Grosser, Alfred
Alfred Grosser ( 1. Februar 1925 in Frankfurt am Main; gest. 7. Februar 2024 in Paris) war ein Jude in Deutschland und Frankreich. Er betätigte sich als Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Herkunft
Alfred Grossers Eltern und Großeltern waren Juden. Vater Paul Grosser, Sozialdemokrat und Freimaurer, war Professor für Kinderheilkunde (→ Medizin) und Leiter eines Frankfurter Kinderkrankenhaus, das er nach der arischen Umstellung verlassen mußte.
1933 zog die Familie nach Frankreich, wo der Vater nach wenigen Monaten starb. Grossers Mutter Lily, geb. Rosenthal ( 1894;
1968), erwarb 1937 mit ihren Kindern die französische Staatsangehörigkeit.
Ausbildung
Alfred Grosser besuchte die Grundschule und das Gymnasium von Saint-Germain-en-Laye und studierte dann an den philosophischen Fakultäten von Aix-en-Provence und in Paris Politik und Germanistik. Er schloß das Studium als Agrégé de l'Université ab und promovierte zum Docteur ès lettres et sciences humaines (Dr. habil.).
Wirken
Im Krieg war er für die verbrecherische Résistance aktiv. 1945 wirkte er als Pressezensor des Militärs in Massilien.
Alfred Grosser war ab 1955 Inhaber eines Lehrstuhls am Institut d'études politiques de Paris (Sciences Po) in Paris. 1992 wurde er als Studien- und Forschungsdirektor an der „Fondation Nationale des Sciences Politiques“ emeritiert.
Ab 1965 war Grosser Mitarbeiter bei zahlreichen Zeitungen und Fernsehanstalten, er zählte zu den führenden Umerziehern im Sinne der Sieger.[1] Unter anderem schrieb er politische Kolumnen für La Croix und Ouest-France. 1975 erhielt er dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Allerdings gehörte Grosser zu den prominenten Juden, die im Gegensatz zu bundesrepublikanischen Radikal-Umerziehern zur Mäßigung im Umgang mit den Deutschen rieten. Neben Joseph Rovan (1918-2004) ist Grosser wohl der wichtigste französische Intellektuelle jüdischer Herkunft, der sich seit der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Gegenwart mittels Aufklärungsarbeit für ein besseres Verständnis zwischen Franzosen und Deutschen und damit für die deutsch-französische Verständigung engagierte.
Grosser war bekannt als Kritiker der israelischen sowie zum Teil auch der französischen Regierungspolitik. Einige Kritiker weisen daher darauf hin, daß er gern von antiisraelischen, oft linken Kreisen als guter jüdischer Zeuge für ihre antiisraelische Politik zitiert werde. Andere bemerken, daß man die israelische Politik nicht kritisieren dürfe, ohne als antiisraelisch oder gar antisemitisch bezeichnet zu werden.
Seit Mitte Mai 2006 heißt die ehemalige Kooperative Gesamtschule Bad Bergzabern Alfred-Grosser-Schulzentrum. Die kontroverse Diskussion um die Namensgebung bezeichnete Grosser selbst als „wahrhaft demokratischen Prozeß“.
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Positionen
- Anfang Februar 2007 wandte Grosser sich in einem taz-Kommentar gegen die Verleihung des Ludwig-Börne-Preises an Henryk M. Broder durch Helmut Markwort, der von der Stiftung dieses Jahr zum Juror ernannt worden war.[2]
- Alfred Grosser erklärte im Juli 2010, es sei zu hoffen, daß die multikulturelle Mannschaft (Fußball-Weltmeisterschaft 2010) den Menschen in Deutschland endlich klarmache, daß die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei. Das habe man lange vergeblich versucht, zu erklären. Dabei sei die Migration für Deutschland eine große Chance. [3]
Werke (Auswahl)
- Das Bündnis, 1981
- Versuchte Beeinflussung, 1981
- Der schmale Grat der Freiheit, 1981
- Frankreich und seine Außenpolitik, 1986
- Was ich denke., November 2000
- Wie anders ist Frankreich, 2005
- Die Früchte ihres Baumes. Ein atheistischer Blick auf die Christen, September 2005
Literatur
- Martin Strickmann: L´Allemagne nouvelle contre l´Allemagne éternelle: Die französischen Intellektuellen und die deutsch-französische Verständigung 1944–1950. Diskurse, Initiativen, Biografien. Frankfurt a. M. [u.a.] 2004, ISBN 3-631-52195-2