Marr, Wilhelm

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Friedrich Wilhelm Adolph Marr (Lebensrune.png 16. November 1819 in Magdeburg; Todesrune.png 17. Juli 1904 in Hamburg) war ein jüdischer Journalist, der in Deutschland wirkte. Er propagierte im deutschen Sprachraum als erster den Anarchismus. 1879 popularisierte er den Begriff Antisemitismus und gründete die erste antijudaistische politische Vereinigung: die Antisemitenliga.

Leben

Linker Demokrat und Anarchist

Wilhelm Marr wurde in Magdeburg geboren. Er war der einzige Sohn des Schauspielers und Regisseurs Heinrich Marr und dessen Ehefrau Henriette Catharina, geb. Becherer. Von 1825 an besuchte er die Volksschule in Hannover und anschließend die Realschule in Braunschweig. Beruflich durchlief er in Hamburg und Bremen eine Kaufmannslehre, zog 1839 zu seinem Vater, der dort am Burgtheater beschäftigt war, nach Wien und arbeitete als Handlungsgehilfe bei zwei jüdischen Firmen. 1841 ging er nach Zürich und machte dort die Bekanntschaft mit Georg Herwegh, Julius Fröbel und August Adolf Follen, allesamt politische Emigranten und linke Oppositionelle. Diese Begegnungen bildeten ein Schlüsselerlebnis in seinem Leben. Er veröffentlichte den Gedichtband „Freie Trabanten“ und wurde 1843 wegen kommunistischer Umtriebe aus Zürich ausgewiesen. Anschließend lebte er in Lausanne und trat in näheren Kontakt mit Hermann Döleke und Julius Standau, die beide den Léman-Bund, einen jungdeutschen Geheimbund, ins Leben gerufen hatten, den er bald zu seinem persönlichen Machtinstrument umfunktionierte. Marr wandelte sich zum Anarchisten sowie Atheisten, gründete den geheimen Schweizerischen Arbeiterbund und gab die „Junghegelianisch-atheistischen Blätter der Gegenwart für sociales Leben“ (1844/45) heraus. 1845 wurde er auch aus Lausanne ausgewiesen und veröffentlichte im folgenden Jahr die Schrift „Das junge Deutschland in der Schweiz“, in der er seine Verdienste über Gebühr hervorstrich und eine antiliberale Grundhaltung durchschimmern ließ.

Politischer Journalist

1845 ließ sich Marr in Hamburg nieder und wurde politischer Journalist, so bei dem von ihm gegründeten satirischen Witzblatt „Mephistopheles“ (1847/48–1852).

Er gehörte zu den extrem linken Anhängern der radikal-demokratischen Partei und wurde 1848 als Deputierter nach Frankfurt am Main entsandt. Das erste Mal polemisierte er gegen die sogenannte Judenemanzipation und führte als Grund seine Abneigung gegen den Liberalismus an, der sich den jüdisch konnotierten Kapitalinteressen verschrieben habe. Nach dem Scheitern seiner politischen Vorstellungen über einen deutschen Zukunftsstaat – einer demokratischen Republik – wurde er zum energischen Befürworter eines deutschen Staates unter preußischer Hegemonie.

1852 ging er – von den aktuellen politischen Verhältnissen frustriert – vorübergehend nach Übersee, nach Costa Rica, um dort als Kaufmann sein Geld zu verdienen. Erfolglos kam Marr wieder nach Hamburg zurück und arbeitete erneut im journalistischen Bereich. 1854 heiratete er Georgine Johanna Bertha Callenbach, deren Vater sich vom religiösen praktizierenden Judentum losgesagt hatte, von der er sich 1873 scheiden ließ. Marr war im Vorstand des „Demokratischen Vereins“ und seit 1861/62 in der Hamburgischen Bürgerschaft vertreten.

Sein politischer Radikalismus bestand fort; so verfaßte er 1862 einen Beitrag im „Courier an der Weser“, in dem er den Präsidenten der Hamburger Bürgerschaft, Gabriel Riesser, einen liberalen Juden und Agitator der „Judenemanzipation“, attackierte. Er warf den Juden vor, die Emanzipation zu mißbrauchen, um sich wirtschaftliche und politische Machtpositionen innerhalb der Hamburger Kaufmannsoligarchie zu sichern. Nach dem Erreichen dieser Positionen hätten sie die demokratischen Ideale des Liberalismus verraten.

Der Protest gegen den Artikel führte zur Aufgabe seiner politischen Ämter. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik redigierte er „Die Nessel“ (1864), den „Beobachter an der Elbe“ (1865/66), das Sonntagsblatt „Der Kosmopolit“ (1866), wurde schließlich leitender Redakteur der „Berliner Post“ (1869–1871) und war zudem für die „Weimarische Zeitung“ (1874/75) tätig. Nebenher verfaßte er u. a. Artikel für „Die Gartenlaube“.

1874 heiratete Marr die Jüdin Helene Sophia Emma Maria Behrend, die noch im selben Jahr starb. Marrs dritte Gattin wurde 1875 die geschiedene Jenny Therese Kornick, die einen jüdischen Elternteil hatte und ihm einen Sohn schenkte. 1877 wurde diese Ehe geschieden. Seine vierte und letzte Ehefrau wurde Clara Maria Kelch, die aus einer Hamburger Arbeiterfamilie stammte.

Antisemitismus

In Berlin erschien im Februar 1879 Marrs Schrift „Der Sieg des Germanenthums über das Judenthum – Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus betrachtet“, die noch im selben Jahr zwölf Auflagen erlebte. Damit stieg er vorübergehend zum Wortführer des politischen Antisemitismus auf. Im selben Jahr gründete er auch die nur kurz existierende Antisemitenliga und gab bis 1880 ihr offizielles Organ, „Die neue deutsche Wacht“, heraus.

Marr grenzte sich in seinen Schriften von der traditionellen religiösen Judenfeindschaft ab und erklärte die Juden zu einer fremden Rasse von „Parasiten“, die erfolgreich die Ausbeutung Deutschlands betreibe. Diesen Paradigmenwechsel von Religion zu Rasse verdeutlichte er durch die Einführung des Begriffes „Antisemitismus“ in den zeitgenössischen politisch-gesellschaftlichen Diskurs. Es ist allerdings nicht sicher, daß die Begriffsschöpfung tatsächlich auf ihn zurückgeht, da das Adjektiv „antisemitisch“ schon 1873 belegt ist.

Agitatorisch erreichte Marr große Resonanz, parteipolitisch hatte er einen Mißerfolg nach dem anderen einzustecken. 1890 zog er sich, gesundheitlich angeschlagen und politisch verbittert, ins Privatleben zurück und geriet zuletzt noch in Streit mit seinem Schüler Theodor Fritsch, den er des „Geschäftsantisemitismus“ bezichtigte.

Politisch war Marr mit seiner Liga ab 1880 isoliert, da andere Antisemiten neue Parteien gründeten und eine rassische Propaganda ablehnten.

Marr prägte wesentliche Klischees und Schlagworte, die weit über seinen persönlichen Erfolg hinaus weiterwirkten und die Diskussion um die „Judenfrage“ bestimmten. So legte er 1880 mit seiner Schrift „Goldene Ratten und rothe Mäuse“ die Basis für die Gleichsetzung von Judentum, Kapitalismus und Kommunismus, wie sie später Adolf Hitler in „Mein Kampf“ vertrat: 

„Von zwei Seiten wird also die Zerstörung der Gesellschaft betrieben; von Seiten der goldenen und rothen Internationale. Dort vom Standpunkt des krassesten Individualismus aus, hier vom mehr oder weniger bewussten kommunistischen Standpunkt. Das Judenthum hat die Führerschaft der goldenen Internationale übernommen … Die ,liberale‘ Gesetzgebung hat uns dem Kapitalismus gegenüber nahezu wehrlos gemacht … Ein Volk von geborenen Kaufleuten unter uns, die Juden, hat eine Aristokratie, die des Geldes, geschaffen, welche alles zermalmt von Oben her, aber zugleich auch eine kaufmännische Pöbelherrschaft, welche durch Schacher und Wucher von Unten herauf die Gesellschaft zerfrisst und zersetzt.“

Die bildhafte Assoziation von Juden und Ratten wirkte ebenfalls fort und fand sich wieder in dem nationalsozialistischen Progagandafilm „Der ewige Jude“ von 1940.

Rückschau

Später stellte Hans Werner Woltersdorf folgendes über Marr fest:

„Im Jahre 1879 erschien in Bern ein Buch mit dem Titel ‚Der Sieg des Judentums über das Germanentum‘ von Wilhelm Marr. Er schreibt darin auf Seite 30: ‚Kein Vorwurf dem Judentum. Es hat 1800 Jahre lang mit der abendländischen Welt gekämpft. Es hat die Welt besiegt, sich untenan gemacht. Wir sind die Besiegten, und es ist ganz in Ordnung, daß der Sieger vae victis ruft.‘ Wilhelm Marr stellt sich hier in die Reihe der Nichtjuden, aber in Wirklichkeit war er der 1819 geborene Sohn des jüdischen Schauspielers Heinrich Marr. Offensichtlich wollte er vermeiden, daß er eine laudatio pro domo hält. Bemerkenswert aber ist, was er auf den Seiten 34 f. schreibt: ‚Von allen europäischen Staaten ist jetzt nur noch Rußland übrig, welches der offiziellen fremdherrschaftlichen Invasion Widerstand leistet... In diesem vielgliedrigen Staat findet das Judentum den ‚archimedischen Punkt‘, den es braucht, um die abendländische Welt aus den Angeln zu heben. Die jüdische elastische Leichtlebigkeit wird Rußland in eine Revolution stürzen, wie die Welt noch keine ähnliche gesehen hat ... Hat es Rußland lahmgelegt, dann wird der Zusammenbruch der abendländischen Gesellschaft jüdisch-offiziell beginnen, und dieses letzte Stündlein des verurteilten Europa wird in spätestens 100–150 Jahren schlagen.‘ Marr sagt also nicht nur die russische Revolution voraus, sondern prophezeit bereits auf Seite 30, ‚daß nicht vier Generationen vergehen, und es wird absolut kein Staatsamt, selbst das höchste nicht ausgeschlossen, mehr existieren, das nicht von Juden usurpiert wäre ...‘ Zweifellos gehört Marr nicht zu den ‚Weisen von Zion‘, wenngleich seine Prophezeiungen gut in die Protokolle gepaßt hätten. Diese vermerken in Kapitel XV, Absatz l, hierüber: ‚So war bisher die russische Selbstherrschaft beschaffen, der einzige Feind, den wir noch haben – abgesehen vom Papsttum.‘ “[1]

Werke (in Auswahl)

  • Pillen. Eigens präparirt für deutsche und andere Michel, Jenni Sohn, Bern 1844
  • Katechismus eines Republikaners der Zukunft, Lausanne 1845
  • Das junge Deutschland in der Schweiz. Ein Beitrag zur Geschichte der geheimen Verbindungen unserer Tage, Jurany, Leipzig 1846 (PDF-Datei)
  • Der Mensch und die Ehe vor dem Richterstuhl der Sittlichkeit, Jurany, Leipzig 1848 (PDF-Datei)
  • Anarchie oder Autorität?, Hoffmann u. Campe, Hamburg 1852 (PDF-Datei)
  • Der Judenspiegel (1862) (PDF-Datei)
  • Reise durch Central-Amerika, Hamburg 1863 (PDF-Datei)
  • Messias Lassalle und seine Hamburger Jünger. Eine Abfertigung, Fischer, Hamburg 1863
  • Der Ausschluß Oesterreichs aus Deutschland ist eine politische Widersinnigkeit, Schardius, Hamburg u. a. 1866
  • Selbständigkeit und Hoheitsrecht der freien Stadt Hamburg sind ein Anachronismus geworden, Selbstverlag, Hamburg 1866
  • Des Weltunterganges Posaunenstoß, lieblich begleitet und allen Gläubigen gewidmet, Fischer, Hamburg 1867
  • Es muß alles Soldat werden! oder die Zukunft des Norddeutschen Bundes. Ein Phantasiegemälde, Schardius, Hamburg 1867
  • Nach Jerusalem mit dem Papst! Eine Bergpredigt, Verlags-Bureau, Altona 1867
  • Religiöse Streifzüge eines philosophischen Touristen, Denicke, Berlin 1876
  • Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum – Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus betrachtet, Berlin 1879 (Netzbuch und PDF-Datei zum herunterladen)
  • Jeiteles teutonicus. Harfenklänge aus dem vermauschelten Deutschland von Marr dem Zweiten, Bern 1879 (Netzbuch und PDF-Datei zum Herunterladen)
  • Vom jüdischen Kriegsschauplatz. Eine Streitschrift, Costenoble, Bern 1879 (Netzbuch und PDF-Datei zum herunterladen)
  • Wählet keinen Juden! Der Weg zum Siege des Germanenthums über das Judenthum. Ein Mahnwort an die Wähler nichtjüdischen Stammes aller Confessionen, Hentze, Berlin 1879 (Netzbuch und PDF-Datei zum herunterladen)
  • Der Judenkrieg, seine Fehler und wie er zu organisieren ist. 2. Theil von „Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum“, Antisemitische Hefte, Schmeitzner, Chemnitz 1880 (Netzbuch und PDF-Datei zum herunterladen)
  • Goldene Ratten und rothe Mäuse, Antisemitische Hefte, Schmeitzner, Chemnitz 1880 (Netzbuch und PDF-Datei zum Herunterladen)
  • Oeffnet die Augen, Ihr deutschen Zeitungsleser. Ein unentbehrliches Büchlein für jeden deutschen Zeitungsleser, Schmeitzner, Chemnitz 1880 (Netzbuch und PDF-Datei zum herunterladen)
  • Lessing contra Sem. Allen „Rabbinern“ der Juden- und Christenheit, allen Toleranz-Duselheimern aller Parteien, allen Pharisäern und „Schriftgelehrten“ tolerantest gewidmet. Mit einem Bildnis des Verfassers, Schulze, Berlin 1885 (Netzbuch und PDF-Datei zum herunterladen)
  • Wo steckt der Mauschel?, Frobeen, Bern (1880) (Netzbuch und PDF-Datei zum herunterladen)
  • Die Verjudung Deutschlands und der Weg zur Rettung, Brandner, Stettin (1880) (Netzbuch und PDF-Datei zum Herunterladen)

Verweise

Fußnoten

  1. Hans Werner Woltersdorf: Die Ideologie der neuen Weltordnung, S. 57 (Netzbuch)