Kohlstock, Paul

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Oberstabsarzt I. Klasse Prof. Dr. med. Paul Kohlstock

Paul Martin Julius Kohlstock (Lebensrune.png 5. Januar 1861 in Berlin; Todesrune.png 14. April 1901 in Tientsin) war ein deutscher Sanitätsoffizier der Preußischen Armee und promovierter Tropenmediziner.

Aus: „Stammliste der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen“

Werdegang

Stabsarzt Dr. Kohlstock
Sanitätsoffizier Stabsarzt Dr. med. Karl Wilhelm Heinrich Schmelzkopf (1848–1889), seit 1869 Korporierter der Berliner Vandalia (Kösener Corps) und Veteran des Deutsch-Französischen Krieges, war Chefarzt der Wissmann-Truppe, Dr. Kohlstock sein Assistent und nach dessen Tod Nachfolger.
Rudolf Virchow zu Paul Kohlstock
Kohlstock gehörte zu den allerersten, die den Begriff des „Tropenkollers“ prägte, aber auch wissenschaftlich definierte. Er begriff die Gefahr des hochgradiger Erregungszustandes der Männer der Schutztruppe. Die Hitze, die Feuchtigkeit, aber auch Tropenneurasthenie und Malaria gehörten zu den Ursachen. Stimmungsschwankungen konnten zum Wahn werden, fehlender sozialer Halt zu Maßlosigkeit. Der Medizinalreferent im Oberkommando der Schutztruppen Kohlstock riet deshalb noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Personen mit mangelhafter Selbstzucht aus „unseren jungen, noch in Gärung befindlichen Kolonien“ fernzuhalten: „Selbst auf die Gefahr hin, daß einige dieser jungen Leute dem Deutschtum verloren gehen könnten, empfiehlt es sich, sie in alte, gefestigte, englische oder südamerikanische Kolonien zu schicken.“ Seine Publikationen und Vorträge befaßten sich vorwiegend mit Tropenhygiene, Malaria, Schwarzwasserfieber und Rinderpest.
Paul Kohlstock III.jpg
Armee-Oberstabsarzt Prof. Dr. Paul Kohlstock in Tientsin verstorben, 1901.jpg
Paul Kohlstocks Tod
Ehe
Geburt des Sohnes
Rangliste 1900

Kohlstock studierte von 1878-1882 am Friedrich-Wilhelms-Institut. 1879 schloß er sich dem Pépinière-Corps Franconia an.[1] Er wurde am 14. November 1882 mit der Arbeit „Beitrag zur Casuistik des Typhus abdominalis bei Kindern“ zum Dr. med. promoviert und am 21. September 1884 zum Arzt wurde approbiert und zum Assistenz-Arzt befördert. In der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika betrieb er ab 1889 Studien zur Malaria. Als Chefarzt Dr. Schmelzkopf, dessen Assistent er war, 1889 tödlich verunglückte, wurde er von Hermann Wissmann zum Chefarzt ernannt. Als solcher erlebte er die Sklavenhändlerrevolte in Deutsch-Ostafrika.

Am Friedrich-Wilhelms-Institut war er vom 18. März 1890 bis 22. Februar 1893 tätig. Seit 1890 Stabsarzt, war er von 1891 bis 1893 als Assistenzarzt an die III. Medizinischen Klinik der Charité kommandiert. Ab 1891 war er auch Verwaltungsarzt der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes und Lehrer für Tropenhygiene am Seminar für Orientalische Sprachen. Er wurde zum Reichsamt des Innern kommandiert und dem Reichskommissar zur Bekämpfung der Cholera im Elbstromgebiet beigegeben. Praktisch eingesetzt war er einige Male als Kommissar in Choleraplätzen.

1896 wurde er unter Stellung à la suite des Sanitätskorps auf ein Jahr beurlaubt behufs Verwendung als ärztlicher Referent für Medizinalsachen bei der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts. Im selben Jahr begleitete er Robert Koch auf der Expedition nach Südafrika. In der Kapkolonie und in Deutsch-Südwestafrika ging es um die Erforschung und Bekämpfung der Rinderpest. Als Dr. Koch im März 1897 weiter nach Indien reiste, blieb Kohlstock in der Diamantenstadt Kimberley, um weiterhin zu forschen. Seine Arbeit wurde von den Engländern, die das Fremdwort „Rinderpest“ übernahmen, in der Kapkolonie hochgeschätzt, am 17. Mai 1897 wurden seine Ergebnisse im „Agricultural Journal of the Cape of Good Hope“ veröffentlicht. Ende Mai 1897 erschien die offizielle Broschüre (Pamphlet No. 9) der Landwirtschaftsabteilung (Cape of Good Hope Department of Agriculture), die ausschließlich auf Dr. Kohlstocks Arbeiten beruht.

„Auf einer anderen Farm (Klippiesdam) impften Turner und Kohlstock 83 Rinder mit verschiedenen Sorten von Galle, ohne dass irgend eine Erkrankung auftrat, und endlich konnte die gleiche Erfahrung auch bei einem Versuche grösseren Massstabs im Distrikte Britstown gemacht werden, wo von 160 Rindern, welche sich noch dazu in besonders dürftigem Ernährungszustände befanden, kein einziges nach der Galle-Einspritzung (10 ccm) an Rinderpest erkrankte. […] Angaben über Fälle, in denen geimpfte Rinder schon nach 3 Wochen erkrankt sein sollten, stellten allerdings vereinzelte Ausnahmen dar und waren offenbar mit der Verwendung mangelhafter Gallensorten zu erklären. Dagegen liess sich aus zuverlässigen Beobachtungen in den verschiedensten Landesteilen mit Deutlichkeit ersehen, dass die Galle-Immunität im Durchschnitt nach 2 bis 3 Monaten erloschen zu sein und selbst bei Anwendung grösserer Dosen nicht länger als 4 Monate anzuhalten pflegte. (Kolle, Kohlstock, Krause.) Man war daher bemüht, Mittel und Wege ausfindig zu machen, um der Gallen- Immunität einen beständigeren Charakter zu verleihen. Einmal suchte man dies durch wiederholte Galle-Einspritzungen (Theiler), dann und namentlich aber durch ein Vorgehen zu bewirken, das zuerst durch Kohlstock in Deutsch-Südwestafrika, später in ähnlicher Weise durch Krause, Distriktsarzt in Bloemfontein, im Oranje-Freistaat und Transvaal scheinbar mit Erfolg geübt worden war und darin bestand, dass man den Tieren eine gewisse Zeit, 10–30 Tage, nach der Impfung virulentes Rinderpestblut injizierte. Durch diese Blut-Nachimpfung sollte die einmal erworbene Immunität eine weitere Steigerung und grössere Dauerhaftigkeit erhalten, und die Erfolge, über welche Kohlstock berichtet, sprechen in der That sehr zu gunsten des von ihm dringend empfohlenen Verfahrens. […] Die kombinirte Schutzimpfung in der eben erörterten Form hat sich daher weder im Experiment, noch in der Praxis der einfachen Koch’schen Gallenmethode überlegen gezeigt und stellt, wenn sie auch an einigen Orten günstige Resultate gezeitigt hat, kaum eine wesentliche Verbesserung des Verfahrens dar. Worauf die von Kohlstock berichteten Erfolge in Deutsch-Südwestafrika zurückzuführen sind, kann an dieser Stelle nicht mit Bestimmtheit entschieden werden.“[2]

Nach seiner Abreise im Juni 1897 nach Deutsch-Südwestafrika übernahmen Dr. Wilhelm Kolle (1868–1935) und Dr. George Turner (1848–1915) die Forschungs- bzw. Versuchsstation in Kimberly, die nach Robert Koch benannt worden war. Am 30. März 1898, inzwischen erneut am Bakteriologischen Institut in Gammans, wurde Kohlstock zum Oberstabsarzt ernannt und erhielt im selben Jahr den Titel „Professor“. Er war ab 1899 beim Kommando der Schutztruppen. Zur Niederschlagung des Boxeraufstands ging er 1900 als Angehöriger des Kriegslazarettpersonals mit dem Ostasiatischen Expeditionskorps nach China.

Der Tod von Dr. Schmelzkopf

Stabsarzt Dr. med. Karl Wilhelm Heinrich Schmelzkopf gehörte zu den Pionieren der Wissmann-Truppe. Im Februar 1889 begleitete er Hermann Wissmann und dessen Adjutanten Oberleutnant Dr. phil. Theodor Bumiller nach Ägypten, wo etwa 600 Soldaten angeworben wurden. Wissmann hatte fünf Schiffe zur Verfügung. Wahrend die vier kleinsten Schiffe, „München“, „Max“, „Vulkan“ und „Vesuv“ sich als recht brauchbar erwiesen, stellten sich bei dem fünften, dem größten und teuersten, an dem außerdem kostspielige Neuerungen vorgenommen worden waren, Fehler heraus, welche später seine Heimsendung nötig machten. Die München“, der kleinste dieser Dampfer, hatte beispielsweise bisher als Schlepper auf dem Rhein gedient und war von dort durch den Kanal, die berüchtigte Biscaya, Atlantischen Ozean, Mittel und Rotes Meer und Indischen Ozean bis nach Bagamoyo gefahren, so daß es keine Übertreibung ist, wenn man sagt, daß der Kapitän, Herr Prager, mit diesem glücklich bestandenen Wagnis ein seemännisches Meisterstück geleistet hatte. Die „München“ sollte Wissmanns Stabsschiff werden.

Am 19. Juli 1889 befand sich die „München“ auf einer Besichtigung der Küstenplätze. Dr. Schmelzkopf begleitete das Unternehmen, um eine ärztliche Revision damit zu verbinden. Der Südwestmonsun wehte stark, sodaß der Kapitän im Schutze einer kleinen Insel bei Dar es Salaam vor Anker gehen mußte. Wißmann ließ ein Boot klar machen und ruderte mit den beiden Offizieren und einigen Schwarzen nach der Insel. Das Boot jedoch schlug leck, und nur mit großer Mühe erreichte es den Strand, in dessen Brandung es dann völlig sank. Nur mit Mühe konnte es an den Strand gezogen werden. Dr. Schmelzkopf hatte das Unglück beobachtet und wollte helfen. Mit Kognak, Kaffee, Chinin und einer kleinen Schachtel Nägel zur Bootsreparatur wollte er die 1.000 m zum Strand schwimmend überwinden, um die Schiffsbrüchigen zu helfen. Der Kapitän konnte ihn jedoch vorerst abhalten. Die Gefahr war zu groß. Um vier Uhr morgens, in der Dunkelheit, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Er glaubte seinen Vorgesetzten und Freund in großer Gefahr. Er war ein starker Schwimmer, aber die hohen Wellen und die mitgeführten Gegenstände waren zu viel, auch war das Wasser haiverseucht. Am Morgen, nach Tagesanbruch, gelang es den Männern das Boot notdürftig zu flicken. Mit aller Kraft erreichten sie die „München“. In dem Moment, wo alle an Bord waren, sank das kleine Boot. Der Kapitän fragte fieberhaft „Wo ist Dr. Schmelzkopf?“ Und die Bestürzung war groß. Wißmann ließ die München noch bis 20 Uhr der Strömung folgend nach ihm suchen, aber vergebens. Als die Dunkelheit am 20. Juli 1889 einbrach war jedwede Hoffnung verflogen. Seinem Andenken wurde ein Obelisk bei Dar es Salaam gesetzt.[3] Neuer Chefarzt der Schutztruppe wurde Paul Kohlstock. Seine Monographie „Ärztlicher Ratgeber für Ostafrika und Tropische Malariagegenden“ (1891) widmete er „dem Andenken des verewigten ersten Chefarztes der deutschen Schutztruppe für Ostafrika Stabsarztes Dr. Schmelzkopf, der in aufopfernder Kameradschaft seinen Tod fand im indischen Ocean vor Dar-es-Salaam am 20. Juli 1889“.

Deutsches Kolonial-Lexikon

„Kohlstock, Dr. med. Paul, kgl. Oberstabsarzt, Prof., geb. am 5. Jan. 1861 zu Berlin, gest. am 14. April 1901 in Tientsin. Ausgebildet auf der Kaiser- Wilhelms-Akademie in Berlin, war er seit 1884 Assistenzarzt, 1889 bei der Wissmann-Truppe. 1890 wurde er Stabsarzt und 1896 Referent für Medizinalsachen in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts. Im gleichen Jahre begleitete er Robert Koch (s.d ) als Assistent auf der Expedition zur Erforschung der Rinderpest nach Südafrika. 1898 zum Oberstabsarzt und im gleichen Jahre zum Professor ernannt. 1900 ging er mit dem Expeditionskorps nach China, wo er 1901 an Typhus starb. Kolonialwissenschaftliche Schriften: Ärztlicher Ratgeber für Ostafrika und tropische Malariagegenden, Verlag von Peters in Berlin, 1891; Sanitätswesen in den deutschen Schutzgebieten; Deutscher Militärärztlicher Kalender, 1901 u. ff. ; Über die Dienstverhältnisse der in den deutschen Schutzgebieten beamteten Ärzte, Deutsche Med. Wochenschr. 1899; Mitteilungen aus dem Gebiete der Tropenhygiene und Tropenpathologie, Deutscher Militärärztlicher Kalender 1900.“[4]

Ratgeber für die Tropen (Tropenkoller)

Dass eine gut entwickelte Fähigkeit zur Triebbeherrschung für einen Aufenthalt in den kolonialen Tropen unerlässlich sei, gehörte zu den Leitsätzen der deutschen Tropenhygiene um 1900. Die einschlägigen Lehrbücher und an Laien adressierten Ratgeberschriften – von denen man freilich nie genau weiß, wie sie tatsächlich gelesen und gebraucht wurden – wimmeln von Warnungen vor den schädlichen moralischen, gesundheitlichen und politischen Folgen einer mangelnden Triebkontrolle. Besonders mahnend in diesen Fragen sprach sich der mehrfach wiederaufgelegte Ratgeber für die Tropen des Medizinalreferenten in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes Dr. Paul Kohlstock aus. Gleich auf den ersten Seiten dieses Werkes wird ausdrücklich festgestellt, dass es sich beim „Tropenkoller“ nicht um einen „leeren Wahn“ sondern um ein tatsächlich vorkommendes Phänomen handle. Wer schon in der Heimat ungeduldig und impulsiv sei, werde „unter dem Einfluss des Tropenklimas und der Malaria hochgradig nervös und kann uns jederzeit einen neuen Kolonialskandal liefern.“ Dass Kohlstock in diesem Zusammenhang auch von „mangelnder Selbstzucht“ und den Gefahren der „Paschawirtschaft in verschiedenem Sinne“ sprach, weist auf die sexuelle Dimension des Syndroms hin. […] heißt es im Ratgeber, dass der „gereifte, ruhige Mann“ trotz Nervosität innerhalb der Grenzen von Sitte und Recht zu bleiben vermöge: „Der unreife, haltelose und bereits früher nervöse Mensch verliert die Herrschaft über sich vollkommen, verkennt seine Recht und Pflichten und verfällt dem ‘Tropenkoller’.“ […] Hygienische Regulierung bedeutete aber auch im Fall des Tropenkoller durchaus nicht nur Verbot. So wird gerade in Dr. Kohlstocks so sehr um die Folgen der „geschlechtlichen Überanstrengung“ besorgten Ratgeber auch eindringlich vor dem Gegenteil, nämlich den Gefahren einer „Unterdrückung des Geschlechtstriebes“ gewarnt:
Wer hier gewohnt war, in legitimer und illegitimer Weise regelmäßigen Geschlechtsverkehr zu pflegen, wird meist in den heißen Ländern sehr bald durch diesen, nun einmal in der menschlichen, insbesondere männlichen Natur fest wurzelnden Trieb belästigt werden. Nüchternes Leben und körperliche Anstrengungen können zwar den Trieb erfolgreich eindämmen. Aber selbst völlig gesunde Männer mit regem Geschlechtstrieb werden zuweilen durch Enthaltsamkeit belästigt und in ihrer Leistungsfähigkeit geschädigt. In höherem Maße gilt dies für nervös belastete Menschen, deren Zahl außerordentlich groß ist; sie leiden infolge der unbefriedigenden Anforderungen des Geschlechtstriebes an Samenfluß, Onanie, Störungen der Nachtruhe und der Arbeitsfähigkeit, auch durch Entwicklung sexueller Neurasthenie in hohem Maße. Manche Fälle von Tropenkoller sind wahrscheinlich der Enthaltsamkeit im Geschlechtsverkehr zur Last zu legen. Daher kann sogar ein ernsthafter, gewissenhafter Mann nach Überwindung etwaiger Rassenabneigung dazu gelangen, mit einer Eingeborenen Geschlechtsverkehr anzuknüpfen. Die schwere Gewissensbelastung, welche hier durch Schädigung der weiblichen Geschlechtsehre dem Manne erwächst, fällt in den Kolonien meist weg. Mäßigkeit und peinliche Sauberkeit können in solchen Fällen vor schädlichen Folgen und Ansteckung bewahren (siehe Geschlechtskrankheiten, Seite 244); ob Schutzmittel gegen Konzeption zur Anwendung gelangen, hat jeder mit sich selbst abzumachen (siehe Seite 120).
„Onanie“ und „Störungen der Nachtruhe“ gelten in jedem Fall als schlimmer und schädlicher denn gelegentlicher Sex mit einer einheimischen Frau. Mehr noch, die sexualhygienische Anweisung wird unter der Hand selbst zu einer erotischen Phantasie über einen kolonialen Freiraum der Lust. Schließlich wird hier nicht anderes festgestellt, als dass es nicht nur legitim sondern auch sexualhygienisch notwendig sein könne, im Dienst des kolonialen Projektes Geschlechtsverkehr mit einer schwarzen Frau[5] zu haben, um schwerwiegende Folgen wie Störungen der „Arbeitsfähigkeit“ und „sexuelle Neurasthenie“ zu vermeiden. Der Ratgeber versichert nicht nur, dass selbst gewissenhafte Männer sich zu einem solchen Schritt entscheiden könnten und macht das Erlaubte so fast zum Gebotenen. Aus der Position kolonialhygienischer Autorität wird hier auch versichert, dass von einer „Schädigung der weiblichen Geschlechtsehre“ bei schwarzen Frauen kaum die Rede sein könne.[6]

Entsendung von Robert Koch und Stabsarzt Kohlstock zur Bekämpfung der Viehseuchen

1896 reisten Prof. Dr. Robert Koch und seine Frau Hedwig von Berlin nach Bulawayo ins damalige Kolonialgebiet der „Britischen Südafrika-Gesellschaft“ (später Rhodesien). Die Engländer betrieben dort Landwirtschaft, vor allem Rinderhaltung. Die aus Europa importierten Tiere erkrankten an verschiedenen Krankheiten, darunter Rinderpest und Maul- und Klauenseuche (MKS). Dies war der Ansatzpunkt für Kochs Forschungen. Die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes stellte den afrikaerfahrenen Arzt Dr. Paul Kohlstock zu Kochs Begleitung ab. Kohlstock hatte als Truppenarzt der Schutztruppe in Bagamoyo, in der Kolonie Deutsch-Ostafrika, gedient und dort vor allem Erfahrungen in Tropenmedizin sammeln können. Für Koch war Kohlstock ein idealer Helfer beim Einstieg in das Arbeitsgebiet der Tropenmedizin. Hierzu diente die Station für wissenschaftliche Untersuchungen von Viehseuchen (Bakteriologisches Institut) in Gammans, Deutschsüdwestafrika.

Die Behörden in Deutsch-Südwestafrika hatten versucht, das Übergreifen der Rinderpest auf die Kolonie durch vorbeugende Maßnahmen wie Absperrungen, Desinfektionen und experimentelle Impfungen zu verhindern. Vergebens. Die Seuche im Jahr 1897 überschattete alle bisherigen Viehverluste durch andere Tierkrankheiten. Sie legte das auf Ochsenwagen angewiesene Transportnetz lahm. Frachtwagen blieben auf der Strecke zwischen Swakopmund und Windhoek liegen, weil die Ochsengespanne erkrankten. Um den Schaden für die Wirtschaft möglichst gering zu halten, wurde sofort mit dem Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Swakopmund und Windhuk begonnen. Außerdem wurden verstärkt Maultiere für das Transportwesen gezüchtet, die nicht von der Rinderpest betroffen waren. Die Seuche im Jahr 1897 wütete vor allem im Norden und in der Landesmitte; auch der Süden war betroffen. Sie endete noch im selben Jahr ebenso plötzlich, wie sie aufgetreten war. Danach wurden nur noch kleine Ausbrüche dieser Tierkrankheit verzeichnet, denn die geimpften Rinder und die Kälber geimpfter Kühe blieben immun. Seit 1905 gilt Deutschsüdwest als frei von Rinderpest, wenn auch die „Rote Linie“, ein Veterinärzaun im Norden des Landes, nach mehr als einem Jahrhundert noch daran erinnert. Denn als vorbeugende Maßnahme gegen die Rinderpest war 1896 eine viehfreie Zone von 20 km Breite geschaffen worden, um ein Vordringen der Tierkrankheit von Norden und Osten zu verhindern. Die Rinderpest hat nicht nur den Anstoß zur Entwicklung der Veterinärmedizin im Land gegeben, sondern auch entscheidend zum Aufbau der Infrastruktur beigetragen. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bau der Eisenbahnlinie von Swakopmund nach Windhuk begonnen. 1915 hatte Deutsch-Südwestafrika mit fast 2400 Kilometern das umfangreichste Schienennetz aller deutschen Kolonien.

Robert Koch und Paul Kohlstock hatten in ihrem anschließenden Gutachten die Idee eines Reichsinstituts fur Tropenhygiene aufgegriffen. Dieses Institut sollte seinen Sitz in Berlin haben. Hamburg war allerdings schneller: Dort widmete sich bereits eine kleine Abteilung des „Hafenkrankenhauses“ den Krankheiten in den Schutzgebieten. Der Direktor Bernhard Nocht konnte sich mit seinem Plan eines Ausbaus durchsetzen, und am 1. Oktober 1900 wurde das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ eingeweiht. Zwar wurde es von der Reichsregierung nur teilfinanziert; das kolonialpolitische Ziel unterstützte es aber dennoch, indem es Kolonialärzte in dreimonatigen Kursen ausbildete, medizinische Expeditionen materiell ausstattete und in den Schutzgebieten entnommene Blutproben untersuchte. 1905 wurde das Berliner „Institut für Infektionskrankheiten“ um eine „Tropenabteilung“ erweitert und damit doch noch in der Reichshauptstadt eine Forschungsstätte etabliert.

Deutsch-Südwestafrika

„Die in Afrika gefürchtetste Tierseuche, die Rinderpest, kam dem Schutzgebiet Ende 1896 immer näher. Zunächst glaubte man, ihr durch Absperrung begegnen zu können. Es wurde daher längs der Grenze eine viehfreie Zone von 20 km Durchmesser geschaffen und eine entsprechende Vermehrung der Grenzstationen angeordnet. Der Absperrung gegen die Ovambos habe ich bereits gedacht. Die Zahl der Tierärzte wurde um zwei vermehrt. Doch ist nach wirklichem Ausbruch der Seuche die Hauptarbeit und damit auch die größte Leistung dem bereits im Lande befindlichen Roßarzt Rickmann zugefallen. Denn alle Absperrungsmaßnahmen hatten nichts genützt. Das Eindringen der Seuche war auf die Dauer schon infolge der Tatsache, daß sie auch das Wild ergreift, nicht zu hindern. Nur das Namaland blieb von ihr verschont, da sie in diesem schwach bewohnten trockenen Gebiet für ihre Verbreitung wenig günstige Bedingungen vorfand. Auch war die Absperrung gegen die Kalaharisteppe dort leichter durchzuführen und daher wirksamer. Dagegen drang die Rinderpest Anfang 1897 nördlich Gobabis über die Ostgrenze und ergriff zuerst die Viehherden des Häuptlings Tjetjo. Bevor noch die Meldung hiervon an das Gouvernement gekommen war, war die Seuche durch Händler mitten in den Bezirk Windhuk verschleppt. Die erste Meldung von einer verdachterregenden Krankheit unter den Viehherden am Schaffluß traf in Windhuk am 6. April ein, als wir gerade die Enthüllung des zu Ehren der im Witbooikriege gefallenen Angehörigen der Truppe errichteten Denkmals feierten. Der Bezirksamtmann von Windhuk, der mittlerweile zum Regierungsrat beförderte Assessor v. Lindequist, faßte die Sache mit gewohnter Energie an. Es wurden Absperrungsmaßnahmen, Desinfizierungen und Impfung angeordnet. Das inzwischen seitens des Geheimrats Koch in der Kapkolonie erfundene Impfverfahren kannten wir damals noch nicht. Indessen waren der Roßarzt Rickmann und im Norden der ebenso tüchtige Bakteriologe Stabsarzt Dr. Kuhn von selbst auf ein wenigstens den bösesten Wirkungen der Seuche vorbeugendes Impfverfahren gekommen. — Eine wirklich systematische Bekämpfung der Rinderpest konnte jedoch erst nach dem im Monat Juni 1897 erfolgten Eintreffen des Stabsarztes Dr. Kohlstock, bisher Assistent bei Geheimrat Koch, eingeleitet werden. Das von letzterem erfundene Verfahren war, die Rinder durch Impfung mit bakterienfreier Galle bis zu einem gewissen Grade zu immunisieren und dann bei den so immunisierten Rindern mittels der Einspritzung von Rinderpestblut die Seuche künstlich zu erzeugen. Dies Verfahren rief in der Regel einen nur leichten Krankheitsfall hervor, von dem die Tiere bald wieder genasen, worauf sie als aktiv immunisiert galten. Der mit der Leitung des Impfverfahrens im Norden betraute Stabsarzt Kuhn setzte bei den gewaltigen Viehherden Kambazembis an Stelle des mühsamen Impfens der einzelnen Rinder mit Rinderpestblut das Treiben der mit Galle geimpften Herden in verseuchte Viehkraale. Denn auch in diesen konnte Ansteckung und somit aktive Immunisierung erfolgen; bei den großen Viehherden, um die es sich dort handelte, ein recht praktisches Verfahren.“Theodor Leutwein[7]

Schlafkrankheitsbekämpfung in Kamerun

In Deutschland drehte sich die erste medizinische Beschäftigung nach Beginn der Kolonisierung der afrikanischen Schutzgebiete um die „Akklimatisationsfrage“, also darum, ob die gesundheitlichen und klimatischen Bedingungen in den Kolonien eine Besiedelung durch Europäer möglich machte. Zur Beantwortung der Frage dienten nicht Mikroskope, sondern Umfragen, die anhand von Fragebögen unter den in Schutzgebieten tätigen Europäern durchgeführt wurden. Aber auch hier setzten sich ab der zweiten Hälfte der 1890er Jahre – unter dem Einfluß von Robert Koch und Paul Kohlstock – mikrobiologische Forschungen durch. Im Kaiserlichen Gesundheitsamt und im Institut für Infektionskrankheiten in Berlin wurde vor allem zu Cholera, Malaria und Pest geforscht. Von hier aus wurden auch Expeditionen nach Ägypten, Indien und Deutsch-Ostafrika vorbereitet. Ab 1907 plädierte der Staatssekretär im neu eingerichteten Reichskolonialamt, Bernhard Dernburg, für eine Eingeborenen-Politik, die sich an den Grundsätzen von Humanität, Gerechtigkeit und Mildtätigkeit orientieren sollte.

Tod

Im Februar 1901 erkrankte Kohlstock im noch nicht vollendeten 41. Lebensjahr an Unterleibs- bzw. Bauchtyphus (Typhus abdominalis), der Krankheit seiner Doktorarbeit. Trotz der großen Schmerzen und des unsäglichen Leids behielt er seinen frischen Humor bei. Am Vormittag des 14. April 1901 verstarb er im Lazarett I zu Tientsin.

Familie

Abstammung

Paul war der Sohn des Geheimen Justizrats Prof. Dr. Hans Mansuetus Julius Kohlstock (Lebensrune.png 3. September 1808 in Freienwalde an der Oder; Todesrune.png 7. Juli 1861 in Berlin), der sich am 2. August 1834 an der Friedrich-Wilhelms-Universität habilitierte und nur sieben Monate nach der Geburt seines Sohnes verstarb.

Ehe

Am 6. Oktober 1890 heiratete Paul Kohlstock Olga Gertrud Bertha Charlotte[8] von Livonius (1869–1900), Tochter des Generalleutnants Wilhelm von Livonius und Schwester des späteren Generalmajors Willy von Livonius. Aus der Ehe ist Sohn Wilhelm (Lebensrune.png 1900) entsprossen. Seine Mutter starb im Kindbett, sein Vater kehrte nicht lebend aus der Fremde zurück. Kaum auf der Welt wurde Wilhelm Vollwaise.

Auszeichnungen

Preußischer Kronenorden am Kämpferband

„Der 1861 in Berlin geborene Militärarzt Paul Kohlstock wurde wie viele seiner hier Erwähnung findenden Kollegen am Friedrich Wilhelms-Institut ausgebildet. 1889 nimmt er an der Unterwerfung der Aufstände in Deutsch-Ostafrika teil und erhält hierfür den Kronenorden vierter Klasse mit Schwertern am weißen Band mit schwarzen Seitenstreifen. Danach für drei Jahre an die Kaiser Wilhelms-Akademie versetzt, folgt die Verwendung in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes. In diesen Zeitraum fallen auch seine Tätigkeit als Lehrer für Tropenhygiene am Seminar für orientalische Sprachen sowie Assistenzzeiten bei Professor Robert Koch. Ab 1898 wird er als Oberstabsarzt à la Suite der Schutztruppen für Südwestafrika bestellt und 1899 auch dorthin versetzt. Er tritt 1900 dem Kriegslazarettpersonal des ostasiatischen Expeditionskorps bei. Am 14. April 1901 verstirbt er im Garnisonslazarett in Tientsin. Kohlstock trägt auf dem Portrait den Kronenorden der vierten Klasse mit Schwertern am schwarzen Band und wird auch mit diesem Band ab 1898 in den Ranglisten der Königlich Preußischen Armee geführt, vorher jedoch mit dem weiß-schwarzen Band. Es muss daher hier eine der bereits obenerwähnten seltenen Verleihungen des Kriegsbandes zum bereits vorhandenen Orden mit Schwertern am weißen Band vorliegen. Da Professor Kohlstock im in Frage kommenden Zeitraum dieser Bandvergabe nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt war, bleibt zu vermuten, dass er dieses Band für die gefahrvolle Tätigkeit als Begleiter Professor Robert Kochs auf dessen Forschungsreisen durch Afrika erhalten hat. Dies wäre gut vorstellbar, da Verleihungen von preußischen Orden ohne Schwerter, jedoch am schwarzen ‚Kriegsband‘ für eine Reihe von Ärzten, so auch für Robert Koch selbst, im gleichen Kontext von Willi Geile und Erast Schubersky nachgewiesen werden konnten.“[9]

Schriften (Auswahl)

  • Ärztlicher Ratgeber für Ostafrika und Tropische Malariagegenden, Verlag von Hermann Peters, Berlin 1891 (zahlreiche Auflagen)
  • Ueber subcutane und rectale Anwendung von Abführmitteln, in: „Charité-Annalen“, Nr. 17, 1892, S. 288–294
  • Die sanitären Massnahmen gegen die Rinderpest in Südwestafrika, in: „Deutsches Colonialblatt“, Jahrgang VIII, Nr. 22, 15. November 1897
  • Die Bekämpfung der Rinderpest in Deutsch-Südwestafrika, in: „Deutsche militärärztliche Zeitschrift“, 1898
  • Über die Dienstverhältnisse der in den deutschen Schutzgebieten beamteten Ärzte, Deutsche Medizinische Wochenschrift, 1899
  • Mitteilungen aus dem Gebiete der Tropenhygiene und Tropenpathologie, Deutscher Militärärztlicher Kalender, 1900
  • Sanitätswesen in den deutschen Schutzgebieten, in: „Deutscher Militärärztlicher Kalender“, 1901 u. ff.
  • Dr. Paul Kohlstocks Ratgeber für die Tropen. Handbuch für Auswanderer, Ansiedler, Reisende, Kaufleute und Missionare über Ausrüstung, Aufenthalt und Behandlung von Krankheiten in den heißen Ländern, 3. Auflage, Stettin 1910

Bildergalerie

Fußnoten

  1. Kösener Corpslisten 1960, 60/146.
  2. Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene unter besonderer Berücksichtigung der Pathologie und Therapie, 4. Band, Leipzig 1900
  3. Paul Reichard: Deutsch-Ostafrika – Das Land und seine Bewohner, seine politische und wirtschaftliche Entwickelung, Verlag und Druck von Otto Spamer, Leipzig 1891
  4. Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band II, S. 316
  5. Daß Kohlstock mit seiner Sorge über Folgen einer Beschränkung der sexuellen Freiheit deutscher Männer nicht alleine stand, zeigen verschiedene Beiträge von Medizinern und Juristen in der Debatte über die Mischehenverbote. So bezeichnete der Anatom Gustav Theodor Fritsch (1838–1927) 1913 ein Eheverbot „bei ungenügender Frauenzufuhr als eine Brutalität“ gegen die Libido des Mannes (Fritsch, „Rückblicke auf die Ergebnisse der Rassenmischung“, zit. in Kundrus, Moderne Imperialisten, S. 245).
  6. S. Besser: Pathographie der Tropen – Literatur, Medizin und Kolonialismus um 1900, 2009
  7. Generalmajor und Gouverneur a. D. Theodor Leutwein in Elf Jahre Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika, Berlin 1906, S. 127
  8. Nach anderen Quellen Olga Luise Liota Gertrud
  9. Vgl.: Orden und Ehrenzeichen, 11. Jahrgang, Nr. 64 (Dezember 2009), S. 310–311