Kofferbomber
Die als die mutmaßlichen Kofferbomber bekannt gewordenen Männer waren Islamisten, die am 31. Juli 2006 in Deutschland versuchten, zwei Regionalzüge in die Luft zu sprengen. Die zwei eingesetzten Kofferbomben explodierten aufgrund eines handwerklichen Fehlers nicht. Andernfalls hätten die Anschläge vermutlich viele Tote und Verletzte unter den Reisenden gefordert.
Inhaltsverzeichnis
Bomben
Die Bomben bestanden unter anderem aus einem Zeitzünder, einer Gasflasche und einem Behältnis mit Benzin, die in einem Rollkoffer verborgen waren. Ein echter Explosivstoff war, außer der kleinen Menge Initialsprengstoff im Zünder, nicht enthalten, ebenso fehlte eine Sauerstoffquelle, welche mit dem Benzin und/oder Gas ein explosionsfähiges Gemisch hätte ergeben können (der Sauerstoffpartialdruck der normalen Raumluft ist nicht hoch genug, um eine solche Konstruktion zum Explodieren zu bringen). Die Bomben waren von den Tätern im Kölner Hauptbahnhof in zwei Regionalbahnen deponiert worden. Die Bomben waren so eingestellt, daß sie um 14.30 Uhr explodieren sollten. Die Zündung erfolgte, jedoch explodierten die Bomben mangels Explosivstoffs oder Sauerstoffquelle nicht.
Der erste Koffer befand sich im Regionalexpreß 1 von Aachen Hauptbahnhof nach Hamm (Westfalen). Er wurde noch am selben Tag von einem Zugbegleiter bei einer Vierersitzgruppe in einem Doppelstockwaggon gegen 14.40 Uhr entdeckt und gegen 15.55 Uhr in der Fundstelle des Dortmunder Hauptbahnhofes abgegeben. Bei Öffnung des Koffers wurde die Bombe erkannt und die Bundespolizei verständigt. Sie wurde gegen 19.35 Uhr von USBV-Entschärfern mit einer Wasserkanone beschossen und untauglich gemacht. Sie enthielt elf Liter Butangas in einer Gasflasche, 4,5 Liter Benzingemisch, einen Wecker und Drähte.
Der zweite Koffer mit einer ähnlichen Vorrichtung wurde am selben Tag im Hauptbahnhof Koblenz sichergestellt. Er war im Kölner Hauptbahnhof in einer Regionalbahn nach Koblenz deponiert worden. Die Bombe wurde erst entdeckt, als der Koffer am nächsten Tag geöffnet wurde.[1]
Nach Untersuchungen der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung hätten die Kofferbomben einen Feuerball mit 15 Metern Durchmesser und umherfliegende Metallsplitter im Umkreis von hundert Metern bewirken können. Die Zerstörungskraft der Bomben war mit der Wirkung der Sprengsätze bei den Terroranschlägen am 7. Juli 2005 in London vergleichbar. Beide Züge wären vermutlich bei der Explosion entgleist.[2] Zudem soll sich in einem der Koffer Speisestärke befunden haben, welche sich nach einer Explosion in Form von Feinstaub auf die Atemwege der Opfer hätte legen und dadurch zu weiteren Opfern durch Ersticken führen sollen. Dies geht aus der libanesischen Anklageschrift gegen Dschihad Hamad hervor.[3]
Täter
Beide Kofferbomber waren von den Überwachungskameras im Kölner Hauptbahnhof gefilmt worden. Nach den Tätern konnte also mit Bildern und Filmen gefahndet werden. Die Filmaufnahmen wurden am 18. August 2006 veröffentlicht und eine Belohnung von 50.000 Euro für Hinweise ausgeschrieben.
Der einundzwanzigjährige Youssef Mohamad al-Hajdib wurde am 19. August 2006 um 3.53 Uhr in einem Bahnhofsrestaurant in Kiel festgenommen. Er stammt aus dem Libanon. Er lebte seit 2004 in der BRD, studierte seit Februar 2005 Mechatronik an der Fachhochschule Kiel und wohnte in einem Studentenwohnheim.[4] Im Sommer 2007 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen ihn. Den entscheidenden Hinweis zu seiner Festnahme erhielten die deutschen Behörden vom libanesischen militärischen Nachrichtendienst, der dem mutmaßlichen Terroristen durch abgehörte Telefonate auf die Spur gekommen war. Teile der Familie gelten den libanesischen Behörden als Sympathisanten des militanten Islamismus und standen deshalb unter Überwachung.[5]
Der zwanzigjährige Dschihad Hamad stellte sich am 25. August 2006 in Tripoli den Behörden und sitzt in einem Gefängnis im Libanon ein.
Es gibt Hinweise, daß die beiden Täter zu einer mehrköpfigen Terrorgruppe gehören, die der Hizb-ut-Tahrir nahesteht. So wurde am 25. August 2006 der 23jährige Student Fadil el S. aus Syrien in einem Studentenwohnheim in Konstanz festgenommen. Er soll die Anleitungen zum Bombenbau im Weltnetz beschafft haben.[6] Am 14. September 2006 wurde er aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen.[7] Der 24jährige Akkar wurde als Verdächtiger im Nordlibanon festgenommen.
Die Ermittlungen wurden von Generalbundesanwältin Monika Harms geleitet.
Laut Ermittlungsakten soll das ursprüngliche Ziel des Anschlags die Sprengung der Kölner Hohenzollernbrücke gewesen sein. Dieser Plan soll aber mangels ausreichender Sprengstoffmengen geändert worden sein.[8]
Auf einer gelöschten Festplatte entdeckten Fahnder des Bundeskriminalamtes einen Bombenbauplan. Die Ermittler sind sich sicher, daß die beiden verdächtigen Libanesen Dschihad Hamad und Youssef Mohamad el-Hajdib anhand dieser Anleitung ihre Sprengsätze konstruierten.
Anfang 2007 wurde in Beirut gegen sechs Libanesen Anklage wegen des „Versuchs, Menschen in Zügen in Deutschland zu ermorden“ erhoben. Der Staatsanwalt forderte lebenslange Haft mit Zwangsarbeit für die Verdächtigen. Eine Auslieferung in die BRD ist nicht möglich.[9]
Am 11. April 2007 begann der Prozeß gegen Hamad in Beirut. Aufgrund des Geständnisses und der Tatsache, daß die Taliban sich im Libanon zu organisieren suchen, rechneten Beobachter mit einem harten Urteil von im Höchstfall 25 Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit für Hamad.
Am 20. Mai 2007 kam der ebenfalls polizeilich gesuchte Saddam al-Hajdib, der Bruder Youssefs, bei den Gefechten zwischen der libanesischen Armee und radikalen Islamisten der Terrororganisation Fatah al-Islam im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared im Nordlibanon ums Leben.[10] Saddam galt als „Nummer 4“ der prosyrischen Splittergruppe Fatah al-Islam, die al-Qaida nahestehen soll und für Bombenanschläge auf Zivilisten in christlichen Wohngebieten verantwortlich ist.[11][12]
Am 18. Dezember 2007 wurden in Beirut Dschihad Hamad zu zwölf Jahren und Youssef al-Hajdib in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Gegen letzteren fand am selben Tag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der erste Prozeßtag statt.[13] Bei diesem Prozeß bestätigte ein Zeuge, daß die beiden Libanesen auch Anschläge auf ein Stadion während der Fußball-WM sowie auf die Kölner Hohenzollernbrücke erwogen hatten.[14]
Anklage
Einer der beiden Düsseldorfer Kofferbomber ist der 23jährige Libanese Youssef El-Hajdib. Ihm wurde vielfacher versuchter Mord und versuchtes Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen. Laut Bundesanwaltschaft soll der Angeklagte am 31. August 2006 im Kölner Hauptbahnhof gemeinsam mit dem später im Libanon festgenommenen Komplizen Jihad Hamad zwei Sprengsätze in Regionalzügen deponiert haben. Nur aufgrund eines Konstruktionsfehlers waren die Kofferbomben in den Zügen nicht explodiert, die sonst wahrscheinlich viele Menschen getötet oder verletzt hätten. Beide Männer waren von Videokameras im Kölner Hauptbahnhof gefilmt worden. Als Motiv vermuten die Ermittlungsbehörden Rache für die Verbreitung von Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed in westlichen Zeitungen. Ursprünglich waren diese in dem dänischen Blatt „Jyllands-Posten“ abgedruckt worden. Der Komplizte des 23jährigen, Jihad Hamad, hatte sich noch rechtzeitig vor einer Ergreifung in der BRD in den Libanon absetzen können. Dort wurde er allerdings schließlich auch verhaftet und vor Gericht gestellt. Ein Auslieferungsabkommen gibt es mit dem Libanon nicht. Ein libanesisches Strafgericht hatte ihn zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Jihad Hamad hatte gestanden, gemeinsam mit seinem Landsmann Youssef El-Hajdib im Juli 2006 im Kölner Hauptbahnhof zwei Sprengsätze in Regionalzügen deponiert zu haben. Sein Anwalt kündigte an, er wolle in Berufung gehen. Drei seiner Mitangeklagten wurden freigesprochen.[15]
Der Libanese Youssef el-Hajdib möchte in der BRD Asyl beantragen, in dem Land, in dem er hunderte Menschen töten wollte.[16]
Urteil
Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verurteilte den sogenannten „Kofferbomber von Köln“ zu lebenslanger Haft. Es sprach den Libanesen Youssef al-Hajdib des vielfachen versuchten Mordes schuldig. Der 24jährige zeigte keinerlei Reue. Das Gericht folgte mit dem Urteil der Forderung der Bundesanwaltschaft. Staatsanwältin Duscha Gmel sagte, Deutschland sei einem islamistischen Anschlag nie näher als in diesem Fall gewesen. Al-Hajdib hatte die Anschlagspläne zugegeben. Ulrich Egger, Sprecher des Oberlandesgerichts, sagte, allein ein technischer Irrtum der Bombenleger habe ein verheerendes Blutbad mit einer Vielzahl von Toten verhindert, in Motivation und Zielrichtung sei der geplante Anschlag eine zutiefst terroristische Tat. Es sei ihr ausdrückliches Ziel gewesen, eine möglichst große Anzahl von Ungläubigen zu töten: „Wären die Sprengsätze detoniert, hätte ein 15 Meter großer Feuerball Menschen getötet und verletzt, Splitter wären durch die Abteile geflogen.“ Überwachungskameras hatten al-Hajdib am Kölner Hauptbahnhof gefilmt, als er am 31. Juli 2006 mit seinem Komplizen Jihad Hamad zwei Kofferbomben im Kölner Hauptbahnhof in zwei Zügen deponierte, die aber nicht detonierten.[17]
Der libanesische „Kofferbomber von Köln“ Youssef el Hajdib wurde im Dezember 2011 zu lebenslanger Haft verurteilt.[18]
Kontext
Die fehlgeschlagenen Anschläge stehen in einem Kontext verschiedener Anschläge mit islamistischem Hintergrund, insbesondere auch auf Personenzüge, wie die Terroranschläge am 11. März 2004 in Madrid, am 7. Juli 2005 in London sowie am 11. Juli 2006 und am 26. November 2008 in Mumbai.
Filmbeitrag
NuoViso im Gespräch ... mit Jürgen Elsässer