN 3-518-40769-4
  • Zickzack. Aufsätze, 1997
  • Baukasten zu einer Theorie der Medien. Kritische Diskurse zur Pressefreiheit. Herausgegeben von Peter Glotz. [Enthält fünf klassische Aufsätze Enzensbergers und kleinere Analysen von Glotz zur Einleitung und zum Begriff der „Medienkritik“.] München, Verlag Reinhard Fischer 1997, ISBN 3-88927-162-6
  • Einladung zu einem Poesie-Automaten. 2000, Suhrkamp
  • Nomaden im Regal. Essays. 2003
  • Lyrik nervt! Erste Hilfe für gestreßte Leser. 2004 (unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr)
  • Schreckens Männer – Versuch über den radikalen Verlierer. Suhrkamp, 2006
  • Im Irrgarten der Intelligenz. Ein Idiotenführer. Zürich 2006. [Schriftenreihe der Vontobel-Stiftung, Nr. 1760]; sowie: edition suhrkamp, 2007, ISBN 978-3-518-12532-8
  • Heraus mit der Sprache – Ein bißchen Deutsch für Deutsche, Österreicher, Schweizer und andere Aus- und Inländer. dtv, München 2008 (unter dem Pseudonym Andreas Thalmayr)
  • Fortuna und Kalkül – Zwei mathematische Belustigungen. Suhrkamp, 2009
  • Sanftes Monster Brüssel oder Die Entmündigung Europas. Suhrkamp, 2011, ISBN 978-3-518-06172-5
  • Tumult. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-518-42464-3 [autobiographischer Textfund aus den 60er Jahren, mit „Postscripta“ des Erscheinungsjahrs versehen]
  • Vierzig hinterhältige Fragen zu Europa, Kopp Online, 25. Dezember 2014
  • Immer das Geld! – Ein kleiner Wirtschaftsroman, Suhrkamp Verlag, 2015
  • Überlebenskünstler. 99 literarische Vignetten aus dem 20. Jahrhundert, Suhrkamp, Berlin 2018, ISBN 978-3-518-42788-0

Literatur

  • Frank Dietschreit / Barbara Heinze Dietzschreit: Hans Magnus Enzensberger. J.B. Metzler, Stuttgart 1986, ISBN 3-476-10223-8 [= Sammlung Metzler, Bd. 322]
  • Jörg Lau: Hans Magnus Enzensberger. Ein öffentliches Leben. Alexander Fest Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-8286-0049-2
  • Rainer Wieland (Hg.): Der Zorn altert, die Ironie ist unsterblich. Über Hans Magnus Enzensberger. Mit Beiträgen von Irene Dische, Robert Gernhardt, Reinhold Grimm, Jochen Hörisch, Péter Nádas, Peter Rühmkorf, Frank Schirrmacher u.v.a. Suhrkamp 1999, ISBN 978-3-51839-599-8
  • du. Die Zeitschrift der Kultur, Heft Nr. 699 (September 1999) [Ausgabe mit Texten von und über Hans Magnus Enzensberger]

Fußnoten

  1. Christian Enzensberger war Anglist und verstarb 2009. Ulrich Enzensberger war ein Gründungsmitglied der Berliner Wohngemeinschaft Kommune I und war als Autor tätig. Der Bruder Martin verstarb Mitte der 1980er Jahre an Lungenkrebs.
  2. Die Wesleyan University (Wes oder einfach Wesleyan genannt) ist eine Privatuniversität im US-Bundesstaat Connecticut, mit einem Campus in Middletown. Sie wurde 1831 von Methodisten gegründet, erhielt ihren Namen nach John Wesley, wurde aber 1937 von der methodistischen Kirche vollkommen unabhängig.
  3. Enzensberger: Wer Bargeld abschafft, schafft Freiheit ab, Focus, 27. September 2015
  4. Liste der Kandidaten für den Nobelpreis für Literatur 1967 der Schwedischen Akademie, aktualisiert am 21. Januar 2019
  5. 12. Juni 2015: Die Frank-Schirrmacher-Stiftung mit Sitz in Zürich und Berlin gab bekannt, daß 2015 zum ersten Mal der mit 20.000 Franken (19.000 Euro) dotierte Frank-Schirrmacher-Preis an den Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger geht. Der Preis wird im Andenken an den 2014 verstorbenen Publizisten Frank Schirrmacher für herausragende Leistungen zum Verständnis des Zeitgeschehens verliehen.