Weiß, Bernhard
Bernhard Weiß ( 30. Juli 1880 in Berlin; 29. Juli 1951 in London) war ein jüdischer Jurist und Polizeipräsident in Berlin zur Zeit der Weimarer Republik.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Bernhard Weiß wurde 1880 in Berlin als Sohn des jüdischen Getreidegroßhändlers Max Weiß und dessen Frau Emma geboren. Der Vater war Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Fasanenstraße, Berlin und im Beirat der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Nach dem Abitur im Jahr 1900 studierte Bernhard Weiß Rechtswissenschaften in Berlin, München, Freiburg im Breisgau und Würzburg und schloß das Studium mit der Promotion ab.
1904/05 absolvierte er eine militärische Ausbildung zum Reserveoffizier. Im Ersten Weltkrieg stieg er zum Rittmeister auf und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet.
1916 trat er in die Politische Abteilung des Polizeipräsidiums der Reichshauptstadt ein. Er war der erste ungetaufte Jude im höheren preußischen Verwaltungsdienst. Im Sommer 1918 wurde er Stellvertretender Leiter und 1925 Chef der Kriminalpolizei, und ab 1927 amtierte er als Vize-Chef der Berliner Polizei.[1]
Bevorzugte Zielscheibe im agitatorischen Kampf Dr. Goebbels’ in Berlin war der jüdische Vize-Polizeipräsident Bernhard Weiß, der grundsätzlich nur als „Isidor“ bezeichnet wurde. Goebbels kreidete ihm unter anderem brutale Härte bei Polizeieinsätzen gegen Nationalsozialisten, Korruption und Begünstigung der ostjüdischen Einwanderung an.[1]
Wirken
Damals herrschte am Alexanderplatz der Sozialdemokrat Zörgiebel. Er brachte zu seinem schweren und verantwortungsvollen Amt nicht viel mehr Qualifikation mit, als daß er im Besitz eines sozialdemokratischen Parteibuches war und man ihm nachrühmte, daß er für die Durchführung seiner Aufgabe die dazu notwendige rücksichtslose proletarische Ellenbogenstärke aufweise.
An seiner Seite amtierte als Polizeipräsident der Jude Dr. Bernhard Weiß. Er hatte sich aus der Verwaltungskarriere allmählich hochgearbeitet, trat später in den Polizeidienst über, wurde in jungen Jahren Leiter des Hauptressorts am Alexanderplatz, der politischen IA, war intimer Mitarbeiter Severings bei seiner ersten Ministerschaft im preußischen Innenministerrium und avancierte dann nach dem Sturz von Friedensburg zum Vizepolizeipräsidenten. Nichts liegt uns ferner, als zu behaupten, daß dieser Mann für die objektive Handhabung seines hohen Amtes dem Nationalsozialismus gegenüber nicht die notwendige Unvoreingenommenheit aufzubringen in der Lage wäre. Dr. Weiß ist ein Jude. Er bekennt sich auch offen zum Judentum und ist führend in großen jüdischen Organisationen und Verbänden tätig. Er pflegt zwar die Strafrichter zu bemühen, wenn er von nationalsozialistischer Seite als Jude bezeichnet wird. Das aber ändert nichts an der Tatsache, daß er äußerlich und innerlich erkennbar eben ein Jude ist. Die nationalsozialistische Bewegung ist antisemitisch, und zwar verficht sie einen Antisemitismus, der mit dem Stöckerscher und Kunzescher Prägung nur noch sehr wenig zu tun hat. Die judengegnerische Haltung unserer Bewegung resultiert aus grundsätzlichen Erwägungen. Wir machen den Juden durchaus nicht für alles Unglück, das seit 1918 über Deutschland hereingebrochen ist, allein verantwortlich. Wir sehen in ihm nur den typischen Repräsentanten des Verfalls. Er ist ein parasitäres Lebewesen, das vor allem auf dem Sumpfboden sterbender Kulturen gedeiht und daraus Nutzen zieht.
In dem Augenblick, in dem die letzten Schranken niederfielen, die das internationale Judentum von Verwaltung und Regierung in Preußen-Deutschland fernhielten, war es eigentlich schon um das Schicksal der Nation getan. Von da ab begann der Einbruch des geistigen Nomadentums in die Bezirke staatlicher Disziplin und nationaler Verbundenheit, und es gab nun kein Halten mehr in dem katastrophalen Zusammenbruch des deutschen Staates.
Daß Juden überhaupt in hohe Staatsstellen einrücken konnten, das ist schon ein klassisches Zeichen dafür, wie tief Deutschland seit 1918 gesunken und wie hemmungslos die politische Gesinnungsperversion bei uns eingerissen ist. Als die nationalsozialistische Bewegung in Berlin ihre ersten jungen Anfänge überwunden hatte, setzte das Polizeipräsidium gleich zu entsprechenden Gegenmaßnahmen an. Aus der kühlen Reserve, die man bisher uns gegenüber bewahrt hatte, wurde nun mit einem Male interessierte Anteilnahme. Plötzlich begann es in unseren Versammlungen zu wimmeln von Spitzeln des Alexanderplatzes. Jeder Aufzug, jede Demonstration, jede Zusammenkunft von Funktionären wurde von der Polizei peinlichst überwacht. Man schickte amtliche Spione, im Berliner Jargon Achtgroschen-Jungens genannt, als Mitglieder in die Organisation hinein, in der Hoffnung, sich auf diese Weise das notwendige Material zu verschaffen, um im Ernstfall der Bewegung mit einem amtlichen Verbot zu Leibe rücken zu können.
Die Seele dieses ganzen Unternehmens war nach unserer Überzeugung der Vizepolizeipräsident Dr. Bernhard Weiß selbst. Und so, wie die Sozialdemokratie vor dem Kriege nicht nur ein System, das ihr feindlich war, bekämpfte, sondern auch seine sichtbaren, exponierten Vertreter, so mußten auch wir, ob wir das wollten oder nicht, unsere Taktik darauf abstellen, nicht nur den Alexanderplatz als Sache, sondern auch den Polizeipräsidenten als Person in unsere politischen Angriffe mit einzubeziehen.
So ist es zu erklären, daß unser Kampf gegen die Methoden, die das Polizeipräsidium gegen uns anwandte, und die wir sehr bald in peinlichster Weise am eigenen Leibe zu verspüren bekommen sollten, sich mehr und mehr auf die Person des Vizepolizeipräsidenten Dr. Weiß zuspitzte. In ihm hatten wir eine Zielscheibe unserer Kritik gefunden, wie wir sie uns besser gar nicht denken konnten.
Dr. Weiß bringt zu seinem Amt vieles mit, was nicht dazu gehört und wenig, was nach normalen Begriffen dazu gehören müßte. Er ist weder aktiver Polizeimann noch ausgesprochener Politiker. Er ist Angehöriger der jüdischen Rasse, und das mußte ihn in unseren Augen von vornherein verdächtig machen. Der Himmel mag wissen, wie er an den Vornamen Isidor gekommen ist. Wir haben uns späterhin davon überzeugen müssen, daß ihm dieser Name angehängt worden war, und daß er in Wirklichkeit den unverfänglicheren Bernhard trägt. Allerdings muß ich gestehen, daß, wenn der Name Isidor nicht wahr, er doch mindestens gut erfunden ist. Es bewies sich hier wieder einmal der unverdorbene und treffsichere klassische Berliner Volkswitz, der einen Mann mit einem Vornamen belegte, der ihm zwar nicht zustand, der aber außerordentlich gut für ihn zu passen schien.
Wir sind späterhin oft zu hohen Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt worden, weil wir diesem Mann einen Vornamen beilegten, den er, obschon ihm von Natur aus keinerlei beleidigender Charakter anhaftet, als Verbalinjurie ansah und von den Gerichten verfolgen ließ. Immerhin aber wurde er unter diesem Namen bekannt. Er ging darunter in die zeitgenössische Geschichte ein, und unsere massiven Angriffe gegen ihn bewirkten am Ende, daß er bald zu den populärsten Personen des antisemitischen Kampfes der nationalsozialistischen Bewegung wurde.
Dr. Weiß! Das war nun bald ein zündendes Schlagwort. Jeder Nationalsozialist kannte ihn, jeder Anhänger hatte sich seine Physiognomie aus Tausenden von Witzblättern, Photographien und Karikaturen auf das lebhafteste und deutlichste eingeprägt. In ihm sah man die Seele des Abwehrkampfes gegen unsere Bewegung, soweit er von seiten des Polizeipräsidiums geführt wurde. Er wurde für alles verantwortlich gemacht, was der Alexanderplatz uns an Unrecht antat; und da Herr Dr. Weiß im Gegensatz zu vielen anderen Größen des Systems von einer geradezu mimosenhaften Empfindlichkeit ist, versteifte sich die nationalsozialistische Agitation mehr und mehr darauf, ihn zu einer komischen Figur zu machen, ohne ihn als politischen Gegner ernst zu nehmen, ihn in der Hauptsache karikaturistisch wiederzugeben, und zwar in Situationen, die für ihn wenig schmeichelhaft waren, die aber dem natürlichen Bedürfnis des Berliner Publikums nach Witz, Laune, Spott und lächelnder Überlegenheit weitestgehend entgegenkam.
Fast in jeder Woche hatten wir mit Dr. Weiß irgendeinen Strauß auszufechten. Er war das beliebteste Objekt unserer mitleidlosen Angriffe. Wir zogen ihn aus der Anonymität eines schattenhaften, aber um so einflußreicheren Daseins heraus, stellten ihn in das helle Licht der Öffentlichkeit und führten unsere Schläge gegen ihn mit einem so bitteren agitatorischen Sarkasmus, daß Freund und Feind daran seinen Gefallen finden mußte.
Flucht aus Deutschland
1932 wurde er nach dem „Preußenschlag“ entlassen. Nach der Machtübernahme der NSDAP am 30. Januar 1933 wurde er auf die erste Ausbürgerungsliste des Deutschen Reiches gesetzt. Er ging über Prag nach England, wo er in London ein Papierwarengeschäft betrieb und 1951 an Krebs starb.[1]
Literatur
- Joseph Goebbels / Mjoelnir: Das Buch Isidor. Ein Zeitbild voll Lachen und Haß, 1931 (PDF-Datei)
- Dietz Bering: Kampf um Namen
- David Irving: Goebbels – Macht und Magie
- Elke Fröhlich (Hg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels
- Joseph Goebbels: Kampf um Berlin (Netzbuch)